Aber wie lange ist der DHB eigentlich in Schweden dabei? Diese Frage kann Gensheimer zwar auch nicht beantworten. Dafür erklärt er im SPOX-Interview, wie er die Nichtnominierung von Torsten Jansen aufgenommen hat, woher sein besonderes Verhältnis zu den Rhein-Neckar Löwen kommt und warum ihn Freunde und Familie lieber aus der Entfernung anfeuern.
SPOX: Herr Gensheimer, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch: Sie stehen bei der WM 2011 in Schweden im deutschen Kader.
Uwe Gensheimer: Danke schön.
SPOX: Aber mal ehrlich: Hatten Sie jemals Zweifel, ob es mit einer Nominierung klappen würde?
Gensheimer: Ich habe ja eigentlich sehr gute Leistungen gezeigt, sowohl für die Rhein-Neckar Löwen als auch bei meinen vergangenen Spielen in der Nationalmannschaft. Natürlich ist man immer abhängig davon, was der Trainer über einen denkt und wie er sich die Mannschaft vorstellt. Aber ich war doch recht zuversichtlich.
SPOX: Hat Ihnen Heiner Brand denn das Gefühl vermittelt, dass es einen offenen Dreikampf zwischen Ihnen, Torsten Jansen und Dominik Klein gibt?
Gensheimer: Er hat zwar nichts gesagt, das wäre ja auch unfair gewesen. Dennoch konnte man in den letzten Tagen zwischen den Zeilen lesen und schon erkennen, dass ich dabei sein werde.
SPOX: Wie haben Sie die Nachricht, dass Toto Jansen nicht dabei ist, aufgenommen?
Gensheimer: Das ist natürlich ein Mann, dem Deutschland und die Nationalmannschaft viel zu verdanken haben. Das persönliche Verhältnis zwischen Toto, Dominik Klein und mir ist sehr gut. Wir haben uns im Training auch nicht bekämpft, sondern versucht, uns auf unsere Leistung zu konzentrieren. Die Entscheidung war sicher auch für den Trainer nicht einfach - das hat man ihm angemerkt. Die letztlich ausschlaggebenden Gründe kenne ich aber nicht. Ich und Dominik können jetzt nur versuchen, das Vertrauen des Trainers zu rechtfertigen.
SPOX: Könnte einem relativ jungen Spieler wie Ihnen die Erfahrung eines Torsten Jansen weiterhelfen? Oder sind Sie und Klein als champions-league-erprobte Spieler selbst abgezockt genug?
Gensheimer: Naja, wenn ich auf der Platte stehe, dann kann ich auf Totos Erfahrung leider nicht zurückgreifen (lacht). Abseits des Spielfeldes wäre er sicher ein guter Ansprechpartner gewesen, was zum Beispiel die Vorbereitung auf den Gegner angeht. Davon abgesehen komme ich aber auch so klar.
SPOX: Sie haben in der Liga 132 Tore gemacht und sind mit Abstand der beste Deutsche. Wie gehen Sie mental damit um, dass Sie im Grunde so etwas wie der Hoffnungsträger sind?
Gensheimer: Sehr gut (lacht). Ich möchte natürlich zeigen, was ich kann und mich der Verantwortung wie bei den Rhein-Neckar Löwen stellen. Es ist ja nach der EM 2010 mein zweites großes Turnier - ein absoluter Frischling bin ich also nicht.
SPOX: In der Vorbereitung auf die WM gab es im DHB-Team Licht und Schatten. Woran hapert es noch?
Gensheimer: Grundsätzlich muss man sagen, dass es im Handball nicht mehr drei, vier Mannschaften gibt, die einen Turniersieg immer unter sich ausmachen. Frankreich ist da die einzige echte Ausnahme. Bei der EM letztes Jahr hat man zum Beispiel gemerkt, wie schlecht wir auch gegen schwächere Mannschaften aussehen, wenn wir nicht optimal spielen. Aber auch, wie knapp es gegen Polen oder Frankreich ist, wenn wir unsere Leistung bringen. Da gaben Kleinigkeiten den Ausschlag. So wird es jetzt auch wieder sein. In unserer Gruppe, die sicher die schwerste Vorrunden-Aufgabe ist, kann alles passieren. Wir können weit vorne landen, aber wenn wir nicht alles raushauen, dann ist ein Ausscheiden in der Vorrunde nicht auszuschließen. Positiv stimmt mich, wie gut zum Beispiel im Test gegen Schweden die 5:1-Verteidigung geklappt hat. Uns fehlt aber noch etwas die Konstanz und die Konzentration über das ganze Spiel. Das wiederum haben wir gegen Island gemerkt.
SPOX: Dem entnehme ich, dass Sie kein grundsätzliches Problem im deutschen Handball sehen, was zum Beispiel die Jugendarbeit angeht. Heiner Brand spricht dieses Thema immer wieder an.
Gensheimer: Um die Jugendarbeit geht es dabei weniger. Die Leistungen der Junioren-Nationalmannschaften sind ja gut. Das Problem ist, dass es gute Nachwuchsspieler schwer haben, in der Bundesliga Spielzeit zu bekommen. Das ist eine schwierige Situation, wenn man die beste Liga der Welt hat und weiter haben will. Da ist der Druck auf den Vereinen, sofort erfolgreich zu sein, natürlich größer als in anderen Ligen, in denen den Jugendspielern nicht die besten Ausländer Konkurrenz machen. So etwas kann unter Umständen auch die Nationalmannschaft zu spüren bekommen.
SPOX: Sie sind ein Paradebeispiel für ein Nachwuchstalent, das von seinem Klub die Chance bekommen hat. Fühlen Sie sich den Löwen auch deshalb so verbunden?
Gensheimer: Ich glaube, dass ich das Vertrauen schon in meinen jungen Jahren zurück gezahlt habe. Sicher war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Aber ich habe eigentlich immer meine Leistung gebracht, insofern muss ich niemandem besonders dankbar sein. Ich habe mir die Chance verdient.
SPOX: Was waren dann die Gründe, warum Sie Ihren Vertrag langfristig verlängert haben?
Gensheimer: Ich bin in Mannheim geboren und aufgewachsen und genieße das Privileg, in meinem Geburtsort auf allerhöchstem Niveau Handball spielen zu können. Da bleibt es nicht aus, dass ich in gewisser Weise eine Identifikationsfigur bin, zumal ich seit 2003 und damit von allen Spielern am längsten im Verein bin. Ohne übertreiben zu wollen: Ich weiß, dass es Leute gibt, die wegen mir in die Halle kommen. Das macht einfach Spaß. Dass sich außerdem meine sportlichen Ziele mit denen des Vereins decken und wir gemeinsam Titel gewinnen wollen, passt natürlich perfekt.
SPOX: Ist es für Ihre sportliche Leistung wichtig, Freunde und Familie in der Nähe zu haben?
Gensheimer: Nicht unbedingt. Bis jetzt war es zwar immer so, aber es würde bestimmt auch anders gehen. Wenn ich mir den letzten Monat anschaue, habe ich es aber sicher einfacher, Weihnachten mit der Familie zu verbringen, als mancher ausländischer Spieler, der sich erst ins Flugzeug setzen muss.
SPOX: Haben Sie in Schweden Unterstützung aus dem privaten Umfeld dabei?
Gensheimer: Nein, das tut sich keiner an. Die verfolgen das alle am Fernsehen. Es wäre auch gar nicht so einfach, Kontakt mit ihnen zu pflegen. Als Spieler pendelt man eigentlich nur zwischen Hotel und Halle hin und her und hat wenig Zeit und vor allem keinen Kopf für andere Dinge.
SPOX: Sind Sie denn auch ohne familiären Beistand zuversichtlich, dass Sie und das Team die Vorrunde überstehen werden?
Gensheimer: So weit schauen wir noch nicht. Wir wollen jedes Spiel für sich sehen und uns immer nur auf den nächsten Gegner konzentrieren. Damit fahren wir, glaube ich, am besten. Im ersten Schritt zählt nur Ägypten (Freitag, 18 Uhr im LIVE-TICKER), unser erster Gegner am Freitag.
SPOX: Was haben Sie eigentlich gedacht, als Sie die Auslosung gesehen haben? Können Sie der harten Gruppe irgendetwas Positives abgewinnen?
Gensheimer: Da bleibe ich ganz sachlich. Man kann es sich eh nicht aussuchen und muss es nehmen, wie es kommt. Ich spiele mein Spiel, und ob das nun ein schwerer Gegner ist oder nicht, das beschäftigt mich wenig. Wir wollen sowieso jede Partie gewinnen.
SPOX: Ich gebe zu, mein erster Gedanke beim Anschauen des Gruppen-Spielplans war: Bei der Reihenfolge geht was.
Gensheimer: Es wird sicher wichtig für uns, dass wir erfolgreich ins Turnier kommen. Insofern könnte es tatsächlich gut sein, dass wir zunächst auf Ägypten und Bahrain, die vermeintlich schwächsten Gegner, treffen. Wenn wir uns da Selbstvertrauen und Sicherheit holen, kann das für die Spiele gegen Spanien, Frankreich und zuletzt Tunesien nur von Vorteil sein.
SPOX: Und wenn es am Ende nicht mit dem Weltmeistertitel klappen sollte: Wer macht stattdessen das Rennen?
Gensheimer: Mein absolut gewagter Tipp: Frankreich!