Es ist nur wenige Monate her, da zeigte sich Union Berlins Manager Nico Schäfer froh, einen, laut eigener Aussage, teuren Stürmer abgeben zu können, ohne dafür eine Abfindung zahlen zu müssen. Die Rede war von Simon Terodde, der ein Jahr vor Vertragsende bei den Eisernen ablösefrei Richtung VfL Bochum ziehen gelassen wurde.
Aktuell steht Union mit sechs Punkten aus sieben Spielen denkbar schlecht da und hinkt den eigenen, sehr hohen Ambitionen weit hinterher. Ganz anders der VfL Bochum: Letztes Jahr noch bis Saisonende in den Abstiegskampf verstrickt, stehen die Blau-Weißen aktuell ungeschlagen auf Platz fünf in der zweiten Liga. Ein Heimsieg gegen Fortuna Düsseldorf (20.15 Uhr im LIVE-TICKER) würde den VfL an die Spitze bringen.
Ein Garant dafür ist jener Simon Terodde, der in der Hauptstadt in Ungnade fiel und der den Verantwortlichen scheinbar nicht mehr sein Gehalt wert war. Der 1,92 Meter große Stürmer schoss allein in der zweiten Liga bisher acht Tore in nur sechs Spielen. Zum Vergleich: Sein ehemaliger Arbeitgeber aus der Hauptstadt traf insgesamt erst fünf Mal in dieser Spielzeit.
Letzter Ausweg VfL?
Dabei scheint es so, als wäre der Wechsel zum VfL Bochum Teroddes letzter Ausweg, um doch noch die Kurve zu kriegen, ehe er als "ewiges Talent" abgestempelt wird. Bereits 2007 machte er erstmals wirklich auf sich aufmerksam, als er für den MSV Duisburg in der A-Junioren-Bundesliga in 24 Spielen 21 Treffer erzielte. Der Sprung zu den Profis gelang daraufhin jedoch nicht. Aufgrund langwieriger Knieprobleme konnte Terodde nur sieben Partien für die zweite Mannschaft der Zebras absolvieren, traf aber immerhin fünf Mal.
Nachdem er sich auch in der anschließenden Hinrunde nicht in der zweiten Liga etablieren konnte und nur auf etwa zehn Minuten Spielzeit in der ersten Mannschaft kam, folgte eine Leihe zu Fortuna Düsseldorf in die dritte Liga. Dort stand er acht Mal auf dem Rasen, traf aber nur einmal.
Nach Jahren voller Verletzungen und durchwachsener Saisons sah der damals 21-Jährige ein, dass er erst einen Schritt zurückgehen musste, um überhaupt voranzukommen: Nach Ablauf der Leihe zog die zweite Mannschaft des 1. FC Köln Terodde an Land, um ihn langsam an die Profis heranzuführen. Mitverantwortlich für die Entscheidung war hauptsächlich der damalige Trainer der zweiten Mannschaft, Frank Schäfer: "Er war der einzige, der Interesse gezeigt und mich überzeugt hat, zum FC in die Regionalliga zu gehen, um dort einen Neuanfang zu starten", sagte Terodde im Nachhinein.
Poldi und Nova zu stark
Zunächst schien der Plan aufzugehen: Terodde entwickelte sich in der Regionalliga zum Stammspieler, absolvierte 31 Spiele und erzielte acht Treffer. Ein Jahr später die logische Folge: Das Bundesligadebüt für den 1. FC Köln unter seinem ebenfalls aufgestiegenen Mentor, Frank Schäfer. Mit bereits 22 Jahren kann man Terodde zu diesem Zeitpunkt jedoch schon als Spätstarter bezeichnen.
Aber auch die Perspektiven am Rhein waren schlecht. Mit Lukas Podolski und Milivoje Novakovic gab es in der Folgesaison ein Sturm-Duo, gegen das sich Terodde nicht durchsetzen konnte. Die nächste Leihe folgte, diesmal war Union Berlin der Abnehmer, der Terodde nach Ablauf der Leihe länger an sich band. Beim Zweitligisten fühlte sich Terodde scheinbar wohl, bezeichnete einen Wechsel als "goldrichtige Entscheidung" und sammelte in zwei aufeinanderfolgenden Saisons insgesamt 27 Scorerpunkte.
Dabei erarbeitete er sich einen Stammplatz im Sturm. "Simon ist ein Stürmertyp, wie wir ihn bisher noch nicht hatten", sagte der damalige Union-Trainer Uwe Neuhaus über den Offensiv-Hünen nach dessen Verpflichtung. Terodde hatte sich offenbar endlich in der zweiten Liga etabliert - das war zumindest der Eindruck, ehe vergangenes Jahr eine durchwachsene Saison folgte. Nach fünf Treffern in 27 Spielen folgte jenes Zitat von Nico Schäfer, das auch an Terodde nicht spurlos vorüberging: "Diese Aussage hat mich sehr geärgert."
In Bochum spürte er "sofort das nötige Vertrauen" seitens Trainer Peter Neururer, wie er in einem Interview mit "Bild" erklärte. Keine Selbstverständlichkeit, denn in seiner Zeit beim MSV Duisburg kam Terodde unter dem gleichen Coach kaum zum Zug. "Zum Glück nimmt er mir das heute nicht mehr übel", sagte Neururer dazu.
In Bochum angekommen
Aber auch im Team der Bochumer fühlt sich Terodde wohl. Er harmoniert nicht nur auf dem Feld mit seinen Offensivpartnern Sestak, Gregoritzsch und Tasaka - auch abseits des Platzes stimmt die Chemie. So schläft Terodde bis zu seinem Umzug in eine neue Wohnung derzeit noch bei seinen Teamkollegen Jan Simunek oder Patrick Fabian.
Ein Ausdruck der Bescheidenheit des Stürmers, die er auch in Interviews zeigt, wenn er auf seine eigene, überragende Torquote angesprochen wird: "Ich bin doch nur der Letzte in der Kette, der dafür da ist, nach tollen Kombinationen den Ball reinzumachen". Und irgendwie hat er damit auch Recht. Schließlich reichen ihm meist ein, zwei Kontakte zum erfolgreichen Torabschluss.
Terodde gibt in Bochum den klassischen Mittelstürmer, trifft bevorzugt innerhalb des Strafraums. In Neururers offensivem System mit zwei Spitzen fungiert er aber genauso gut als Anspielstation, der den Ball für die nachrückenden Mitspieler festzumachen versteht.
"Hat überall seine Tore geschossen"
Außerdem ist er in der Lage, im schnellen Umschaltspiel der Bochumer mitzuhalten, was er beim 2:0 gegen den VfB Stuttgart im DFB-Pokal bewies. Die Rolle des Vollstreckers liegt ihm dabei aber dennoch am besten - auch wenn er trotz seiner Körpergröße in dieser Spielzeit noch keinen Kopfballtreffer erzielt hat.
Dass sich dieser Simon Terodde überhaupt noch so ins Rampenlicht zu spielen vermochte, hätte vor drei Monaten wohl noch niemand gedacht, auch wenn Bochums Sportvorstand Christian Hochstätter nach der Verpflichtung bereits Vorschusslorbeeren verteilte: "In Simon haben wir einen Angreifer verpflichtet, der Bälle behaupten kann und über das Wesentliche verfügt, was einen Stürmer auszeichnet: den Torabschluss. Simon hat überall - ob in Duisburg, Düsseldorf, Köln oder Berlin - seine Tore geschossen."
So erfolgreich wie in Bochum war er allerdings noch nie.
Simon Terodde im Steckbrief