"Der BVB wird der BVB bleiben"

Carsten Cramer und Stadionsprecher Norbert Dickel über den Dächern von Dortmund
© getty

Ein Blick in die Kristallkugel: Übernehmen Retortenklubs den Fußball? Wird die Bundesliga zum globalen Phänomen? Und wie werden die Superstars von übermorgen entdeckt? In der neuesten Ausgabe der Themenwoche beschäftigt sich SPOX mit der Zukunft des Fußballs - und das in verschiedensten Facetten. Diesmal spricht Carsten Cramer, Direktor für Vertrieb und Marketing bei Borussia Dortmund, über Internationalisierungsstrategien des BVB, den Blick auf die Konkurrenz im In- und Ausland und die Gefahr, mit der neuen Art der Dortmunder "Außenpolitk" beim Anhang zu polarisieren.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Cramer, man könnte gemeinhin den Eindruck bekommen, dass Sie den Dortmunder Slogan "Echte Liebe" höchstselbst erfunden haben. Die Düsseldorfer Agentur "XEO" hat dabei aber mitgeholfen. Wie kam es denn eigentlich zu diesen beiden Worten?

Carsten Cramer: Was die Zeit vor Jürgen Klopp angeht, sprach unser Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke schon häufiger von einem teilweise nicht definierbaren Hin und Her, von einer gewissen Orientierungslosigkeit, die sowohl den Fußball, als auch das Innenleben von Borussia Dortmund betraf. Daher stellten wir uns damals die Frage: Wofür steht eigentlich der BVB, was ist seine Identität? Um auf eine vernünftige Antwort zu kommen, haben wir einen externen Partner hinzugenommen, der ein wenig in die Rolle des Mediators schlüpfte. Am Ende dieses Selbstfindungsprozesses, an dem vom Fan über den Aktionär bis zum Mitarbeiter alle beteiligt waren, ist das in unserem Markenversprechen "Echte Liebe" zusammengefasst worden.

SPOX: Können Sie das Wort "Markenversprechen" bitte einmal näher definieren?

Cramer: Das ist etwas nicht Austauschbares oder Ersetzbares. Die "Echte Liebe" ist die DNA des BVB und nicht etwa ein Claim, weil es keine Kampagne ist. Die Kerncharakteristika von Borussia Dortmund sind damit in zwei Worten auf den Punkt gebracht.

SPOX: Mit Werten wie Authentizität und Intensität will man künftig auch verstärkt auf internationalen Märkten punkten. Wie kann man garantieren, dass im jeweiligen Markt eine natürliche Beziehung zum Verein entsteht, ohne etwa einen Spieler aus dieser Region zu verpflichten?

Cramer: Das lässt sich nicht pauschal auf jeden Markt übertragen. Die wichtigste Voraussetzung ist, international zu spielen. Wenn man das nicht tut, sind Internationalisierungsstrategien viel schwieriger umzusetzen. Deshalb steht bei uns zu jeder Zeit der Fußball im Mittelpunkt. Was wir machen, ist somit immer als Begleitung für den Fußball zu verstehen.

SPOX: Laufen Marketing- und Internationalisierungsprozesse von selbst, wenn man auf dem Platz erfolgreich ist?

Cramer: Nicht ganz, aber beinahe. Es ist am Ende egal, welcher Nationalität die Spieler angehören. Solange sie ein schönes, gelbes Trikot anhaben, was ja nicht ganz so viele andere Fußballvereine von sich behaupten können, haben wir schon einen hohen Wiedererkennungswert im Ausland geschaffen.

SPOX: Im Bereich der Internationalisierung verfolgt der BVB eine Nischenmarktstrategie. Das Fußballerlebnis Borussia Dortmund soll in ausgewogenen Märkten Einzug erhalten. Welche nicht-deutschsprachigen Märkte sind denn dem Verein besonders wichtig?

Cramer: In Europa sind Polen, die Türkei und England unsere Zielmärkte. Außerhalb Europas ist es der südostasiatische Raum mit Ländern wie Japan, Korea, Singapur, Malaysia, Thailand und Indonesien. Dort hat eine Marktforschung sehr gute Werte für uns ergeben. Daher eröffnen wir nun auch eine Repräsentanz in Singapur, um näher am Puls der Zeit zu sein und nicht vom deutschen Schreibtisch aus internationale Arbeit verrichten zu müssen.

SPOX: Welche glaubwürdige Verbindung zwischen diesen Ländern und dem Verein besteht da in Ihren Augen?

Cramer: Man kann nicht zu jedem Land eine hundertprozentig historische oder aktuelle Beziehung aufbauen. Wichtig ist, dass dort Interesse am deutschen Fußball vorhanden ist und die Bundesliga im Fernsehen stattfindet. Hinzu kommen Attribute, die dazu beitragen, dass wir dort nicht bei null anfangen: Die Art und Weise, wie wir auftreten, wie wir Fußball spielen oder dass wir den höchsten Zuschauerschnitt in Europa haben. Dass wir insgesamt sozusagen als gelbe Vollgasgeber wahrgenommen werden. Man braucht in den Märkten, in denen wir unsere Arbeit forcieren wollen, einen gewissen Bodensatz an Bekanntheit und Sympathie.

SPOX: Kommt dieser Bodensatz ausschließlich vom Rückenwind, den man durch die internationalen Erfolge der vergangenen beiden Jahre bekommen hat, oder lässt er sich beispielsweise auch an Abrufzahlen im Bereich Social Media ablesen?

Cramer: Das eine bedingt das andere. Wir können durch die Nachverfolgung von IP-Adressen im digitalen Bereich sehen, woher das Interesse kommt und dann unsere Strategie spezifizieren sowie fortschreiben.

SPOX: Welcher Ausschlag war denn im Zuge der Rückkehr von Shinji Kagawa zu beobachten?

Cramer: Der Transfer von Shinji Kagawa hat sich an vielen Stellen bemerkbar gemacht. Die Zugriffszahlen unserer japanischen Homepage haben sich vervierfacht. Wir verzeichnen bereits über 10.000 verkaufte Trikots - mit Stand von Montag. Viele Japaner besuchen unsere neue FanWelt am Signal Iduna Park, Yanmar steigt wieder als Sponsor ein und unser Besuch mit der BVB-Fußballschule in Japan stieß auf enormes Interesse.

SPOX: Bald wird in Singapur ein BVB-Büro eröffnet. Dort haben auch Hauptsponsor "Evonik", Ausrüster "Puma" sowie die DFL eine Repräsentanz. Der dortige Markt weist hohe Wachstumsraten auf. Welche kurzfristigen Ziele sollen die Mitarbeiter im Dortmunder Büro erreichen?

Cramer: Am Ende ist jedes Geschäft immer lokal und regional. Daher fahren Sie ja auch zu uns ins Trainingslager und begleiten das nicht von München aus. Wir wollen uns im dortigen Kulturkreis aufhalten - auch mit Menschen, die ihn kennen, weil sie ihm entstammen. Natürlich glauben wir nicht, mit einem Büro und zwei, drei Mitarbeitern von Singapur aus die Welt erobern zu können. Wir wollen näher dran, schneller und flexibler sein.

SPOX: Heißt konkret?

Cramer: Wir wollen die Reichweite erhöhen, Bekanntheit aufbauen, Sympathiewerte wecken und mehr Menschen Borussia Dortmund zugänglich machen. Man kennt das doch von seinem eigenen Konsumverhalten: Man kauft nur etwas, was man kennt und was einem sympathisch ist. Je bekannter und sympathischer wir sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sowohl Menschen, als auch Unternehmen Interesse am Kauf von Produkten und Dienstleistungen von Borussia Dortmund haben.

SPOX: Wie kann man sich sicher sein, dass das, was vor allem in den deutschsprachigen Märkten bereits funktioniert hat, auch auf diese Märkte übertragbar ist?

Cramer: Das ist eben die zu bewältigende Herausforderung. Wir haben beispielsweise unser eigenes Fußball-Magazin "BVB World", das wochenweise 60 Minuten produziert und ausgestrahlt wird, in mittlerweile über 50 internationale Märkte verkauft. Wir haben einen eigenen Vereinsfotografen eingestellt und sind mit der Fotoagentur "Getty Images" eine weltweite Kooperation eingegangen, die die Distribution von BVB-Bildmaterial für internationale Medien sicherstellt. Am Ende müssen die Menschen den Inhalt in irgendeiner Weise zur Verfügung gestellt bekommen. Daher versuchen wir gerade mit unseren digitalen Angeboten, so individuell wie nur möglich auf diese Märkte einzugehen. Wir haben wie bereits angesprochen gezielt für Japan eine japanische Website von Japanern für Japaner erstellen lassen - und eben nicht die deutsche Homepage nur übersetzen lassen. Unser Online-Fanshop wird bald in Mandarin ansteuerbar sein. Das sind alles kleine Beispiele, mit denen wir uns auf diese Märkte einlassen wollen, damit die Menschen noch näher und intensiver an den BVB heranrücken.

SPOX: Mit dem österreichischen Tourismuspartner, den Kitzbüheler Alpen, wurde der Vertrag in diesem Sommer um weitere drei Jahre verlängert. Wie sehen die Pläne für die kommenden Trainingslager aus: Wird der BVB ähnlich wie zuletzt einige Bundesligaklubs größere Auslandsreisen in die Zielmärkte unternehmen?

Cramer: Wir überlegen uns derzeit diverse Aktivitäten und schauen, wie wir die betriebswirtschaftlichen mit den sportlichen Interessen verbinden können. Wichtig wird sein, dass egal wo ein Trainingslager stattfindet, es den Namen auch verdient hat. Die Mannschaft muss vernünftig und in Ruhe arbeiten können. Doch es ist klar: So gerne wir die Menschen zu uns nach Dortmund einladen, müssen wir auch mal den Gegenbesuch antreten.

SPOX: Sie haben einmal gesagt, dass sich der BVB im Wettbewerb kein Rennen gegen einen anderen Klub liefert, sondern ein Rennen gegen sich selbst. Man wird doch aber auch zu den Konkurrenten hinüber schauen und vergleichen, oder nicht?

Cramer: Natürlich beobachten wir den Wettbewerb, auch um uns selbst fortzubilden. Wir stehen auch mit dem einen oder anderen Premier-League-Klub im Austausch. Es wäre doch vermessen zu glauben, dass wir von Vereinen wie Manchester United, Real Madrid oder Barcelona gerade im Hinblick auf das Thema Internationalisierung nichts lernen könnten. In dieser Beziehung haben diese Klubs ja nicht viel verkehrt gemacht. Ob das am Ende allerdings zum BVB passt, steht auf einem anderen Blatt.

Seite 1: Cramer über Internationalisierungsstrategien und Kagawas Rückkehr

Seite 2: Cramer über die Konkurrenz, Gefahren der "Außenpolitik" und seinen Ruf