Martin Heuberger wird sich auf den ersten Blick womöglich wie ein Zwerg vorkommen, der in die Fußstapfen von Bigfoot tritt. Der 46-Jährige löst keinen Geringeren als Heiner Brand als Bundestrainer ab. Jenen Heiner Brand, der das Gesicht des deutschen Handballs ist. Jenen Heiner Brand, der sich mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2007 im eigenen Land unsterblich gemacht hat.
Wahrlich keine leichte Aufgabe. Aber Heuberger muss es nicht bange sein, denn jeder andere Trainer würde es genauso schwer haben. Und die Tatsache, dass die vergangenen Jahre nun wahrlich nicht glorreich für das DHB-Team verliefen, wird ihm den Start auch erleichtern.
Völlig unabhängig davon, dass Heuberger selbst mit dabei war: Die Messlatte hängt aktuell nicht mehr ganz so hoch. Außerdem übernimmt der 164-malige Bundesligaspieler ja nicht zufällig das wichtigste Amt im deutschen Handball. Nein, Heuberger ist nicht irgendwer, er hat bereits eine beachtliche Karriere hingelegt.
Große Erfolge als Jugendcoach
"Er ist wohl einer der erfolgreichsten Jugendtrainer im Sport überhaupt", sagt der frühere Bundestrainer der Männer und Frauen, Armin Emrich, im Gespräch mit SPOX. Als Trainer machte Heuberger den DHB-Nachwuchs 2006 zum Europameister, 2009 stand dann sogar der WM-Titel zu Buche. Von etlichen zweiten und dritten Plätzen ganz zu schweigen.
Dennoch erweckte die Laufbahn des Bauzeichners und Diplom-Verwaltungswirts außerhalb der Handball-Szene bisher wenig Aufmerksamkeit. Heuberger stand meist im Schatten des Schnauzers. Auch deshalb, weil es dem früheren Kreisläufer schlichtweg zuwider ist, sich in den Mittelpunkt zu drängen.
"Ich brauche das Rampenlicht nicht", sagt Heuberger klipp und klar. Der 23-malige Nationalspieler sieht das Theater, das der Leistungssport so mit sich bringt, distanziert: "Das Geschäft ist schwieriger geworden. Das Geld. Der Druck." Dennoch ist es ihm natürlich "eine Ehre", dass man ihn als Bundestrainer auserkoren hat.
"Er hat unheimlich viel Energie"
Dass er es fachlich drauf hat, daran gibt es kaum Zweifel. "Was Martin macht, hat Hand und Fuß. Er ist konsequent, hat unheimlich viel Energie. Dass er Bundestrainer wird, ist für mich die logische Konsequenz", sagt Emrich. Der 61-Jährige kennt Heuberger genau. Er hat ihn einst beim TuS Schutterwald als Coach aus dem Tor geholt und zum Feldspieler gemacht.
Und auch Brand macht keinen Hehl daraus, dass Heuberger, der bei den Spielern vor allem wegen seiner ruhigen, aber klaren Ansprache großes Ansehen genießt, genau der richtige Mann für den Posten des Bundestrainers ist: "Er hat großen Handball-Sachverstand, wie er das Spiel sieht, wie er die Personen auf dem Spielfeld analysiert. Ich denke, er hat alle Voraussetzungen, die man haben muss."
Heuberger, der bis 2014 unterschrieben hat, wird neben den fachlichen Qualitäten jede Menge Leidenschaft einbringen. Er hat den Handball nie nur als Geschäft verstanden. "Ich war nie ein Profi", sagte er einmal. Erst 2001 legte er seinen Job beim Landratsamt für Umweltschutz auf Eis und begann, beim DHB als hauptamtlicher Trainer zu arbeiten.
Nur Handball im Kopf
Sein Ehrgeiz entwickelte sich also aus der puren Liebe zum Handball, nicht des Geldes wegen. Dieser Sport ist sein "zentraler Lebensinhalt", erklärt Brand. Fragt man alte Handball-Weggefährten nach Heubergers Hobbys, erntet man meist nur ein Achselzucken. Sein früherer Jugendcoach Arnulf Meffle bringt es auf den Punkt: "Martin hat immer nur Handball im Kopf gehabt. Ich wüsste gar nicht, was er nebenbei noch macht oder gemacht hat."
Fakt ist: Wenn Heuberger mal in der Heimat weilt, dann dauert es nicht lange, bis er in der Halle des TuS Schutterwald auftaucht. Dort gibt er jungen Spielern Tipps, oder er sieht seinen beiden Söhnen zu, die in der ersten Mannschaft des Traditionsvereins in der Südbadenliga spielen.
Die Liebe zum Handball-Sport entdeckte Heuberger eben dort in Schutterwald, einer 7000-Seelen-Gemeinde am Rande des Schwarzwaldes. Hier nennen ihn alle nur den Bott, den Boten. Der Spitzname kommt von Heubergers Urgroßvater, der in Schutterwald Briefträger war und mit einer großen Klingel die Post ankündigte.
Brand-Rücktritt wegen Heuberger
In dieser idyllischen Gegend konnte sich Heuberger entfalten. Bereits im Alter von 30 Jahren übernahm er seinen Heimatverein in einer kritischen Situation in der Zweiten Liga. Nur gut ein Jahr später spielte Schutterwald plötzlich in der Bundesliga.
Damals hat sich der 1,93-Meter-Mann gegenüber seinem späteren Chef Brand noch nicht loyal verhalten. Ganz im Gegenteil: Heubergers Schutterwald warf den von Brand trainierten VfL Gummersbach überraschend aus dem DHB-Pokal, woraufhin dieser völlig entnervt zurücktrat und kurze Zeit später zum DHB wechselte.
Brand wurde später bekanntlich Bundestrainer, Heuberger sein Assistent. Eine Rolle, die wie für ihn geschaffen war. Er stand nicht unmittelbar im Rampenlicht, der Druck der Medien lastete ausschließlich auf Brand. Dennoch konnte Heuberger aktiv mitgestalten. Ob im Training mit gestandenen Profis wie Pascal Hens und Markus Baur, oder als Jugendtrainer mit den Stars von morgen.
Teamgeist hat oberste Priorität
Heuberger begreift sich als Teil des Ganzen, egal ob als Bundestrainer oder als Assistent des Bundestrainers: "Für mich ist es wichtig, Teil des Teams zu sein, aktiv etwas für den Erfolg beitragen zu können." Emrich verdeutlicht dies noch einmal: "Der Martin lebt Teamgeist mit Leib und Seele."
Wie aber schafft er nun den Schritt vom zurückhaltenden Bott, der gern in der zweiten Reihe arbeitet, zum Bundestrainer? Ein Amt, das ihn unweigerlich in den Mittelpunkt stellen wird. "Er muss sich in die Rolle des Bundestrainers natürlich erst hineinfinden. Aber das traue ich ihm absolut zu", sagt Emrich. Großartig ändern wird sich Heuberger aber nicht, ist sich Emrich sicher: "Er wird authentisch bleiben."
Eine fruchtbare Zusammenarbeit?
Generell werden sich wohl in der Nationalmannschaft keine grundlegenden Dinge ändern. Heuberger betont zwar, Brand sicher nicht kopieren zu wollen. Er hat aber sehr ähnliche Ansichten wie sein Vorgänger, beide liegen auf einer Wellenlänge. Es könnte weiterhin eine fruchtbare Zusammenarbeit werden.
Brand kann als DHB-Manager darum kämpfen, dass deutschen Talenten der Sprung in die Bundesliga einfacher gemacht wird, Heuberger kann sich derweil um die Nationalmannschaft kümmern. Er stellt schon mal klar: "Heiner wird seine Ideen einbringen, aber letzten Endes hat der neue Bundestrainer die Verantwortung."
Heuberger braucht dazu natürlich einen geeigneten Co-Trainer. Christian Schwarzer soll ein heißer Kandidat sein - und wäre wohl eine gute Lösung. Blacky kennt sich vor den Kameras aus, könnte dem Bundestrainer als eine Art Frontman viele Dinge abnehmen. Und der Bott kann seiner Leidenschaft nachgehen: Mit akribischer Arbeit eine starke Mannschaft formen.