Schweizer Schwachstelle: Das Spiel selbst gestalten
Mämä Sykora (38) ist Chefredakteur des Schweizer Fußball-Magazins "ZWÖLF" (http://www.zwoelf.ch) und moderiert die TV-Sendung "ZWÖLF - Die Fussballbar".
Die Schweiz hat etwa gleich viel Einwohner wie Niedersachsen, jeder Vierte davon hat keine Schweizer Staatsbürgerschaft. Fußball ist zwar Sportart Nummer eins, um die Gunst der Sportlichsten buhlen aber auch die Eishockey-, Tennis-, Ski- oder Unihockey-Vereine. Unter dem Strich bleiben da nicht viele übrig, die für ein Nationalmannschaftsaufgebot überhaupt infrage kommen.
Löst in anderen Nationen die Bekanntgabe der WM-Kader eine riesige Debatte aus, nimmt man sie in der Schweiz mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Alternativen zu den 23 Brasilien-Fahrern gibt es keine. Oder zumindest kaum.
Beinahe jeder Mannschaftsteil wurde in den vergangenen Jahren irgendwann zum Problemfall erklärt. Nach den Rücktritten von Alex Frei und Marco Streller war kein Stürmer mehr zur Stelle, dann fiel die Verteidigung in ein Formtief, zwischenzeitlich sah es auf den Außenbahnen düster aus.
Nur im zentralen Mittelfeld mangelte es nie an Personal. Neben den drei Napoli-Spielern Gökhan Inler, Blerim Dzemaili und Valon Behrami stehen auch noch Gelson Fernandes und Granit Xhaka bereit. Die nahezu gleichwertigen Pirmin Schwegler und Fabian Frei schafften den Cut nicht.
Dass einzig auf dieser Position Alternativen bestehen, ist bezeichnend für das Spiel der Nati. Hier wird das Spiel der Schweizer diktiert - und das ist Fluch und Segen zugleich. Kapitän Inler ist ein hervorragender Zweikämpfer und verliert kaum einen Ball. Ihm kommt aber gleichzeitig auch die Rolle des Spielmachers zu, wofür in seinem Verein andere zuständig sind.
Teamporträt Schweiz: Ottmars letzte Mission
Öffnende Pässe, überraschende Aktionen und vor allem Tempowechsel sieht man von ihm (und seinen Nebenspielern) zu selten, wodurch das Schweizer Spiel oft sehr einfach zu durchschauen ist. Selbst die in ihren Klubs offensiv ausgerichteten und spielstarken Außenverteidiger Ricardo Rodriguez und Stephan Lichtsteiner agieren im Nationaldress zurückhaltender. Die Variabilität der Eidgenossen ist daher sehr eingeschränkt.
Es ist ein Fußball ohne große Risiken, der zweifelsohne auch die Handschrift von Ottmar Hitzfeld trägt. Die Nachteile davon erkennt man stets dann, wenn die Schweiz als Favorit das Spiel machen sollte. In der Qualifikation etwa gegen Zypern oder Slowenien oder zuletzt im Testspiel gegen Jamaika hatte man große Mühe, selbst bescheidene Gegner unter Druck zu setzen, gerade weil zu oft der Querpass dem schnellen Umschalten vorgezogen wurde. Gleichzeitig machte die Nati damit in der Vergangenheit gegen stärkere Gegner aber meist eine gute Figur.
So ist es denn auch nicht die Partie gegen Gruppenfavorit Frankreich, die den Fans Sorgen bereitet, sondern die Aufeinandertreffen mit Ecuador und Honduras. Schließlich folgte schon 2010 in Südafrika nach dem Sieg über Spanien das Aus, weil man im abschließenden Gruppenspiel einmal mehr ein zu wenig variables Spiel zeigte, um eben jenes Honduras in Bedrängnis zu bringen. Auch in Brasilien werden die Mittelamerikaner der letzte Gegner in der Vorrunde sein.
Die Hoffnungen lasten vor allem auf den breiten Schultern von Xherdan Shaqiri. Im grundsoliden Spiel der Schweizer ist er nahezu der einzige mit genügend Kreativpotenzial, um Überraschendes zu schaffen. Josip Drmic, der Senkrechtstarter der Bundesliga, wird als einziger Stürmer kaum mit vielen Bällen rechnen dürfen.
Wird er dennoch einmal angespielt, wird er aufgrund des schleppenden Spielaufbaus nie den Platz vorfinden, der ihm in der Bundesliga zu so vielen Toren verholfen hat. Mit drei Treffern bester Torschütze der Schweizer WM-Qualifikation war bezeichnenderweise Fabian Schär - ein Innenverteidiger.
Seite 1: Schweizer Schwachstelle: Das Spiel selbst gestalten