Heiko Butscher spielt aktuell beim VfL Bochum in der 2. Liga, steht aber auch auf der Bühne. Im Interview spricht der 33-Jährige über das Phänomen Peter Neururer, Gedanken ans Karriereende und seine zweite Liebe - die Musik.
SPOX: Herr Butscher, für Sie und den VfL Bochum waren die letzten Wochen wie eine Achterbahnfahrt. Wie haben Sie diese Zeit wahrgenommen?
Heiko Butscher: Es waren in der Tat Höhen und Tiefen und eine Zeit lang auch recht eng für uns. Das Heimspiel gegen Aue haben wir dann Gott sei Dank gewonnen. Die Stimmung wäre sonst wahrscheinlich gekippt. Wir haben uns aber zusammengerissen und gezeigt, dass wir eine Einheit sein können.
SPOX: Welche Rolle spielte dabei Trainer Peter Neururer? Ihr Kollege Christian Tiffert sagte einst im Interview mit SPOX, dass er kein Kumpeltyp sei. Würden Sie dem zustimmen?
Butscher: Es ist ein Trainer, der wahnsinnig viel Erfahrung gesammelt hat und gerade im Bereich Motivation große Stärken hat. Man kann mit ihm über alles reden. Es ist nicht so, dass er jeden Tag auf einen zukommt und fragt, wie es dir geht. Es ist eher punktuell.
SPOX: Gerade Neururers Moon Walk im Stadion und die verlorene Wette, weswegen er seine Haare blau-weiß färben ließ, sind noch stark in Erinnerung. Wieso kosten ihn diese Aktionen keinerlei Autorität?
Butscher: Peter Neururer ist eine große Trainerpersönlichkeit. Man muss sich nur vor Augen führen, wie viele Spiele er als Trainer erlebt hat. Ich glaube, er könnte alles machen und würde trotzdem nicht an Autorität verlieren. Er ist ein sehr spezieller Typ, aber wenn man ihn so nimmt, wie er ist, dann kommt man sehr gut klar mit ihm. Er hat eine natürliche Autorität, so dass er eigentlich machen kann, was er möchte. Er lebt den VfL, kommt aus dem Ruhrgebiet und kennt den Menschenschlag hier, der ja schon besonders ist. Peter würde für den VfL sein letztes Hemd geben. Das merkt man ihm an und das nimmt man ihm ab.
SPOX: Mit Robin Dutt und Armin Veh hatten Sie in der Vergangenheit immer Trainer, unter denen Sie eine wichtige Rolle im Kader eingenommen haben. Welche hat Ihnen Neururer in Bochum zugedacht?
Butscher: Es ist nunmal so: Ich bin 33 Jahre alt, man muss mir nicht mehr erklären, warum ich spiele oder nicht. Wenn ich spiele, ist es in Ordnung, weil Peter weiß, was er bekommt. Er hat mal gesagt: "Auf den Heiko kann ich mich verlassen, der ist immer da, wenn man ihn braucht." Das reicht vollkommen aus. Früher hätte ich schon zehn Mal nachgefragt, ob etwas nicht stimmt, weil ich relativ wenig spiele. Das sehe ich aber heute entspannt.
SPOX: Ist es nicht in gewisser Hinsicht die perfekte Vorbereitung für einen späteren Trainerjob, wenn man als Spieler schon als eine Art Co-Trainer fungiert?
Butscher: Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit den verschiedenen Trainertypen und Auffassungen und versuche, immer meine eigene Vorstellung mit einzubringen sowie zu überlegen, was ich in der Situation machen würde. Armin Veh, zu dem ich ein sehr gutes Verhältnis habe, hat mir damals durchaus zugetraut, im Trainerbereich aktiv zu werden oder sogar einen Verein zu übernehmen. Er wollte mich sogar in sein Trainerteam holen und hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, dabei zu sein. Das konnte ich mir sehr gut vorstellen, aber ich wollte noch ein bis zwei Jahre Fußball spielen. Ich habe die B-Lizenz gemacht und muss jetzt noch die A-Lizenz erwerben. Es kann aber natürlich sein, dass ich nach zwei Jahren merke, dass es überhaupt nicht mein Ding ist.
SPOX: Sie sind mit drei verschiedenen Teams in die Bundesliga aufgestiegen. Welcher Aufstieg bedeutet Ihnen am meisten?
Butscher: Der erste Aufstieg mit dem VfL wird immer etwas ganz Besonderes bleiben, das war außergewöhnlich. Der zweite mit Freiburg war hart erarbeitet, da habe ich auch am meisten mit reingesteckt. Ich war als Kapitän derjenige, der immer vorangehen musste und viel Verantwortung hatte. Wir haben mit Robin Dutt nach der Ära von Volker Finke eine ganz neue Mannschaft aufgebaut. Mit Frankfurt war es auch schön, aber anders. Wir waren zum Aufstieg verdammt. Wenn du es in solch einer Situation nicht schaffst, dann gehen die Lichter aus. Das war sehr emotional und mit großer Anspannung verbunden.
SPOX: Fällt Ihnen denn eine nette Anekdote von einer der Aufstiegsfeiern ein?
Butscher: Es gab einen Spieler in Bochum, dessen Namen ich allerdings nicht verraten darf. Der hat die Aufstiegsfeier gar nicht mehr mitbekommen, weil er so betrunken war, dass er den Bus nicht mehr verlassen konnte, als wir in der Party-Location angekommen waren.
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SPOX: Ihre Karriere verlief bislang größtenteils ohne schwere Verletzungen. Die Rückkehr in Bochum wurde jedoch erst durch Knieprobleme und dann durch Beschwerden an der Patellasehne getrübt. Fällt Ihnen der Umgang mit Verletzungen mit zunehmendem Alter schwerer oder einfacher?
Butscher: Sowohl als auch. Es ist schwer, wenn man nie wirklich verletzt war und dann auf einmal sieben bis acht Wochen ausfällt. Noch dazu durch eine Sache, die nicht einmal hundertprozentig definiert ist. Wenn ich einen Schädelbasisbruch habe, dann weiß ich, dass ich ein halbes Jahr ausfalle. Wenn du aber die ganze Zeit Schmerzen hast und keiner kann zu 100 Prozent sagen, was los ist, dann ist das frustrierend. Du fragst ständig, wie lange das noch so geht und dir wird gesagt, das könne noch drei Wochen oder auch drei Monate dauern. Der Zeitpunkt ist immer ausschlaggebend. Das war bei mir etwas unglücklich, aber ich bin froh, dass ich das letzte halbe Jahr fast keine Trainingseinheit verpasst habe und soweit jetzt wieder alles hergestellt ist.
SPOX: Gab es in der Zeit den Gedanken an ein vorzeitiges Karriereende?
Butscher: Ich denke da oft drüber nach. Für mich ist definitiv im nächsten Jahr Schluss. Ich freue mich auch aufs Karriereende. Ich bin jetzt so gut durchgekommen, fast verletzungsfrei. Ich möchte später mit meinen Söhnen noch Fußball spielen können. Natürlich macht man sich oft Gedanken, wenn es nicht gut läuft, ob man nicht einfach sagen sollte: "Komm, lass gut sein". Aber es reizt einen immer noch.
SPOX: Neben Ihrer Fußballerkarriere haben Sie auch Schlagzeug bei der Coverband "Black Wave" gespielt. Als Musiker sind Sie der Taktgeber, auf dem Platz müssen sie als Defensivakteur den Rhythmus der gegnerischen Offensive brechen. Wie unterscheidet sich die mentale Vorbereitung auf ein Spiel zu der vor einem Konzert?
Butscher: Man muss genauso funktionieren wie eine Mannschaft auch. Man übt die ganze Woche, wie vor einem Spiel auch und versucht das Bestmögliche am Wochenende rauszuholen. Man muss die Qualität auf den Platz beziehungsweise auf die Bühne bekommen. Dabei ist man genauso auf andere Bandmitglieder beziehungsweise seine Mitspieler angewiesen. Es ist also von der Vorbereitung und auch vom Ablauf her genau gleich. Das hat mir geholfen.
SPOX: Durften Sie als Spieler mit musikalischer Ausbildung auch mal an die Docking Station in der Kabine?
Butscher: Nein, das eher nicht. Früher habe ich das Zepter geschwungen, aber meine Musikgeschmack ist in einer so jungen Mannschaft nicht so beliebt. Wenn ich mal etwas anspiele, dann wird das nach zwei bis drei Minuten wieder ausgemacht. Es dominieren leider Hip-Hop, Rap und solche Sachen. Da will ich den Rest nicht mit meinen Gitarren- oder Schlagzeug-Soli ärgern.
SPOX: Wer schwingt denn jetzt das Zepter?
Butscher: Meistens ist es Richard Sukuta-Pasu. Er hat sehr viel verschiedene Musik auf seinem Player. Da kommen auch manchmal afrikanische Klänge raus, aber da bin ich meistens schon aus der Kabine verschwunden (lacht).
SPOX: Es gibt ein YouTube-Video von Ihnen aus dem März 2013, da haben Sie mit Frankfurts Physiotherapeuten Thomas Kühn eine Jam-Session eingelegt. Wie kam's?
Butscher: Ich habe schon vor längerer Zeit angefangen, auch Gitarre zu spielen. Das hat mich immer fasziniert. Meine Frau schenkte mir eine Gitarre beschenkt und meinte, ich müsse nun auch Übungsstunden nehmen. Das war dann in Frankfurt der Fall. Zwischen den Trainingseinheiten hatte ich immer Gitarrenunterricht. Unser Physio war auch Gitarrist und so haben wir abends manchmal spontan zusammen gespielt. Einmal kam eben Christoph Preuß vorbei und hat das mit seinem Handy aufgenommen.
SPOX: Mit Herbert Grönemeyer gibt es einen prominenten Anhänger beim VfL Bochum. Wie steht's mit einem Duett?
Butscher: Ich hätte ganz bestimmt nichts dagegen, aber ich glaube, dass sein Terminkalender das nicht zulässt. Herbert Grönemeyer ist das große Aushängeschild. Ich kann mich erinnern, er war mal zur Zeit meiner ersten Station in Bochum zu Besuch, da hat er uns leider kein Glück gebracht. Da haben wir 0:6 gegen Werder Bremen verloren. Es wäre ein Traum, mit solch einem Künstler mal zusammen zu spielen. Ich würde ihn auch vom Flughafen abholen und wieder hinbringen.
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