Diagnose Geisteskrankheit?

Daniel ReimannJochen TittmarFlorian Schimak
11. Februar 201518:20
Zwischen RB-Boss Ralf Rangnick (l) und Alexander Zorniger gab's zuletzt mehrfach Differenzengetty
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Nach zuletzt nur einem Sieg aus den vergangenen sechs Partien hat sich RB Leipzig am Mittwoch von Cheftrainer Alexander Zorniger getrennt. U-17-Trainer Achim Beierlorzer übernimmt die Mannschaft nun bis zum Saisonende, zur neuen Spielzeit will Sportdirektor Ralf Rangnick einen neuen Trainer präsentieren. Macht die Trennung Sinn? Ist der Aufstieg in die Bundesliga jetzt noch möglich? Drei SPOX-Redakteure sowie mySPOX-User ausLE diskutieren die fünf wichtigsten Fragen rund um das Zorniger-Aus in Leipzig.

Ist die Trennung von Alexander Zorniger nachzuvollziehen?

Daniel Reimann (SPOX): "Nach den zweieinhalb Jahren aktuell über einen anderen Trainer nachzudenken, da müssten wir geisteskrank sein", hat Rangnick noch vor dem Aue-Spiel gesagt. Vor diesem Hintergrund lautet die Diagnose nach der Trennung von Trainer Zorniger: Geisteskrankheit. Im Ernst: Rein sportlich kann ein Aufsteiger als Tabellensiebter eine Entlassung kaum rechtfertigen. Doch in Leipzig ticken die Uhren anders. Rangnick nimmt offensichtlich für die Sommerpause eine große Lösung in Angriff.

Jochen Tittmar (SPOX): Sportlich überhaupt nicht. Zorniger führte den Klub zu einem Pokalsieg und zwei Aufstiegen in Serie. Er baute ein junges Team auf, das eine erfrischende Spielidee entwickelte und auch im ersten Zweitligajahr von Beginn an im vorderen Drittel mitspielte. Zuletzt stimmt der Trend zwar nicht mehr, doch wenn nach der ersten kleinen Delle der Trainer umgehend die Papiere in die Hand gedrückt bekommt, dann habe ich dafür nur wenig Verständnis.

SPOXFlorian Schimak (SPOX): Ich muss mich meinen beiden Vorrednern anschließen. Die Entlassung Zornigers kommt zum jetzigen Zeitpunkt völlig überraschend und macht für mich auch absolut keinen Sinn. Für einen Aufsteiger spielen die Leipziger eine starke Runde und entlassen dann nach dem ersten Rückrundenspiel den Trainer? Das ist nicht im geringsten erklärbar und lässt nur darauf schließen, dass es zwischen Zorniger und Rangnick tatsächlich arge Probleme gegeben haben muss. Sportlich ist die Entlassung jedenfalls nicht vertretbar.

mySPOX-User ausLE: Jein. Auf der einen Seite hat RB Zorniger viel zu verdanken, er hatte in seinen zwei Jahren viel Erfolg. Auf der anderen Seite hat er es in den letzten Spielen nicht geschafft, die Mannschaft und die Spielweise beziehungsweise das System an die 2. Liga anzupassen. Da RB Leipzig sich im Sommer auf der Trainerposition neu positionieren will, ist es legitim von ihm zu sagen: Dann gehe ich eben jetzt, mit Rückgrat und bewahre mein Gesicht. Nur den Zeitpunkt finde ich unpassend gewählt.

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Tut man U-17-Coach Achim Beierlorzer damit einen Gefallen?

Daniel Reimann (SPOX): Definitiv. Zwar bleibt fraglich, ob seiner U-17-Mannschaft damit ein Gefallen getan ist. Aber Beierlorzer kann unverhofft verdammt wertvolle Erfahrungen sammeln. Das Gute daran: Er hat keinen Druck. Leipzig hat großen Vorsprung auf die Abstiegsränge und den Aufstieg in diesem Jahr scheint Rangnick nicht mehr um jeden Preis anzustreben. Sonst hätte er jetzt schon eine große Lösung präsentiert. Von einem U-17-Trainer darf man aber keinen Bundesliga-Aufstieg verlangen.

Jochen Tittmar (SPOX): Schwer zu beurteilen. Beierlorzer ist der Platzhalter schlechthin, nach 14 Zweitligapartien war's das wieder für ihn. Natürlich kann er seinem unbekannten Namen in dieser kurzen Zeit zu mehr Ruhm verhelfen, sollte ihm der Aufstieg gelingen. Genauso gut kann er sich aber ordentlich die Finger verbrennen, sollte er den Trend nicht stoppen können und das Team weiter abstürzen.

Florian Schimak (SPOX): Nein, weil Beierlorzer jetzt ein Team übernimmt, dass seit über zwei Jahren von einem Trainer geführt und geprägt wurde, der nun aus heiterem Himmel entlassen wurde. Zwar sind die Spieler alle Profis und sollten sich nicht allzu lange damit beschäftigen, aber ein neuer Trainer wird zunächst immer mit Argwohn betrachtet. Gerade nach dieser Aktion. Was passiert denn, wenn man die ersten drei Spiele unter ihm verliert? Bisher hat Beierlorzer nur Jugendteams im Profibereich trainiert, aber immerhin als Jahrgangsbester die Trainer-Ausbildung abgeschlossen.

mySPOX-User ausLE: Bei RB Leipzig wird durch den kompletten Nachwuchsbereich das gleiche System wie bei den Profis gespielt. Ob Vogel (U 23), Leicht (U 19) oder eben Beierlorzer (er kam zu Saisonbeginn aus Fürth), sie alle kämen für diese Aufgabe in Frage. Alle Nachwuchstrainer sind in ihren Ligen mehr als erfolgreich, wie zuletzt der Sieg der U 17 beim Spitzenreiter VfL Wolfsburg bewies. Sportlich und medial traue ich es Beierlorzer zu, bis zum Sommer hin der Mannschaft eine eigene Handschrift zu geben.

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Ist RB Leipzig jetzt noch der Aufstieg zuzutrauen?

Daniel Reimann (SPOX): Definitiv. RB hat einen vielversprechenden Kader mit teils hochveranlagten Spielern. Das Team hat eine klare Philosophie verinnerlicht, die sich unter Beierlorzer nicht grundlegend ändern dürfte. Schließlich zieht sich die Spielphilosophie bei RB bis in die U-Mannschaften. Der Rückstand von fünf Punkten auf den Relegationsplatz ist aufzuholen, zumal mit Darmstadt und dem KSC drei Teams in den Top 4 stehen, die sportlich nicht zwingend stärker als RB einzuordnen sind.

Jochen Tittmar (SPOX): Das Rennen um Platz zwei und drei ist offen wie lange nicht mehr, Leipzig hat mit fünf Punkten Rückstand auch weiterhin gute Karten. Doch der Druck wird nach der mageren Ausbeute zuletzt sowie der Trennung von Zorniger steigen - für das überwiegend junge Team keine einfache Konstellation. Ich glaube nicht an den Durchmarsch in die Bundesliga.

Florian Schimak (SPOX): Da muss ich dir leider widersprechen, Daniel. Von mir gibt's ein klares Nein! Ich glaube nicht an einen Aufstieg. Dafür wirkt das Team noch nicht gefestigt genug, nun hat man durch die Trainerentlassung auch noch Unruhe. Viele Spieler haben wenig Erfahrung in der 2. Liga und stehen jetzt natürlich noch mehr unter Zugzwang, weil Rangnick den Aufstieg quasi fordert. Natürlich ist der Rückstand nicht groß, aber mit Braunschweig und Düsseldorf stehen zwei zu erfahrene Teams vor den Sachsen.

mySPOX-User ausLE: Es wird sehr schwer werden und ich selber hätte kein Problem mit einem weiteren Jahr 2. Liga. Da bin ich sehr bei Zorniger. Das Spielermaterial allerdings ist vorhanden, es wurden Wintertransfers getätigt, die zeigen, dass RB um die Aufstiegsplätze mitspielen möchte. Dazu kommt, dass die 2. Liga sehr ausgeglichen ist (mit der Ausnahme Ingolstadt). Sportlich ist es der Mannschaft durchaus (noch) zuzutrauen, wenn der neue Trainer es schafft, die abhanden gekommene Spielkultur zurück zu gewinnen.

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Welches Licht wirft die Trennung auf Sportdirektor Ralf Rangnick?

Daniel Reimann (SPOX): Rangnick muss sich mindestens einen von zwei möglichen Vorwürfen gefallen lassen: Dass er entweder nicht ganz ehrlich war, als er einen möglichen Trainerwechsel vor dem Aue-Spiel ausschloss oder dass sich seine Haltung rasch um 180 Grad gedreht hat. Letzteres riecht nach Aktionismus. Und: Rangnick hat damit unterstrichen, dass er den radikalen Bundesliga-Kurs von RB konsequent mitträgt, während sich Zorniger stattdessen um die Harmonie im Team sorgte.

Jochen Tittmar (SPOX): Ein fader Beigeschmack bleibt in jedem Fall. Liest man die von Kollege Reimann in Frage 1 zitierte Rangnick-Aussage, dann ist das schon recht starker Tobak. Vor allem wenn man bedenkt, dass er zu diesem Zeitpunkt womöglich schon Gespräche mit anderen Trainern geführt hat oder zumindest den Plan im Kopf hatte, im Sommer einen neuen Übungsleiter an die Seitenlinie stellen zu wollen. Der doch recht plötzliche Umschwung in der Aufstiegs- und Trainerfrage wurde schwach kommuniziert und war letztlich auch schlicht unnötig.

SPOXFlorian Schimak (SPOX): Gefühlt steht er als böser Bube da. Ich fand Leipzig unter Zorniger durchaus sympathisch. Der Spielstil und die Idee hinter dem Projekt sind spannend, Zorniger bewies bei aller finanzieller Übermacht auch immer ein gewisses Maß an Demut. Andererseits hat Rangnick in der Vergangenheit bewiesen, dass er den Erfolg unter allen Umständen will. In Hoffenheim schmiss er hin, weil man Luiz Gustavo abgab. Die jetzige Episode belegt, wie schwach der Trainer bei RB Leipzig ist. Rangnick scheint der wahre Boss zu sein.

mySPOX-User ausLE: Mit Ralf Rangnick hat RB einen sehr fähigen Sportdirektor. Auch wenn sich Zorniger nicht verbiegen lässt, passte er genau in das Anforderungsprofil von Rangnick. Allerdings nur, was die 3. und 4. Liga angeht. Dass Rangnick und Zorniger unterschiedlicher Auffassung waren, wie das Ziel in der jetzigen Saison lautet, war bekannt und führte nun zu der einvernehmlichen Trennung. Nur sollte Rangnick in Zukunft überlegen, was er in welches Mikro sagt, sonst macht man sich sehr schnell unglaubwürdig.

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Welche Auswirkungen hat die Trennung auf das Vereinsimage?

Daniel Reimann (SPOX): Zorniger war zwar kein populärer Sympathieträger, aber er hat sich mit dem sportlich Erreichten der letzten zweieinhalb Jahre viel Respekt verschafft. Dass ihn Leipzig trotz einer tadellosen Tabellenplatzierung vor die Tür setzt, rückt den Klub noch vehementer in das Licht des Business-getriebenen Konzernvereins, wo nur schnelle Ergebnisse zählen. Zorniger schien bemüht, ein nachhaltig funktionierendes Mannschaftsgefüge zu bewahren. Rangnick plant aber offenbar schon in größeren Dimensionen.

Jochen Tittmar (SPOX): Es dürfte sich jedenfalls nicht eklatant verbessert haben. Dass Leipzig so früh wie möglich mit aller Macht in die Bundesliga drängt, steht nun trotz aller gegenteiliger Äußerungen zu Saisonbeginn fest - das wird an vielen Fußball-Standorten in Deutschland keine Begeisterungsstürme auslösen. Ich glaube aber, dass die aktuelle Episode keinen akuten Imageschaden nach sich ziehen wird, da das Bild des Vereins in der Öffentlichkeit sowieso bereits enorm angekratzt ist.

SPOXFlorian Schimak (SPOX): Wie ich bei Frage 4 schon sagte, wirkte Zorniger auf mich immer demütig. Könnte sein, dass ich damit wohl zu einer Minderheit gehöre. Tendenziell bin ich da bei Kollege Tittmar. Das Bild der Leipziger in der Öffentlichkeit ist alles andere als überragend, wie man am vergangenen Wochenende in Aue sah. Von daher gehe ich ebenfalls nicht davon aus, dass das Image nachhaltig geschädigt wurde.

mySPOX-User ausLE: Keine - außer vielleicht eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit. Diese Trennung ist bei unterschiedlichen Auffassungen zwischen Trainer und Sportdirektor ein normaler Vorgang im Profibereich. Dazu auch der sportliche Misserfolg in den letzten Spielen. Also warum sollte es bei RB Leipzig anders sein als bei anderen Vereinen? Es wird weiter Pro und Contra für das Projekt RasenBallsport Leipzig geben - bei Verantwortlichen, Medien und Fans.

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