Der Tod ist nicht immer das Ende

Jason Day erlebte während seines Lebens viele Höhen und Tiefen
© getty

Jason Day ist die Nummer eins der Welt, der beste Golfer des Planeten. Der Weg des Australiers schien früh vorgezeichnet, der Tod seines Vater hätte seiner Bestimmung jedoch beinahe einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aus Hoffnung wurde Verzweiflung, der 28-Jährige bewegte sich auf einen Abgrund zu. Mit Hilfe schaffte er die Wende - und belohnte sich beim PGA Championship im vergangenen Jahr selbst.

Cookie-Einstellungen

Es sind nur wenige Meter, die Jason Day auf dem Whistling Straits Golf Course zurücklegen muss. Dennoch spürt er jeden Schritt.

Mit der schwarzen Mütze tief ins Gesicht gezogen und unter dem lauten Klatschen der Zuschauer tritt Day an den kleinen weißen Ball heran, der nur wenige Zentimeter vom 18. Loch entfernt zum Liegen gekommen ist. Er kämpft mit sich. Tränen rinnen seine Wangen herab.

Ein letztes Mal sammelt sich Day, holt tief Luft. Es ist ein Schlag, den er schon tausende Male vollführt hat. Und dennoch ist er anders als jeder zuvor. Als der Ball wenige Sekunden später mit einem vertrauten Geräusch im Loch verschwindet, brechen endgültig alle Dämme.

Seinen Kampf mit den Tränen kann Day an diesem Tag nicht gewinnen und er muss es auch gar nicht. Er hat etwas viel Größeres gewonnen, ist am vorläufigen Ende eines so langen und steinigen Weges. Nur wer diesen kennt, kann die Bedeutung jenes heißen Abends in Wisconsin auch nur ansatzweise nachvollziehen.

Der Tag, der alles änderte

Rockhampton, 1999. Der Tag, der alles änderte. "Ich kam in diesen Raum, mein Vater lag dort. Er atmete nicht. Wir saßen einfach nur da und haben ihn angeschaut. Ich konnte nicht ein Wort sagen", erinnert sich Day beim RBC Golf Channel an die wohl schwersten Stunden eines Lebens, das es bis dahin nicht sonderlich gut mit ihm und seiner Familie gemeint hatte.

"Was sollte ich auch sagen. Es war alles einfach zu hart für mich", fährt der heute 28-Jährige mit ruhiger Stimme fort. Worte zu finden, fällt ihm auch all die Jahre später sichtlich schwer.

Der Tod seines Vaters, Alvyn Day, war ein Schlag für die gesamte Familie. Vor allem aber für Jason. Als jüngstes von drei Geschwistern wuchs Day im australischen Beaudesert auf. Das beschauliche Städtchen im südöstlichen Queensland brachte es 1987 bei seiner Geburt nur auf knapp 3000 Einwohner. Das Landschaftsbild prägten schier unendliche Felder, die lediglich von einzelnen Farmen und kleinen Häuschen unterbrochen wurden.

Auf einer solchen wuchs auch Day auf. Sein Vater arbeitete im Schlachtungsbereich einer großen Fleischfabrik. Der Job war körperlich wie seelisch fordernd, die Bezahlung unwürdig. Die Verhältnisse, die Jason bereits von Kindesbeinen erlebte, waren einfach, die Familie arm.

"Mein Vater und ich waren oft auf einer nahegelegenen Müllhalde, viele unserer Möbel stammten von dort", blickt Day zurück. "Als ich drei Jahre alt war, fanden wir einen Golfschläger." Alvyn drückte das verrostete Eisen seinem Sohn in die Hand.

Es folgte der erste Schwung seines Lebens mit einem Golfschläger. Sein Vater habe sich im Anschluss zu seiner Mutter umgedreht und gesagt, dass sein Sohn "eines Tages ein Champion sein werde", sagt Day schmunzelnd. Für ihn selbst war eine Karriere als Golfer damals jedoch kein Thema. Alles was greifbar war, war die Gegenwart.

Flucht aus dem Alltag

In dieser bot ihm das Golfen eine Flucht aus dem tristen Alltag, die seine Gedanken an die Zukunft und auch den nächsten Weg zur Müllhalde für wenige Stunden am Tag in den Hintergrund treten ließ. Jeder Schlag habe sich "einfach gut angefühlt", erinnert sich Day.

Schnell wurde aus der befreienden Freizeitbeschäftigung jedoch mehr. Die Familie zog gar nach Rockhampton um, wo sein Vater einen Job in einer anderen Fleischfabrik angenommen hatte, um den Sohn trotz der fehlenden finanziellen Mittel so gut es ging zu fördern.

Auch für Jason selbst veränderte sich die Bedeutung. "Ich habe das Spiel von Anfang an geliebt, auch wenn ich gewissermaßen ein bisschen zu meinem Glück gezwungen wurde", erklärt Day. Sein Vater habe ihn im Alter von sechs Jahren in einen kleinen Golf-Klub gebracht und ihm die Grundlagen des Spiels gelehrt, erinnert sich Day. "Ich war dort, wann immer meine Schule vorbei war und bis es dunkel wurde. Es war das, was ich jeden Tag gemacht habe", so der Junge aus Queensland.

Er wollte mehr. "Ich wurde infiziert. Ich wurde Abhängig vom Prozess der Verbesserung." In einem einfachen Holzregal im größten Raum des Hauses reihte sich deshalb bald eine Trophäe an die nächste. Dem Schicksal war all das und die Momente auf dem Platz jedoch egal.

Überfordert von der Freiheit

"Im Jahr 1999 wurde Jasons Vater sehr krank", erinnerte sich seine Mutter, Dening Day, die nach ihrer Ausbildung auf der Suche nach einem besseren Leben von den Philippinen nach Australien gezogen war und ihren Mann über dessen briefliches Gesuch nach einer Frau kennengelernt hatte. "Alles hat sich verändert."

Bei Alvyn, der bereits drei Töchter und einen Sohn aus zwei früheren Ehen hatte und Zeit seines Lebens zu Alkoholkonsum neigte sowie Raucher war, wurde eine Krebserkrankung im Magenraum diagnostiziert. Eine Chance im Kampf gegen die Krankheit hatte er nicht.

Das Band, welches zwischen Jason und seinem Vater bestand, obwohl dieser seine Kinder regelmäßig auch im nüchternen Zustand mit Gürtelschlägen maßregelte und seinen Sohn mit den geschlossenen Fäusten verprügelte, wenn dieser auf dem Platz nicht den Ansprüchen genügte, wurde zerrissen. Zwar erlangten alle Familienmitglieder nach dem Tod des zur Tyrannei neigenden Oberhauptes eine nie gekannte Freiheit. Die Folgen waren erschreckend.

Die führende Hand fehlte plötzlich. Jasons Schwester riss aus, lebte Jahre auf der Straße, auch er selbst wurde durch die für ihn unbekannte Freiheit überfordert. Er sei "verloren gewesen", blickte seine Mutter gegenüber dem RBC Golf Channel zurück. "Alvyns Tod hat ihn komplett aus der Bahn geworfen. Das war die Zeit, in der er anfing zu trinken. Er wurde abhängig." Der Alkohol sorgte dafür, dass Day in Probleme geriet. Schlägereien waren keine Seltenheit. Aus Hoffnung wurde Resignation und letztlich Verzweiflung.

Es war ein Wandel, den Dening nicht akzeptieren konnte. "Als mein Mann starb, hatten wir nur sehr wenig Geld. Ich musste eine Entscheidung treffen", erklärte sie. Es sei sehr schwer gewesen, zu sehen, wie ihr Sohn das von Gott gegebene Talent einfach weggeworfen habe, sagte Dening. Nach einigem Zögern trat sie deshalb einen schweren Gang an.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema