Nur schlechte Trainer gehen in den Wald

Von Stefan Moser
Der FC Bayern München hat im Trainignslager am Gardasee Kondition gebolzt
© Getty
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Anders als etwa ein Marathonlauf ist Fußball aus wissenschaftlicher Sicht ein chaotisches Ereignis. Die Intervalle zwischen hohen und niedrigen Belastungen ergeben sich aus dem Spiel heraus, sind also eher zufällig verteilt.

Die Herzfrequenz eines Profis bewegt sich während der 90 Minuten in einer unregelmäßigen Wellenbewegung zwischen 90 Prozent seines Maximalpulses und circa 60 Prozent. Entscheidend für seine Ausdauer ist entsprechend eine möglichst kurze Regenerationszeit zwischen den hohen Belastungen. Über theoretische Mittelwerte können diese Intervalle im Training nachgeahmt werden.

Wissenschaftlich gut belegt ist zum Beispiel, dass man durch Vier-Minuten-Läufe mit maximal einer Minute Pause die Ausdauer von Fußballern spezifisch verbessern kann. Der Spieler läuft dabei in einem gleichmäßigen Tempo, das rund 10 Prozent über seiner sogenannten ventilatorischen Schwelle liegt.

Das heißt, sein Körper produziert mehr Laktat, als er unter gleichbleibender Belastung selbst wieder abbauen kann.

Durch gezielte Wiederholung lässt sich diese Schwelle in relativ kurzer Zeit gut nach oben verschieben.

60 Intervalle zwischen den 16ern

Eine weitere Möglichkeit, die Regenerationszeit zu verkürzen, besteht darin, dem Körper beizubringen, an eben dieser Schwelle zu "puffern".

Schmidtlein verwendet dafür 15-Sekunden Intervalle, die die reale Belastung eines Fußballers innerhalb einer Aktion widerspiegeln. Der Spieler läuft eine Strecke von 70-80 Metern (von Sechzehner zu Sechzehner) innerhalb von 15 Sekunden.

Kurz nachdem der Körper anfängt, überschüssiges Laktat zu bilden - bei diesem Tempo nach gut 12 Sekunden -, macht der Spieler 15 Sekunden Pause. Und läuft die Strecke dann zurück, wiederum in 15 Sekunden. Insgesamt wiederholt er dieses Intervall bis zu 60 Mal.

Der Schwachpunkt dieser Übung: Das Intervalltraining passt zwar den Stoffwechsel eines Spielers fußballspezifisch an. Solange er aber nur geradeaus läuft, wird sein Bewegungsapparat nicht auf die charakteristischen muskulären Belastungen während des Spiels vorbereitet.

Perfekte Abstimmung dank GPS

Mithilfe moderner Kamera- und GPS-Techniken hat sich Schmidtlein deshalb verschiedene Scouting-Daten besorgt. Er weiß nun zum Bespiel, dass ein Mittelfeldspieler innerhalb eines schnellen Laufs über 12 bis 14 Meter mindestens einmal die Richtung, das Tempo oder sogar beides wechselt.

Er kennt sogar die typischen Winkel, in denen Fußballer auf verschiedenen Positionen am häufigsten beschleunigen.

Auch diese Daten werden zur Trainingssteuerung benutzt, in Laufeinheiten werden typische Bewegungsmuster und Richtungswechsel aus dem Spiel imitiert.

Auch die 15-Sekunden-Intervalle lassen sich fußballspezifischer anpassen, indem der Spieler - anstatt von Strafraum zu Strafraum zu laufen - in derselben Zeit drei Mal zur Sechzehnerlinie und wieder zurück spurtet.

Individuelles Training für alle Mannschaftsteile

Die Sammlung von Messwerten und Scouting-Daten führt zudem immer mehr zu einer Individualisierung des Konditionstrainings. Zum einen können die Spieler anhand ihrer Laktatwerte in kleinere Leistungsgruppen zusammengefasst werden, um zu verhindern, dass ein ausdauerstarker Spieler in einer Einheit unterschwellig trainiert, während ein anderer längst über seiner Grenze läuft.

Zum anderen kann das Training gerade in der Vorbereitung auch positionsbezogen spezifiziert werden. "Ein durchschnittlicher Mittelfeldspieler in der Bundesliga läuft etwa zwölf Kilometer pro Spiel. Acht bis zehn Prozent seiner Laufstrecke im Sprint, das heißt schneller als 23 km/h", erklärt Schmidtlein.

Ein zentraler Abwehrspieler dagegen bringt es nur auf fünf bis sieben Kilometer pro Spiel, der Anteil an kurzen Sprints ist dafür noch höher, im Extremfall addiert bis zu 1,5 Kilometern. Sein Anteil an schnellen Läufen (über 16 km/h) ist dafür wiederum deutlich niedriger als bei Mittelfeldspielern oder Außenverteidigern, die wiederum einen sehr hohen Anteil an langen Sprints über 30 Meter und mehr haben.

Schmidtleins Fazit: "All das muss man im Training berücksichtigen, um gezielter zu arbeiten: gezielter auf die Sportart bezogen, gezielter auf die Mannschaft, gezielter auf den einzelnen Spieler."

BVB zeigt: Deutschland hat aufgeholt

Dass Deutschland in Sachen fußballspezifischer Ausdauer aber mittlerweile immer mehr zu Nationen wie Italien oder England aufschließt, wo die Vereine teilweise schon seit Jahren mit einem großen Team an Spezialisten arbeiten, zeigt schon die Tatsache, dass auch die Bundesligisten ihre Trainerstäbe zusehends mit Experten aufgestockt haben.

Fast alle Klubs arbeiten inzwischen mit Wissenschaftlern oder lassen sich zumindest von Spezialisten beraten.

Dass ihre Arbeit Früchte trägt, beweist nicht zuletzt Borussia Dortmund. Beim deutschen Meister arbeitet mit Oliver Bartlett aktuell der einstige Nachfolger von Schmidtlein beim DFB an der Fitness der Spieler. Er trainiert nach ähnlichen Methoden - und hat damit ebenfalls Erfolg.

Die Scouting-Daten aus der abgelaufenen Saison zeigen: Der BVB erzielte bei fast allen läuferischen Parametern Spitzenwerte. Und zwar in allen Mannschaftsteilen.

Spielplan für die kommende Bundesliga-Saison

 

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