"Ich würde die Relegation sofort abschaffen"

Friedhelm Funkel hat mit der Fortuna große Ziele
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SPOX: Finanziell geht die Schere zwischen der ersten und der zweiten Liga in den letzten Jahren immer weiter auseinander. Ist diese Entwicklung überhaupt zu stoppen?

Funkel: Nein, ist sie nicht. Die Entwicklung geht ja schon innerhalb der Bundesliga immer weiter auseinander. Die Vereine, die jahrelang in der Champions League spielen, sind von den anderen Vereinen so weit entfernt, dass man das gar nicht mehr ausgleichen kann. Die Zweitligavereine haben null Chance, in diese Sphären zu kommen. Trotzdem hat ein Aufsteiger immer die Möglichkeit, in der Bundesliga zu verbleiben, mal länger, mal nur ein oder zwei Jahre. Aber in dieser Zeit kann man die ganze Infrastruktur so gut auf die Beine stellen, dass man davon profitiert. Das hat Paderborn gemacht, das macht auch Darmstadt jetzt. Sie bauen neue Trainingsplätze, ein neues Trainingsgelände. Das muss man machen, wenn man die Chance hat. Darmstadt ist jetzt ein zweites Jahr oben, Ingolstadt auch. Mainz hat sich etabliert, Augsburg hat sich etabliert. Das hat den beiden niemand zugetraut. Das zeigt: Es ist nach wie vor machbar, sich als Zweitligist heranzuarbeiten. Da spielt auch eine Rolle, dass die beiden Vereine immer lange mit ihren Trainern gearbeitet haben.

SPOX: Sie brechen eine Lanze für Kontinuität auf der Trainerbank. Aktuell spielen in der Spitzengruppe der zweiten Liga die beiden Vereine mit den dienstältesten Trainern, Eintracht Braunschweig mit Torsten Lieberknecht und der 1. FC Heidenheim mit Frank Schmidt. Ist das für Sie eine Genugtuung?

Funkel: Ja, das finde ich toll. Ich habe es damals in Uerdingen selbst erlebt, dass Fans und Verantwortliche eines Vereins nach einem Abstieg am Trainer festhalten. Das ist auch in Braunschweig der Fall gewesen. Sie sind überzeugt von Torsten Lieberknecht, haben bis 2020 verlängert. Ich kann mich noch an das letzte Bundesligaspiel von Braunschweig erinnern. Da sind sie abgestiegen und die Fans haben die Mannschaft und den Trainer gefeiert. Sie hatten eben realistische Ziele und wussten, dass sie auch wieder absteigen können. Mittlerweile haben sie sich wieder so stabilisiert, dass der Aufstieg wieder möglich ist.

SPOX: Welche Vorteile hat es für die Arbeit als Trainer, wenn man über Jahre hinweg kontinuierlich arbeiten kann?

Funkel: Das ist enorm. Wichtig ist, dass die Mannschaft nicht das Gefühl hat, Trainer, Sportvorstand und Aufsichtsrat sind nicht einer Meinung. Wenn der hundertprozentige Rückhalt im Verein da ist und jeder das Gefühl hat, der Trainer sitzt auch nach fünf Niederlagen fest im Sattel, hat er eine ganz andere Autorität. Und in der Regel wird das auch belohnt.

SPOX: Kommen wir zur aktuellen Situationen bei der Fortuna: Wie schätzen Sie den Saisonstart ein?

Funkel: Er ist befriedigend. Es waren ein paar Punkte mehr möglich, deshalb nenne ich ihn nicht gut. Auf der anderen Seite hätten wir diesen Start vor der Saison sicherlich unterschrieben. Wir haben in keinem Ligaspiel bislang brutal enttäuscht - selbst im Heimspiel gegen bärenstarke Dresdner nicht, da die Mannschaft trotz des Spielverlaufs nie aufgesteckt hat. Als Trainer fällt es leichter, ein Spiel zu verlieren, wenn man das Gefühl hat, die Mannschaft hat alles gegeben. Da sind wir bei Statistiken: In vielen Spielen sind wir mehr gelaufen, haben mehr Zweikämpfe gewonnen, mehr Torschüsse, aber das ist eben nicht entscheidend.

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SPOX: Haben diese Statistiken nicht dennoch einen Einfluss auf die Nachbetrachtung? Fuchst es einen mehr, wenn man denkt, es wäre mehr drin gewesen?

Funkel: Natürlich fuchst es einen dann mehr. Aber man ist trotzdem nicht unzufrieden mit seiner Mannschaft. Ich habe meinen Mannschaften immer gesagt, dass ich sie nicht nur nach dem Ergebnis beurteile. Manchmal kann man ein super Spiel machen und trotzdem verlieren.

SPOX: Während Ihrer Station bei 1860 München haben Sie gesagt, dass Sie unbedingt noch einmal in die Bundesliga aufsteigen möchten. Wie sehen Ihre Ambitionen bei der Fortuna aus?

Funkel: Zuallererst wollen wir uns stabilisieren. Es ist drei Jahre tabellarisch nur nach unten gegangen. Diesen Trend wollen wir stoppen. Da sind wir auf einem vielversprechenden Weg. Nicht mehr und nicht weniger. Dann muss man schauen, was in der nächsten Saison möglich ist. Ob ich dann überhaupt noch hier bin oder ob die Verantwortlichen jemand anderes verpflichten wollen, weiß ich nicht, aber das sehe ich sehr gelassen. Natürlich wäre es ein Traum, mit der Fortuna mittelfristig noch einmal in die Bundesliga aufzusteigen, aber ob das realisierbar ist, werden die nächsten Monate zeigen.

SPOX: Ihr eigener Vertrag läuft bis Ende der Saison. Sie haben schon einmal öffentlich über ein Karriereende nachgedacht. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Fortuna Ihr letzter Verein ist?

Funkel: Im Moment bin ich unglaublich motiviert zu arbeiten, weil ich mein Privatleben und mein Berufsleben optimal miteinander verbinden kann. Das ist in unserem Job Luxus. Ich bin so oft umgezogen und musste meine Lebensgefährtin oder früher meine Familie zu Hause lassen. Das möchte ich nicht mehr. Man muss realistisch sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ich noch einmal bei einem neuen Verein anfange, den ich von Krefeld aus erreichen kann, nicht sehr groß ist. Deswegen ist es durchaus möglich, dass Fortuna meine letzte Trainerstation ist.

SPOX: Aber ausschließen wollen Sie nichts?

Funkel: Nein, das nicht, aber es liegt nahe. Wenn dann natürlich Borussia Dortmund kommt, mache ich es vielleicht noch einmal. (lacht)

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