Vor 85.000 Zuschauern in Soccer City Stadion in Johannesburg brachte Sulley Muntari Ghana in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit in Führung. Diego Forlan (55.) verwandelte einen Freistoß direkt zum Ausgleich für Uruguay. Mit 1:1 ging es schließlich in die Verlängerung.
Dort entwickelte sich in der allerletzten Minute ein echtes Drama, nachdem Uruguays Luis Suarez einen Ball auf der eigenen Torlinie mit der Hand klärte und Asamoah Gyan den fälligen Strafstoß an die Latte setzte.
Im folgenden Elfmeterschießen parierte Uruguays Torhüter Fernando Muslera zwei Schüsse der Ghanaer. Den entscheidenden Elfer verwandelte schließlich Sebastian Abreu.
Damit trifft Uruguay im Halbfinale am Dienstag auf die Niederländer, die im ersten Viertelfinale gegen Brasilien gewannen. Verzichten muss Trainer Tabarez dabei allerdings auf Suarez, der für sein Handspiel die Rote Karte sah. Zudem bekam Jorge Fucile die zweite Gelbe Karte und ist damit ebenfalls gesperrt.
Nachbetrachtung:
Die Ereignisse aus der 121. Minute stellen jede sportliche Analyse fast in den Schatten. Am Ende lässt sich die Geschichte dieses Viertelfinals letztlich nur in Theatermetaphern beschreiben. Asamoah Gyan ist der tragische Held, der gerade in der Verlängerung einen großen Kampf symbolisch für den ganzen afrikanischen Fußball kämpfte - und in letzter Sekunde grandios scheiterte. Und zwar buchstäblich an ein paar lausigen Zentimetern. Dass er im Elfmeterschießen dann sicher verwandelte, spricht für sein großes Herz - und erweitert die Tragödie um einen zusätzlichen Akt. Am Ende aber verlässt Ghana die Bühne erhobenen Hauptes.
Die Rolle des Gegenspielers fällt indes Luis Suarez zu, der die sichere Niederlage im letzten Augenblick verhinderte. Die Rote Karte erhebt sein Handspiel dabei auf eine zweideutige Weise ebenfalls zur Heldentat. Suarez opferte sein persönliches Schicksal zu Gunsten der Mannschaft. Dass er dabei gegen die Regeln verstoßen hat, macht ihn freilich zu einem durchaus zweifelhaften Helden. Auch wenn vermutlich neun von zehn Fußballern genauso gehandelt hätten, wird er wohl selbst in Uruguay nur hinter vorgehaltener Hand gefeiert werden. Der Sportsgeist macht die Sache kompliziert.
Trotz aller dramatischen Verwicklungen aber steht Uruguay nicht unverdient im Halbfinale. Die Mannschaft zeigte sich auch gegen Ghana etwas stabiler, sicherer und zielstrebiger. Zum Problem könnte aber die angespannte Personalsituation werden. Neben Suarez wird auch Linksverteidiger Fucile gegen die Niederlande gesperrt fehlen, mit Diego Godin und Lugano drohen beide Innenverteidiger verletzt auszufallen. Alle vier sind absolute Schlüsselspieler - für die kein adäquater Ersatz zur Verfügung steht.
Reaktionen:
Oscar Tabarez (Trainer Uruguay): "Das ist ein sehr emotionaler Moment. Ich freue mich für die Jungs. Der Sieg hat viel Nerven gekostet, aber Hauptsache ist, dass wir gewonnen haben."
Milovan Rajevac (Trainer Ghana): "Alles, was ich sagen kann: Das ist Fußball. Es war ein sehr schwieriges Spiel, da wir schon gegen die USA 120 Minuten gespielt haben. Am Ende hatten wir die historische Chance auf das Halbfinale. Heute haben wir gemerkt, dass uns zwei Spieler gefehlt haben. Wir hatten mehr Chancen, der Gegner brauchte einen Freistoß zum Ausgleich. Die Unterstützung war großartig, wenn es gut ausgegangen wäre, wäre es ein Märchen gewesen."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Anpfiff: Keine Überraschungen in der Startelf von Uruguay. Victorino ersetzt den verletzten Godin in der Viererkette. Im Mittelfeld kommt Alvaro Fernandez für Alvaro Pereira auf.
Ghana muss auf den gesperrten Ayew verzichten, Muntari kommt dafür in die Mannschaft. Die zuletzt angeschlagenen Boateng und Sarpei können spielen. Auch Vorsah ist nach Verletzung wieder dabei.
45., 0:1, Muntari: So einfach geht's: Muntari fasst sich ein Herz. Aus 35 Metern zieht er einfach mal ab. Der Ball kommt mit einem fiesen Drall und setzt kurz vor dem Keeper auf. Muslera sieht trotzdem nicht gut aus, rechts unten schlägt's ein.
55., 1:1, Forlan: Freistoß für Uruguay: Zwei Meter vor dem linken Strafraumeck nimmt Forlan Maß. Kingson spekuliert auf die linke Ecke, der Ball geht jedoch Richtung langer Pfosten. Unter dem Querbalken schlägt die Kugel ein. Auch da sieht der Keeper nicht wirklich gut aus.
120.: Unglaublich! Die Nachspielzeit der Verlängerung. Suarez klärt einen Kopfball auf der eigenen Torlinie mit der Hand. Rot und Elfmeter ist die richtige Entscheidung.
121.: Gyan verschießt! Was für ein Drama: Gyan hält zentral drauf - und hämmert das Ding an den Querbalken.
Das Elfmeterschießen:
Forlan, Gyan, Victorino, Appiah, Scotti verwandeln
John Mensah scheitert an Muslera
M. Pereira verschießt, rechts drüber
Adiyiah scheitert an Muslera
Abreu verwandelt im Panenka-Stil den entscheidenden Elfmeter
Fazit: Uruguay gewinnt die Lotterie im Elfmeterschießen. Damit steht die etwas stabilere und reifere Mannschaft verdient im Halbfinale.
Der Star des Spiels: Diego Forlan. Der 31-Jährige sorgt für den Unterschied: Er macht aus einer solide organisierten und disziplinierten, spielerisch aber etwas biederen Mannschaft einen WM-Halbfinalisten. Forlan führt seine Mannschaft mit viel Willen und Laufbereitschaft an, sorgt für Struktur im Spielaufbau und entscheidet durch seine individuelle Klasse die Spiele. Auch gegen Ghana Torschütze und in der regulären Spielzeit der beste Mann auf dem Platz.
Für die SPOX-User war Luis Suarez der "Man of the Match"!
Die Gurke des Spiels: Mauricio Victorino. Uruguay hat ein Problem im Abwehrzentrum. Mit Kapitän Lugano verletzte sich gegen Ghana auch der zweite etatmäßige Innenverteidiger nach Godin - und die Alternativen haben nicht das Niveau der Stammkräfte. Der unsichere und fahrige Victorino konnte ebenso wenig überzeugen wie der für Lugano eingewechselte Scotti. Für das Halbfinale gegen die Niederlande braucht Trainer Tabarez dringend eine Lösung.
Die Pfeife des Spiels: Olegario Benquerenca. Der Portugiese hatte wenig Mühe mit der grundsätzlich fairen Partie und dankte es den Beteiligten mit einer dezenten und wohltuend unaufgeregten Spielleitung. Lag zwei, drei Mal in seiner Bewertung falsch - unterm Strich aber eine solide Leistung.
Analyse: In der ersten halben Stunde war Ghana der Rucksack der afrikanischen Hoffnungen doch deutlich anzumerken: Die Black Stars wirkten schwerfällig, verkrampft und im Spielaufbau nervös und unpräzise. Uruguay dominierte die Partie mit der gewohnten Disziplin und Zweikampfstärke. Nach 30 Minuten wies die Statistik 57 Prozent Ballbesitz und 6:0 Torschüsse für die Südamerikaner aus.
Die Wende für Ghana kam durch die erste Ecke: Vorsah setzte einen Kopfball nur wenige Zentimeter über das Tor - und sorgte damit für einen Weckruf für das gesamte Team. Plötzlich waren die Beine locker, das Tempo höher, die Zuspiele präziser - Ghana übernahm die Kontrolle. Uruguay dagegen verlor komplett den Faden, vor allem die Verletzung von Abwehrchef Lugano sorgte für Verunsicherung. Das Tor für Ghana in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit war eine logische Folge der veränderten Kräfteverhältnisse.
Bezeichnenderweise war es zehn Minuten nach der Pause dann wieder eine Standardsituation, die das Spiel erneut kippen ließ: Forlans Freistoß-Tor brachte Uruguay das Selbstvertrauen zurück. Es entwickelte sich nun eine unterhaltsame Partie, die Südamerikaner dominierten das Mittelfeld und erspielten sich über Forlan und Suarez immer wieder Chancen. Ghana dagegen lauerte vorne auf den Lucky Punch, hatte aber zusehends mit schweren Beinen zu kämpfen.
Erst gegen Ende der Verlängerung kamen die Afrikaner, angeführt vom immer stärkeren werdenden Gyan, zu echten Torchancen. Und eben dieser Gyan wurde schließlich zum tragischen Helden: Sekunden vor dem Abpfiff klärte Uruguays Suarez auf der Linie mit der Hand, Schiedsrichter Benquerenca entschied zu Recht auf Elfmeter - und Gyan setzte den allerletzten Schuss der Verlängerung an die Latte.Im Elfmeterschießen setzte sich mit Uruguay schließlich die glücklichere - aber auch etwas stabilere und reifere - Mannschaft durch und steht verdient im Halbfinale.
Uruguay - Ghana: Fakten zum Spiel