Die Befürchtung, dass der Videobeweis noch schleppender umgesetzt werden würde als in der Bundesliga, trat jedoch nicht ein. Der Zuschauer hatte eher den Eindruck, dass die Kommunikation in der Bundesliga langsamer von statten geht.
Woran liegt es also, dass in der Bundesligasaison 2017/18 mit VAR die Nachspielzeit deutlich geringer ausfiel (fast drei Minuten weniger) als nun in Russland?
Die FIFA gibt schließlich für alle Wettbewerbe vor, wofür nachgespielt werden kann. Die Verbände legen diese Regeln jedoch relativ unterschiedlich aus. In der Bundesliga werden Auswechslungen oder Torjubel sozusagen als Bestandteil des Spiels angesehen, bei der WM wird für solch ein Ereignis bis zu 30 Sekunden nachgespielt - bei jeweils drei Auswechslungen pro Mannschaft sind dies also schon knapp drei Minuten.
Durchschnittliche Nachspielzeit: WM vs. Bundesliga
Wettbewerb | HZ 1 | HZ 2 | Gesamt |
WM 2018 | 02:08 | 05:05 | 07:13 |
WM 2014 | 01:46 | 03:56 | 05:42 |
BL 2017-18 | 01:15 | 03:17 | 04:32 |
BL 2016-17 | 01:06 | 03:00 | 04:06 |
Für die deutlich strengere Regelauslegung bei Weltmeisterschaften spricht auch, dass beim Turnier 2014 ohne VAR im Schnitt länger nachgespielt wurde als in der vergangenen Bundesliga-Saison mit Videoschiedsrichter (siehe Grafik).
Neben dem VAR gibt es also noch andere "Zeitfresser". Zum Beispiel, wie viele Sekunden nach einem Foul verrinnen, bis der Freistoß ausgeführt wird. Ein Paradebeispiel war Neymar, der mit seinen "Verletzungspausen" für viel Unmut sorgte.
Die Anzahl der Fouls ist im Vergleich zur WM 2014 zurückgegangen, die der Gelben Karten und etwaiger Proteste jedoch angestiegen. Besonders auffällig: In Russland wurden bereits neun Gelbe Karten wegen Zeitspiels ausgesprochen, vor vier Jahren in Brasilien waren es insgesamt nur fünf. Der Vergleich mit der Bundesliga zeigt, dass die Unparteiischen hier international härter durchgreifen.
Fouls und Gelbe Karten: WM vs. Bundesliga
Wettbewerb | GK/Spiel | Fouls/Spiel | GK Zeitspiel | Spiele pro GK wg. Zeitspiel |
WM 2018 | 3,4 | 27,3 | 9 | 7 |
WM 2014 | 2,8 | 30 | 5 | 13 |
BL 2017-18 | 3,3 | 27,7 | 31 | 10 |
BL 2016-17 | 3,7 | 28,7 | 36 | 9 |
Viele Tore in der Nachspielzeit
Bei dieser WM fielen gleich 19 Tore nach Ablauf der 90 Minuten (exkl. Verlängerung) - damit wurde der bisherige Höchstwert der WM 2014 (zwölf Tore) pulverisiert.
Die Nachspielzeit hatte für einige Mannschaften ein Nachspiel, denn 13 der 19 Treffer veränderten den Spielausgang entscheidend. Hier ein paar prominente Beispiele:
- Harry Kane traf im ersten Gruppenspiel gegen Tunesien in der Nachspielzeit zum 2:1-Sieg und sorgte für eine Euphoriewelle, die die Three Lions bis ins Halbfinale tragen sollte.
- Coutinho und Neymar trafen beim 2:0-Sieg über Costa Rica beide in der Nachspielzeit und sorgten für Erleichterung bei den Brasilianern nach einem 1:1 gegen die Schweiz zum Auftakt. Neymars Tor fiel erst nach 96 Minuten und 49 Sekunden und ist damit das bis dato späteste Tor in der regulären Spielzeit.
- Die deutsche Mannschaft setzte zumindest eine positive Rekordmarke: Toni Kroos erzielte gegen Schweden nach 94 Minuten und 42 Sekunden das späteste Tor der deutschen WM-Geschichte zum 2:1-Sieg.
- Die DFB-Elf kassierte im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea gleich zwei Gegentore in der Nachspielzeit, die das Vorrunden-Aus endgültig besiegelten.
- Nacer Chadli schoss Belgien mit seinem späten Tor nach einem spektakulären Konter zum 3:2 gegen Japan und damit ins Viertelfinale.