WM

Journalist: "Streit unter Gangstern"

SID
Die brasilianische Regierung erklärte, sie habe von Sepp Blatter einen Entschuldigungsbrief erhalten
© Getty

Am 12. März sollte eigentlich eine weitere Routinereise von FIFA-Generalsekretär Jerome Valcke durch Brasilien beginnen, doch mit der Routine wird es wohl nichts werden. Der Grund: Valckes Äußerungen Ende vergangener Woche haben für Aufruhr im Land des fünffachen Weltmeisters gesorgt.

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"Einen Tritt in den Hintern" Brasiliens hatte der Generalsekretär angesichts der schleppenden Vorbereitungen auf die WM gefordert. Die Stimmung ist vergiftet. Keine günstige Zeit für eine Inspektion vor Ort.

Der Kritik hätten die meisten Brasilianer wohl kaum widersprochen. Aber, so der Tenor in Brasilien, der Franzose habe sich deutlich im Ton vergriffen. Sportminister Aldo Rebelo sprach von einem diplomatischen Fehltritt und forderte die FIFA am Montag schriftlich auf, einen anderen Ansprechpartner nach Brasilien zu schicken.

Hatte Valcke die Reaktionen der Brasilianer zunächst als "kindisch" bezeichnet, zwang ihn das offizielle Schreiben der Brasilianer zu einer schriftlichen Entschuldigung. Seine Worte seien nicht korrekt wiedergegeben worden, die brasilianische Regierung bat er um Entschuldigung.

Am Montag folgte auch FIFA-Präsident Sepp Blatter Valckes Beispiel und entschuldigte sich in einem Brief an die brasilianische Staatsführung. Ob diese wieder mit Valcke zusammenarbeiten würde, blieb zunächst offen.

Valcke sei ein "Vagabund"

Bei den WM-Gastgebern scheint Valcke seine Sympathien verspielt zu haben, auch wenn einige Parlamentarier, wie etwa Romario, 1994 selbst Weltmeister in den USA, Verständnis für den Inhalt der Kritik äußerten: "Die Vorbereitungen laufen nicht rund, aber er hat sich im Ton vergriffen". Der Staatssekretär für Internationale Angelegenheiten, Marco Aurelio Garcia, wurde noch deutlicher und bezeichnete Valcke als "Vagabunden".

Die FIFA gegen Brasiliens Regierung - diese Konstellation dürfte vor allem einen Mann amüsieren, der vor einigen Wochen selbst noch vor dem Abschuss stand: Ricardo Teixeira, Präsident des Brasilianischen Fußballverbandes und Chef des Organisationskomitees.

Vorletzte Woche noch wollte ihn die Opposition im Verband absägen, vergangene Woche ruderten seine Gegner zurück. Jetzt hat sich der Kriegsschauplatz nach Zürich verlagert. Teixeira ist aus der Schusslinie und interessierter Zuschauer.

Dabei gibt es in Brasilien selbst noch genug zu erledigen. Die Bauarbeiten der WM-Stadien entwickeln sich langsam, nach dem Geschmack des Weltverbandes zu langsam. Das Rahmengesetz der WM sollte am Dienstag im Parlament zur Abstimmung gebracht werden. Eine Hängepartie, die der FIFA zuletzt besondere Kopfschmerzen bereitet hatte. Zentrale Streitpunkte: Der Alkoholausschank in den Stadien sowie die Verantwortung der Regierung im Fall von Naturkatastrophen und terroristischen Akten.

WM-Entzug als Schreckensszenario

Noch gravierender scheinen derzeit allerdings die Verzögerungen im Bereich der Logistik, vor allem der geplante Ausbau der brasilianischen Flughäfen. Ein zweistufiges Programm der Regierung sieht vor, dass die gesamten Projekte erst 2018 abgeschlossen werden.

Nur ein Teil werde bis 2014 fertiggestellt, was zwangsläufig zu einer Überlastung der Flughäfen führen würde. Gleiches gelte für den Schienentransport. Die geplante Hochgeschwindigkeitsverbindung von Rio de Janeiro nach Sao Paulo werde frühestens 2016 fertig. Auch der Ausbau der U-Bahnen hinkt in den weiter wachsen Mega-Städten dem Zeitplan hinterher.

Und dennoch: Niemand zweifelt in Brasilien an einer fantastischen Fußball-WM. Auch wenn der renommierte Sportjournalist und Szenekenner Juca Kfouri in seinem Blog ein Schreckensszenario skizzierte: Bis Juni könne die FIFA Brasilien die WM noch entziehen, ohne dafür einen Cent Strafe zu bezahlen.

"Ricardo Teixeira raus!"

Ein Gedanke, den kein Brasilianer zu Ende denken möchte, aber die Verstimmungen der vergangenen Woche haben Zweifel aufgeworfen. "Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es sich hier um einen Streit unter Gangstern handelt", meint Kfouri, der vor einem knappen Jahr via Internet die Kampagne "Ricardo Teixeira raus!" gestartet und breite Unterstützung geerntet hatte.

Am kommenden Montag soll Jerome Valcke in Sao Paulo landen. Nur wenige Kilometer von der Baustelle entfernt, wo im Juni 2014 die WM eröffnet werden soll. Bis es soweit ist, wird er noch eine Reihe von Bränden zu löschen haben.

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