Fußballromantiker stellen schon lange die Frage, ob der Fußball seine Seele verkauft. Aber die Klubs haben alle Argumente auf ihrer Seite. Die Fans füllen die Stadien Woche für Woche, der Absatz von Fanartikeln läuft bemerkenswert gut und am Ende jubeln die Zuschauer erfolgreichen Mannschaften zu, egal woher das Geld für die Verpflichtung der Spieler stammt.
Die strategischen Partner werden vom Volk ohne großen Aufschrei geduldet, selbst der Einstieg der als Heuschrecke bekannten Firma KKR bei Hertha BSC ging ohne Protest über die Bühne. Dafür werden immer wieder die Feindbilder der Konzernklubs hochgehalten.
"An manchem Standort wird der Geldzufluss von außen akzeptiert, weil er Sünden der Vergangenheit im eigenen Verein bereinigt, während gegenüber einem anderen Klub, der mit unternehmerischen Investitionen sehr professionell und strukturiert arbeitet, die Moralkeule geschwungen wird", sagte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der gerne den Anwalt der Traditionsklubs gibt, hat schon mehrfach vor der Konkurrenz aus Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim und neuerdings Leipzig gewarnt.
"Wir sind da so ein bisschen ein Old-School-Vertreter, der sich versucht, gegen die New Economy zu behaupten", sagte er noch kurz vor der Bekanntgabe der Kapitalerhöhung gegenüber der Zeitung "Der Westen".
Vereinskonzerne vs. Konzernvereine
Natürlich ist der Kauf von Anteilen am Aktienpaket eines Klubs etwas anderes als die Organisation bei den Werksklubs VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen, die hundertprozentige Tochterunternehmen von VW und Bayer sind. "Wenn wir strategische Partner ins Boot holen, wissen diese, dass ihr Einfluss auf das operative Geschäft genau nullkommanull Prozent ist - und kein Promille mehr", sagte Watzke.
Aber immerhin sitzt mit Christian Kullmann ein Vorstandsmitglied von Evonik im Aufsichtsrat. Beim FC Bayern tummeln sich neben dem Aufsichtsratsvorsitzenden Herbert Hainer (Adidas) noch Martin Winterkorn (VW), Rupert Stadler (Audi) und Timotheus Höttges (Telekom) in diesem Gremium - und das bestimmt immerhin über die Besetzung des Vorstands.
Der Zwiespalt zwischen Vereinskonzernen und Konzernvereinen wird die Bundesliga in den nächsten Jahren weiter beschäftigen. Der Aufstieg von RB Leipzig mithilfe von Red Bull ist abzusehen und Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz hat schon angekündigt, dass Leipzig langfristig um die Meisterschaft mitspielen soll.
Warum ist Puma besser als VW?
Es bleibt die Frage, was den Anteilskauf von Investoren und die damit verbundene Werbung so viel besser macht als das mittlerweile über Jahre seriöse Sponsoring von Unternehmen wie VW und Bayer oder auch das Mäzenatentum von SAP-Gründer Dietmar Hopp.
Ist es allein die Tatsache, ein Traditionsklub zu sein? Ist es die damit verbundene, größere Fanbasis? Oft fehlen die klaren Antworten. Auf der anderen Seite haben die Werksklubs viel früher die Entwicklung ihrer Nachwuchsmannschaften gefördert als manch etablierter Klub und bringen reihenweise Spieler in den Profifußball.
Ralf Rangnick hat seine Sicht der Dinge im "manager magazin" dargestellt: "Wir sind ein neuer, junger Verein. Gerade in Deutschland kommt es immer zu einer Abwehrhaltung, wenn etwas Neues entsteht. In der Wirtschaft hingegen gehört das zum System, sonst hätte es kein Google, kein Facebook gegeben."
Auch das macht noch einmal klar, in welcher Größenordnung bei Red Bull gedacht wird.
Veränderungen historisch normal
Darüberhinaus war auch der Fußball in Deutschland in seiner über 100-jährigen Verbandsgeschichte Veränderungen unterworfen.
Selbst der FC Bayern gehörte nicht immer zum Establishment und musste sich von der Nummer zwei Münchens zum größten deutschen Fußballklub hocharbeiten. Dafür spielen ehemalige Granden wie Preußen Münster oder Rot-Weiss Essen nur noch in unteren Ligen tragende Rollen.
Gravierend verändert haben sich allerdings die Geschwindigkeit und die Art und Weise des Aufstiegs von Wolfsburg, Hoffenheim oder Leipzig. Die großen Ressentiments gegenüber Wolfsburg oder Hoffenheim wurden aber schnell abgebaut, sie sind als feste Bestandteile der Bundesliga akzeptiert. Und es gibt keine erkennbaren Gründe, warum das bei Leipzig oder weiteren Klubs in Zukunft anders sein sollte.
DFL: "Alle Investoren sind willkommen"
Die DFL hat sich in der Frage der Klub-Struktur klar positioniert. "Alle Investoren sind willkommen, wenn sie sich an die Spielregeln halten. Wir haben uns immer für die 50+1-Regel eingesetzt. Wenn Investoren Geld in den Fußball stecken, ist das doch gut", sagt Geschäftsführer Andreas Rettig.
Die 50+1-Regelung ist der Abwehrmechanismus des deutschen Fußballs gegenüber Scheichs und Oligarchen, die sich im negativen Extremfall einen Fußballklub als Spielzeug angeln und nach kurzem Engagement einen kaputten Klub hinterlassen.
Dass der Einstieg von Einzelpersonen aber auch jetzt durchaus Probleme bereiten kann, hat das Beispiel 1860 München und Hasan Ismaik bewiesen. Der Jordanier wollte für die geleisteten Zahlungen ein Mitspracherecht, obwohl ihm das formal nicht zusteht.
Lex Leverkusen ist gefallen
Die DFL hat in ihrer Geschichte nur zwei Ausnahmen der 50+1-Regel erlaubt und die sogenannte Lex Leverkusen geschaffen. "Über Ausnahmen in solchen Fällen, in denen ein Wirtschaftsunternehmen seit mehr als 20 Jahren vor 1999 den Fußballsport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat, entscheidet der Vorstand des Verbandes", hieß es in der Satzung. VW und Bayer erfüllten diese Kriterien.
Martin Kind erstritt vor Gericht, dass der Stichtag wegfiel und jetzt jeder Investor bei einem Klub die Mehrheit übernehmen kann, wenn er diesen mehr als 20 Jahre unterstützt hat. Für Kind ist dieses Urteil "ein Weg, die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten oder zu entwickeln".
Der Fußball in Deutschland und die Bundesliga stehen noch am Anfang einer Entwicklung, die das Spannungsfeld zwischen Tradition und Business noch verstärken wird. Doch schließen sich beide Pole nicht aus, keine Position wird die andere ersetzen. Aber das Business wird mehr und mehr zur Tradition werden.