SPOX: Herr Petersen, nach Ihrem Traumeinstand in Freiburg zu Beginn des Jahres scherzten Sie, die drei Tore hätte auch eine Kiste Bier gemacht. Auch in dieser Saison haben Sie schon wieder neun Mal getroffen. Das liegt jetzt aber an Ihrer Qualität, oder hätte das die Kiste Bier auch geschafft?
Nils Petersen: Man müsste es mit der Kiste vielleicht mal probieren. Ich will meine Anzahl an Toren nicht an die große Glocke hängen. Wir pflegen einen Spielstil, der auf einen Mittelstürmer zugeschnitten ist und ich bin dabei der dankbare Abnehmer. Die offensive Flexibilität zeichnet uns aus. Und das auch in einer neu formierten Offensive ohne Schmid, ohne Mehmedi, ohne Darida. Wir haben wieder Jungs auf dem Platz, die mir das Leben im Strafraum leicht machen.
SPOX: Hatten Sie mit einem so runden Saisonauftakt gerechnet nach all den Abgängen?
Petersen: Absolut nicht. Wir wollten von Anfang an im oberen Drittel dabei sein. Aber dass wir nach zehn Spieltagen ganz oben mitmischen, ist fabelhaft. Das hatten wir uns nicht erträumt, da die Ergebnisse der Vorbereitung auch nicht rosig waren. Wir haben eine Konstanz und Stabilität entwickelt, die es dem Gegner schwer machen, gegen uns zu bestehen. Diese Situation genießen wir. Aber wir wissen auch, dass wir vermutlich noch durch ein Tal gehen müssen.
SPOX: Wie erklären Sie sich Ihre Trefferquote seit Ihrer Ankunft in Freiburg? Sie haben ja auch in der Bundesliga-Rückrunde neun Treffer in zwölf Spielen erzielt.
Petersen: Ich habe von Anfang an das Vertrauen gespürt und war ein wichtiger Bestandteil der Mannschaft. Allein schon, wie sich der Klub um mich bemüht hat, hat mir imponiert. Man sagt ja, Stürmer und Torhüter seien am sensibelsten. Und deshalb ist es gut für einen Stürmer, in eine funktionierende Mannschaft zu kommen. Es gibt nichts Schöneres als einen Verein, einen Trainer und eine Mannschaft zu haben, die mir vertrauen. Die Kollegen suchen mich im Strafraum und so konnte ich das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde, bisher zurückzahlen.
SPOX: Für Energie Cottbus haben Sie in Ihrer besten Zweitligasaison 25 Tore erzielt. Ist diese Marke in dieser Saison zu knacken?
Petersen: Das wird schwer. Mein damaliger Trainer Pele Wollitz hat damals gesagt, dass es die nächsten Jahre keiner schaffen wird, so viele Tore zu machen. Das hat sich auch bewahrheitet. Wenn ich die aktuelle Quote halten kann, könnte ich die Marke knacken. Aber ich bin vorsichtig, weil auch noch schlechtere Phasen kommen werden. Das Spiel hat sich auch dahin entwickelt, dass es für Stürmer immer schwerer wird.
SPOX: Sie bezeichnen sich selbst als klassischen Strafraumstürmer. Ist dieser Typ im Moment wieder mehr gefragt als in den Jahren zuvor?
Petersen: Ich denke schon. Die Bewegung hin zur falschen Neun war da. Die technisch starken Offensivkräfte, die eigentlich aus dem Mittelfeld oder von außen kommen, waren sehr gefragt auf dem Markt. Aber man unterhält sich auch in der Mannschaft immer wieder über Systeme, Funktionen und Positionen und kommt zu dem Schluss, dass es wichtig ist, einen Mittelstürmer vorne drin zu haben. Sei es als Anspielstation, als Abnehmer oder als ersten Verteidiger. Der Trend geht wieder dahin, dass die Vereine Keilstürmer ausbilden, verpflichten und diese Spielertypen auf dem Markt gern gesehen sind.
SPOX: In Deutschland gibt es aktuell wohl nur zwei Spieler, die einen ähnlichen Lauf haben wie Sie: Robert Lewandowski und Pierre-Emerick Aubameyang. Was sagt der Stürmer Petersen über die Stürmer Lewandowski und Aubameyang?
Petersen: Weltklasse! Lewandowskis Fünferpack war Wahnsinn. Es ging ja nicht gegen irgendeine Mannschaft, sondern Wolfsburg. Aber noch mehr imponiert mir, wie Spieler dieser Kategorie über Jahre hinweg konstant treffen. Lewandowski hat jetzt die 100-Tore-Marke geknackt und auch Aubameyang schießt in Dortmund regelmäßig seine Tore. Die Kunst eines Stürmers ist es, Woche für Woche Spiele zu entscheiden. Beide machen das auf höchstem Niveau in der Bundesliga.
SPOX: Wie kann sich ein Stürmer diesen Lauf erhalten?
Petersen: Auch bei mir wurde in den letzten Wochen viel über den Flow geredet. Erklären kann man ihn aber nicht. Das Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis sind da, dazu kommt das nötige Glück. Außerdem spürt man nicht diesen Riesendruck und ist immer positiv. Und das genaue Gegenteil ist in einer schlechten Phase der Fall. Da gehen die einfachsten Bälle nicht rein. Deshalb sollte man im Lauf und auf dem Boden bleiben und die Woche über seriös arbeiten. Ich habe früh gelernt, dass man eine gute Trainingswoche braucht, um sich ein gutes Spiel zu erarbeiten.
SPOX: Nachdenken heißt es, ist ja eher das Falsche...
Petersen: Zu viel Nachdenken ist nicht gut. Den Moment nach dem Tor oder nach dem Sieg darf man genießen. Aber im Fußball interessiert keinen, was letzte Woche war, sondern es geht ums hier und jetzt.
SPOX: Haben Sie im Laufe Ihrer Karriere eine Methode entwickelt, um dieses Nachdenken so gut wie möglich zu vermeiden?
Petersen: Als Fußballer und als Mensch entwickelt man sich immer weiter und weiß mit Situationen umzugehen, weil man sie schon einmal erlebt hat. Ich habe einiges erlebt, das auf die Psyche ging. Bei mir wurden die torlosen Minuten bis in den vierstelligen Bereich gezählt. Dann kam ich nur noch zu Kurzeinsätzen und es hieß: Der hat schon wieder nicht getroffen. Da macht man sich selbst Druck. Genauso weiß ich mit Situationen umzugehen wie jetzt. Die Erwartungshaltung ist da, aber man darf das nicht zu hochschrauben.
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