Steffen Baumgart blickte selbst für seine Verhältnisse überaus grimmig unter seiner Schiebermütze drein. Jene zierte längst nicht mehr der Kölner Geißbock, sondern mittlerweile die Hamburger Raute, doch hüben wie drüben ist Baumgart mit seiner Saison-Mission krachend gescheitert. "Ich bin gerade sauer und verärgert", sagte der nunmehr sechste hauptamtliche Trainer, unter dem der HSV die Mission Wiederaufstieg vermasselt hat.
Nach dem 0:1 am Freitagabend bei Baumgarts Ex-Klub SC Paderborn - den der Coach 2019 mit ungleich geringeren Möglichkeiten in die Bundesliga geführt hatte - hat der einstige Europapokalsieger schon vor dem letzten Spieltag nicht einmal mehr die Chance auf den Relegationsplatz. Das siebte Jahr in Serie in der 2. Bundesliga ist gebucht, der ehedem ruhmreiche Seeler- und Happel-Klub scheint in einer marternden Zeitschleife gefangen.
"Ich versuche jetzt, die Jungs aufzubauen", sagte Baumgart: "Auch das ist meine Aufgabe: Für die Jungs da zu sein." Die HSV-Fans waren bereits für ihren Klub da, statt Häme und Zorn gab es in Paderborn viel Zärtlichkeit. "Mein Hamburg lieb ich sehr", sangen die Mitgereisten nach Abpfiff den schwer geknickten Profis vor dem Gästeblock entgegen.
HSV in Liga 2: "Das große Ziel ist weit weg"
Es steht nun bevor, was vor einem Jahrzehnt nicht einmal der notorischste Pessimist herbeifantasiert hätte: Aus dem Bundesliga-Dino, der von der Gründung der Eliteklasse 1963 bis 2018 ununterbrochen dabei war, dürfte nun der Zweitliga-Dino werden. Nur die Nord-Nachbarn St. Pauli (seit 2011) und Kiel (2017) sind aktuell länger in Serie dabei als der HSV - und beide stehen vor dem Sprung nach oben.
Baumgart fand am Freitag nach Abpfiff pathetische Worte. "Der HSV ist mein Kindheitstraum. Es ist viel im Positiven entstanden, aber das große Ziel ist weit weg", sagte er: "Vielleicht hilft es uns jetzt, frühzeitig zu planen."
Trotz einer mäßigen Bilanz (fünf Siege, zwei Remis, vier Niederlagen) darf Baumgart (Vertrag bis 2025) wohl weitermachen. Er war im Februar auf Tim Walter gefolgt, unter diesem stand der HSV in der laufenden Saison nur an einem Spieltag nicht unter den Top drei - den erhofften Schwung hat der Berufsemotionale Baumgart nicht gebracht.
Die Paderborn-Pleite stand indes sinnbildlich für die ganze Saison. Dort sei "die Fehlerquote zu hoch" gewesen, um ein Fußballspiel zu gewinnen, monierte Baumgart. Das habe aber "nicht mit der Einstellung" seiner Spieler zu tun. "Mut und Klarheit" hätten gefehlt, doch er hätte "niemanden stehen" gesehen.
Der HSV bleibt rätselhaft: Seit dem Abstieg landete er immer unter den besten vier, aber nur zweimal auf Platz drei. Scheitern auf hohem Niveau - der Hamburger Weg ist derzeit eine Sackgasse.