Rund 15 Jahre nach seinem Profidebüt für den FC Bayern München wechselte Stefan Maierhofer in der Winterpause zum Zweitligisten Würzburger Kickers. Im Interview mit SPOX und Goal erinnert sich der 38-jährige Stürmer an seine Zeit in München.
Maierhofer berichtet von einem Abend im Nobelclub P1 mit Claudio Pizarro und Martin Demichelis, von einer Autofahrt mit Uli Hoeneß' Audi, von einem Straflauf mit Sandro Wagner und von Mats Hummels' Außenristpässen. Außerdem erklärt er, warum er dem heutigen Sportvorstand des FC Bayern Hasan Salihamidzic niemals eine Funktionärslaufbahn zugetraut hätte.
Herr Maierhofer, vor 15 Jahren debütierten Sie in der Bundesliga unter Trainer Felix Magath für den FC Bayern, nun arbeiten Sie in Würzburg erneut mit ihm zusammen. Er ist für Klub-Aktionär Flyeralarm Global Soccer beratend tätig. Hatten Sie in der Zwischenzeit Kontakt?
Stefan Maierhofer: 2010 wollte er mich nach meiner ersten Saison in England unbedingt zu Schalke holen. Wir haben uns sogar in München zu einem Gespräch getroffen. Wolverhampton hat aber letztlich mehr Geld für mich verlangt, als Schalke zahlen konnte. Stattdessen bin ich nach Duisburg gewechselt. Im vergangenen Sommer haben mich die Verantwortlichen und Felix Magath gefragt, ob ich mir ein Engagement bei der Admira (ebenfalls mit Verbindungen zu Flyeralarm Global Soccer, Anm. d. Red.) vorstellen könnte. Nun bin ich froh, mit meinem Winterwechsel nach Würzburg in der Flyeralarm-Family geblieben zu sein.
Wie hat Sie Magath im Oktober 2006 auf Ihren ersten Bundesligaeinsatz gegen Eintracht Frankfurt vorbereitet?
Maierhofer: Ich werde nie vergessen, wie er mich am Spieltag nach dem Mittagessen in unserem Mannschaftshotel in Taufkirchen zu sich geholt hat. Erst saß er nur da und hat mit einem Löffel ganz langsam in seinem Tee gerührt. Dann hat er meine Leistungen bei den Amateuren und in der Saisonvorbereitung gelobt und gemeint, dass er mir - sofern es der Spielverlauf hergibt - ein paar Minuten schenken will. Genauso ist es auch gekommen. Er hat mich zu einem Bayern-Spieler gemacht und dafür bin ich ihm dankbar.
Was hat er Ihnen direkt vor der Einwechslung gesagt?
Maierhofer: Das weiß ich nicht mehr. Es waren 69.000 Zuschauer im Stadion und mein Herz hat bis zum Hals geschlagen.
IMAGO / Norbert SchmidtHat sich Magath in den 15 Jahren seitdem verändert?
Maierhofer: Er ist mit dem Alter etwas ruhiger geworden, früher war er definitiv lauter. Auch heute merkt man an seiner Tonalität aber, wann es gefährlich wird. Was sich nicht geändert hat und was ich an ihm ganz besonders schätze, ist seine Geradlinigkeit und Ehrlichkeit. Auf Magaths Wort kann man sich verlassen. Damals wie heute ist es schön, mit ihm über Fußball zu sprechen. Es ist beeindruckend, was er alles erlebt hat und wie er einen in Gesprächen an seinen Erfahrungen teilhaben lässt. Er hat eine großartige Ausstrahlung.
Wie haben Sie seine berüchtigte Härte erlebt?
Maierhofer: Bei einigen Kollegen sind seine Methoden nicht gerne gesehen, aber mir haben sie immer gutgetan. Dass ich mit 38 Jahre noch aktiv und in Form bin, habe ich auch Magath zu verdanken. Besonders hart war es eigentlich nur in der Vorbereitung. Während der Saison waren seine Einheiten immer mit viel Spaß verbunden. Es gab meistens kleine Spielformen und Abschlussübungen, bei denen er gerne selbst mitgemacht hat.
Stefan Maierhofer berichtet von einem P1-Besuch mit Kollegen
Sie kamen 2005 im Alter von 22 Jahren zu den Amateuren des FC Bayern. Welche Mitspieler haben Ihnen beim Einleben am meisten geholfen?
Maierhofer: Michael Rensing und Jan Mauersberger. Michael ist ein cooler Typ, mit dem ich mich damals wie heute über alles austauschen kann. Jan kam direkt auf mich zu und meinte: "Wenn du etwas machen willst, komm' einfach vorbei." Er ist gebürtiger Münchner und kannte entsprechend viele Leute. Ich war oft mit ihm und seinen Kumpels unterwegs. Wir wollten unbedingt erfolgreich sein, aber gleichzeitig auch das Leben genießen. Wir waren gemeinsam am Starnberger See, auf der Wiesn und auch mal mit der ganzen Mannschaft am Abend unterwegs.
Wie haben diese Abende ausgesehen?
Maierhofer: Die Mannschaftsabende organisierte immer Thorsten Fink. Erst waren wir gut essen und anschließend sind wir manchmal weitergezogen. Ich kann mich noch genau an meine erste Nacht im P1 (einem Münchner Nobelclub, Anm. d. Red.) erinnern, wie ich dort aus der Distanz Claudio Pizarro und Martin Demichelis gesehen habe. Sie haben mich erkannt und zu ihrem Tisch gewunken. Es war ein geiles Gefühl, mit solchen Typen zu feiern. Heutzutage wäre das im Zeitalter von Insta- und Facebook-Live, Clubhouse oder Twitter unvorstellbar.
Wie eng war damals die Verzahnung zwischen den Amateuren und den Profis?
Maierhofer: Wir haben um 10 Uhr auf dem hintersten Platz trainiert und von dort gesehen, wie die Profis um 10.30 Uhr auf dem Hauptplatz angefangen haben. Wenn sich einer von ihnen verletzt hat und sie für eine Spielform noch jemanden gebraucht haben, ist deren Co-Trainer Seppo Eichkorn an den Zaun gekommen und hat unserem Trainer Hermann Gerland zugerufen: "Ich brauch' noch einen Tormann, Verteidiger, Mittefeldspieler oder Stürmer!" Wenn man die richtige Position gespielt hat, durfte man rüber wechseln. Vor jedem Training habe ich gehofft, dass Eichkorn an den Zaun kommt. Das war Motivation und Adrenalin pur.
IMAGO / UlmerStefan Maierhofer über Mats Hummels und Sandro Wagner
Sie haben bei den Amateuren mit einigen späteren Bundesligaspielern zusammengespielt: Paolo Guerrero, Mats Hummels, Sandro Wagner, um nur einige zu nennen. Bei wem waren Sie sicher, dass er es schafft?
Maierhofer: Der überragende Spieler der Mannschaft war meiner Meinung nach mein anfänglicher Sturmpartner Daniel Sikorski. Er ist wie ich Österreicher, kam gleichzeitig mit mir zum FC Bayern. Nach wenigen Wochen hat er sich das Kreuzband gerissen und sein vorheriges Level danach nie mehr erreicht. Die Verletzung nahm ihm viel von seiner Dynamik und Spielfreude. Ansonsten hätte er den Durchbruch bei Bayern geschafft.
Hatten Sie danach noch Kontakt mit ihm?
Maierhofer: Wir schreiben oder telefonieren alle paar Wochen. 2013 habe ich ihm sogar einen Wechsel zum FC St. Gallen organisiert. Die waren eigentlich an mir interessiert, aber ich wollte noch andere Angebote abwarten. Weil St. Gallen sofort einen Stürmer gebraucht hat, habe ich ihnen Daniel empfohlen und sie haben ihn tatsächlich verpflichtet. Kurz darauf hat er sich aber zum zweiten Mal das Kreuzband gerissen. Vor ein paar Jahren war er bei mir auf einer Poolparty zu Besuch. Mittlerweile wohnt er mit seiner Familie in Zypern.
Wie haben Sie Mats Hummels als Mitspieler erlebt?
Maierhofer: In Erinnerung geblieben sind mir in erster Linie sein brutaler Körper und seine Außenristpässe. Nicht umsonst heißt sein Instagram-Account "Außenrist15". Situationsbedingt haben sie immer wieder gepasst, aber manchmal hat er es übertrieben und Gerland damit zur Weißglut gebracht. Nicht nur einmal hat er Mats für seine Außenristpässe gemaßregelt.
Haben Sie in Hummels damals die Qualitäten zum Führungsspieler gesehen?
Maierhofer: Mats hat sich in die Mannschaft gut eingegliedert und Missstände trotz seines jungen Alters klar angesprochen. Er hatte immer einen Spruch auf den Lippen.
Einen Spruch auf den Lippen hat bekanntlich gerne auch Sandro Wagner.
Maierhofer: Wenn ich an ihn denke, erinnere ich mich immer an ein Vorbereitungsturnier, als es Sandro und ich verbal übertrieben haben. Gerland wollte irgendeine taktische Umstellung von uns Stürmern, aber wir waren anderer Meinung und haben Kontra gegeben. Dann meinte er: "Wenn ihr die Situation so seht, könnt ihr das Morgen um halb sieben bei einem Lauf ganz genau besprechen." Dazu ist es dann auch gekommen - nur haben wir dabei mehr über ihn geschimpft, als über die Situation gesprochen. Der wahre Leidtragende war unser Physio Klaus Maierstein, der mitlaufen und uns überwachen musste.
Hasan Salihamidzic? "Der wird niemals Funktionär"
Bei den Profis spielten damals Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn, die den Klub mittlerweile als Vorstände führen. Hätten Sie sich die beiden damals in diesen Rollen vorstellen können?
Maierhofer: Bei Kahn war mir klar, dass er später so eine Rolle einnehmen würde. Bei Brazzo dachte ich: Der wird niemals Funktionär. In einer ruhigen Rolle an einem Schreibtisch hätte ich ihn mir nicht vorstellen können, eher mit den Jungs auf dem Platz als Co-Trainer oder so. Als Spieler war Brazzo ein Freak, ein richtiger Schweinehund im positiven Sinne, immer energiegeladen. Ein geiler Typ halt.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Maierhofer: Vor einem Spiel in Leverkusen ist er aus dem Mannschaftsbus ausgestiegen und hat gewirkt, als hätte er in eine Steckdose gegriffen. Dann habe ich zu ihm gesagt: "Brazzo, heute schießt du ein Tor." Er hat tatsächlich eines geschossen, ist danach vom Sechzehner zielstrebig Richtung Ersatzbank gesprintet und von der Seitenauslinie auf mich zugesprungen. In etwa zwei Metern Höhe habe ich ihn aufgefangen.
Wie erleben Sie Salihamidzic heute als Sportvorstand?
Maierhofer: Er hat sich zwischen seiner Spieler- und Funktionärskarriere als Mensch extrem weiterentwickelt. Auf mich wirkt er als Sportvorstand sehr gut und souverän. Brazzo ist ein weltoffener Typ, spricht viele Sprachen und hat sich ein großes Netzwerk aufgebaut, von dem der FC Bayern profitiert.
IMAGO / MISStefan Maierhofer über eine Fahrt mit Hoeneß' Auto
Etwas zurückgezogen hat sich mittlerweile Uli Hoeneß. Wie haben Sie ihn damals als Manager erlebt?
Maierhofer: Ich kann mich erinnern, dass er im Bus immer mit den Physios Schafkopf gespielt hat. Einmal war ich dabei, als er in der Kabine eine Ansprache gehalten hat. Ich habe mich immer gefreut, wenn ich ihn gesehen habe, und freue mich heute, wenn er sich in den Medien äußert. Wenn Hoeneß etwas sagt, wird es immer legendär. Eine gute Anekdote habe ich zu ihm parat.
Erzählen Sie!
Maierhofer: Wir waren bei einem Trainingslager am Tegernsee, als die Profispieler mit dem Bus abgeholt und nach Ingolstadt gebracht wurden, weil sie dort ihre neuen Dienstautos von Audi bekommen sollten. Hoeneß wollte spontan mitfahren, hatte seinen Audi RS6 aber am Tegernsee stehen. Deshalb hat er mir die Schlüssel gegeben und gesagt: "Du bist der Älteste hier mit Führerschein. Fahr' zur Säbener, stell' das Auto dort ab und bring' die Schlüssel zum Empfang."
Und, wie war es?
Maierhofer: Die 600 PS waren schon verlockend, aber als junger Spieler wollte ich mit Hoeneß' Auto eigentlich keinen Blödsinn machen. Stephan Fürstner, Christian Saba und Christopher Krause saßen aber hinten drinnen und haben mich die ganze Zeit gedrängt, so stark Gas zu geben, dass sie richtig in die Sitze gedrückt werden. Zwei-, dreimal habe ich mich auf der Landstraße hinreißen lassen.
Zurück zur Gegenwart. Sie sind 38 Jahre alt. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Maierhofer: Ich will mit Würzburg den Klassenerhalt schaffen, noch ein weiteres Jahr spielen und 2022 den Trainerkurs zur Pro-Lizenz absolvieren. Die A- und B-Lizenzen habe ich schon. Bei meinem Wechsel zur Admira wurde schon grob ausgemacht, dass ich dort nach meiner aktiven Karriere einen Trainerposten bekommen werde.
Sie haben in Ihrer langen Laufbahn etliche Trainer erlebt. Von welchen drei würden Sie eine bestimmte Eigenschaft gerne in Ihr künftiges Trainer-Ich integrieren?
Maierhofer: Von Gerland, dass er einem falls nötig richtig in den Hintern treten kann. Von meinem Millwall-Trainer Ian Holloway einfach nur die Verrücktheit. Und außerdem hätte ich gerne die zwischenmenschlichen Fähigkeiten von Niko Kovac, der bei RB Salzburg mein Co-Trainer war. Mich hat die Art und Weise beeindruckt, wie er auf einen zugeht und mit einem spricht. Niko hat sich damals sehr gut um die Spieler gekümmert, die nicht zum Zug gekommen sind. Er hatte einen Weitblick auf die Gesamtsituation und nicht nur auf den Moment.