Nach dem ersten erfolgreichen WM-Flirt seiner Karriere dachte der frisch verlobte Mario Balotelli nur noch an seine wahre Herzensdame.
"Ich widme den Sieg meiner künftigen Frau, und bin sehr glücklich", sagte der Matchwinner der Italiener nach dem denkwürdigen 2:1 (1:1) gegen England, der der Squadra Azzurra vier Jahre nach dem bitteren Vorrunden-Aus in Südafrika einen traumhaften Start in die Weltmeisterschaft in Brasilien bescherte.
Viel mehr wollte WM-Debütant Balotelli nach seinem entscheidenden Kopfballtor (50.) dann auch gar nicht mehr sagen. Der streitbare Stürmer des AC Mailand, der dem Model Fanny Neguesha sechs Tage zuvor am Strand von Rio de Janeiro einen Heiratsantrag gemacht hatte, zog mit schwarzem Basecap auf dem Kopf und dicker Goldkette um den Hals von dannen.
Erster Sieg seit 2006
Sein Trainer Cesare Prandelli dagegen kam nach dem hochklassigen Dschungel-Kick in der schwülen Amazonas-Metropole Manaus und dem ersten WM-Sieg seit 2006 aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. "Das war ein episches Spiel, an das wir uns das ganze Leben erinnern werden", meinte der 56-Jährige.
Prandelli war stolz auf seine Mannschaft, das war nicht zu überhören. "Wir haben gelitten, wir hatten Schmerzen. Aber unsere Antwort darauf war unglaublich. Wir haben die Schlacht gewonnen", sagt er.
Selbst den kurzfristigen Ausfall von Weltklasse-Keeper Gianluigi Buffon (Knöchelverletzung) konnte der Vize-Europameister verkraften.
Gegen die vom überragenden Teenager Raheem Sterling angeführten jungen Wilden von der Insel machten vor allen Dingen Regisseur Andrea Pirlo und eben Balotelli den Unterschied.
Pirlo legt Marchisio auf
Genie und Wahnsinn quasi - Seite an Seite und mit maximalem Erfolg in einer schwülen Sommernacht. Der 35-jährige Pirlo zog im Mittelfeld gekonnt die Fäden und zeigte seine Klasse, als er vor dem 1:0 durch einen Weitschuss von Claudio Marchisio (35.) raffiniert den Ball passieren ließ.
Die ziemlich frechen Three Lions konnten zwar postwendend durch Stürmer Daniel Sturridge (37.) zum hochverdienten Halbzeitstand ausgleichen, doch der Weltmeister von 1966 stand am Ende trotz starker Leistung mit leeren Händen da.
"So was ist grausam auf diesem Niveau. Wir haben so viel reingeworfen in dieses Spiel und nichts dafür gekommen", haderte Kapitän Steven Gerrard.
England unter Zugzwang
Die Engländer, die seit 1990 auf eine Halbfinal-Teilnahme bei einer WM warten, stehen bereits vor dem zweiten Gruppenspiel am Donnnertag gegen Uruguay (1:3 gegen Costa Rica) in Sao Paulo mit dem Rücken zur Wand.
"Wir müssen unsere Köpfe wieder nach oben nehmen", forderte Teammanager Roy Hodgson und sprach seiner Elf Mut zu: "Wir haben alles in der eigenen Hand. Wenn wir die Leistung wieder bringen, haben wir gute Chancen auf einen Erfolg."
Wie es sich anfühlt, als anerkannte Fußball-Nation bereits nach der WM-Gruppenphase die Heimreise antreten zu müssen, wissen die Italiener seit der WM vor vier Jahren genau. In Südafrika hatte der viermalige Titelträger nach zwei Unentschieden und einer Niederlage in der Vorrunde den Sprung ins Achtelfinale verpasst.
Und die Azzurri weckten mit ihrem Auftritt vor 39.800 Zuschauern in der Arena Amazonia Hoffnungen, dass sich die Schmach von 2010 so schnell nicht wiederholt. Auch, weil sie einen Balotelli haben, der zwar polarisiert, aber trifft.
Prandelli will Balotelli erziehen
Prandelli allerdings bremste die aufkommende Euphorie um den bulligen Torschützen, der die deutsche Mannschaft im EM-Halbfinale 2012 (1:2) mit seinen beiden Treffern eliminiert hatte.
"Mario kann mehr, als er heute gezeigt hat. Er muss weiter daran arbeiten, sein enormes Potenzial auszuschöpfen", mahnte Prandelli nach dem 13. Tor im 31. Länderspiel des Enfant Terrible.
Auch der smarte Coach wird hoffen, dass Balotelli durch die bevorstehende Hochzeit mit seiner Verlobten ruhiger wird. Sein "altes" Leben ist jedenfalls gepflastert mit Skandalen.
"Herz aus Gold"
Er ließ sich in Neapel mit Mafiabossen fotografieren oder warf in Manchester aus Spaß mit Dartpfeilen auf Jugendspieler. 2010 wurde Balotelli in Brescia festgenommen, weil er mit seinem Luxus-Sportwagen auf das Gelände eines Frauen-Gefängnisses fuhr.
Prandelli hielt trotzdem immer zu seinem sensiblen Stürmer. "Er ist ein Junge mit einem Herzen aus Gold", sagte der Coach einst. Einer, der Italien vom großen Coup träumen lässt.