SPOX: Herr Andersson, als großer Fan von Manchester United haben Sie eine Saison zum Vergessen erlebt. Wie sehr haben Sie gelitten?
Mattias Andersson: Natürlich hätte ich mir eine bessere Saison für Manchester United gewünscht. Aber es war klar, dass es nach dem Abgang von Sir Alex sehr schwer werden würde.
SPOX: Wie kommt es eigentlich, dass Sie die Red Devils unterstützen und was halten Sie vom neuen Trainer Louis van Gaal?
Andersson: In meiner Jugend gab es am Samstag um 16 Uhr im Free-TV immer Premier League zu sehen. Zu der Zeit hat mir Manchester United bereits sehr gut gefallen. Ich hoffe nun, dass van Gaal United mit seiner Erfahrung wieder in die richtige Spur bringen kann.
SPOX: Womöglich verbindet Sie sogar etwas ein klein wenig mit van Gaal. Wie der Fußball-Coach sind auch Sie dafür bekannt, nichts dem Zufall zu überlassen. Vor jedem Spiel führen Sie ein Video-Studium über den kommenden Gegner durch. Wie lange dauert so etwas und auf was achten Sie dabei genau?
Andersson: Mit der Video-Analyse beschäftige ich mich ungefähr drei bis vier Stunden - vor jedem Spiel. Es ist schwer das in der Theorie zu erklären, aber ich achte dabei auf sehr viele unterschiedliche Dinge. Unter anderem die Wurfbilder, Bewegungen und Armhaltung der Gegner.
SPOX: Was können Sie davon später im Spiel gebrauchen?
Andersson: Das ist sehr schwer zu sagen, aber ein paar Prozent schon. Manchmal mehr, manchmal allerdings sogar gar nichts. Man muss die richtige Mischung finden zwischen den untersuchten Wurfbildern, dem was man im Spiel sieht und der endgültigen Reaktion. Darin liegt die eigentliche Schwierigkeit.
SPOX: Welche Fähigkeiten unterscheiden einen guten Torhüter von einem Weltklasse-Torhüter?
Andersson: Zum einen genau das, was ich bereits beschrieben habe. Wenn es zum Beispiel nur um das Video-Studium allein ginge, dann würde jeder Torhüter ein solches Studium durchführen. Aber so einfach ist das nicht. Als Weltklasse-Torhüter muss man mental sehr stark sein. Ein gewisses Stück Erfahrung gehört sicherlich auch dazu. Es sind viele Puzzle-Teile, die zusammenpassen müssen, um als Torhüter Spitzenleistungen erbringen zu können.
SPOX: Sie arbeiten außerdem seit einigen Jahren mit einem Mentaltrainer zusammen. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus und was bringt es Ihnen?
Andersson: Vor allem bringt es mir etwas, wenn es um meinen gesamten mentalen Zustand geht. Ich bin ein Kopfmensch und denke und überlege viel zu viel. Genauso auch während eines Spiels. Es hat mir geholfen, insgesamt ruhiger zu werden, einen kassierten Ball schnellstmöglich wieder zu vergessen und selbstsicherer zu werden.
SPOX: Sie gelten nicht gerade als Lautsprecher, auf der Platte können sie aber durchaus emotional werden. Muss man als Torhüter auch mal lauter werden, um seine Vorderleute optimal zu dirigieren?
Andersson: Ich lasse lieber meine Leistung sprechen als laut zu werden. Aber auf dem Spielfeld muss man natürlich Emotionen zeigen und in gewissen Situationen auch mal etwas lauter werden. Neben dem Spielfeld und vor allem mit der Familie bin ich aber eher der ruhige Typ.
SPOX: Sie sagen selbst, dass Sie in Kiel viel von Noka Serdarusic gelernt haben, in Großwallstadt auch einiges von Michael Biegler. Ihr jetziger Trainer Ljubomir Vranjes ist nur vier Jahre älter als Sie. Lernen Sie dennoch auch noch etwas von ihm?
Andersson: Man kann und soll von jedem Trainer etwas lernen. Ljubo ist taktisch sehr gereift und bereitet sich und uns als Mannschaft extrem gut auf die Spiele vor. Es hilft mir natürlich auch als Torhüter, wenn ich weiß, was abgesprochen ist und wie wir uns genau einstellen werden.
SPOX: Kommen wir zur Champions League. Am Samstag steigt der Halbfinal-Knaller gegen Barcelona, wo auch Sie 2001 kurzzeitig gespielt haben. Gibt es noch Verbindungen nach Spanien?
Andersson: Ich liebe die Stadt Barcelona und es gibt durchaus noch ein paar Verbindungen und Kontakte. Xavier O'Callaghan und Eric Masip sind noch im Verein, mit den beiden habe ich damals bereits zusammen gespielt und auch Nikola Karabatic kenne ich von meiner Zeit beim THW Kiel.
SPOX: Ist der Mythos FC Barcelona im Handball ähnlich zu spüren wie beim Fußball?
Andersson: Generell denke ich, dass der Mythos um den FC Barcelona im Fußball immer noch größer ist als beim Handball. Auch, weil die spanische Liga die letzten Jahre etwas abgebaut hat.
SPOX: Wer ist im Halbfinale der Favorit: Flensburg oder Barcelona?
Andersson: Barcelona ist aufgrund des Kaders natürlich der klare Favorit. Die Mannschaft hat auf fast jeder Position zwei Weltklassespieler und bisher insgesamt eine sehr erfolgreiche Saison gespielt.
SPOX: Wie muss Flensburg spielen, um trotzdem eine Chance zu haben?
Andersson: Wir müssen sehr clever sein, müssen unsere Stärken ausnutzen und dürfen nicht zulassen, dass Barcelona seine erste und zweite Welle ausspielen darf.
SPOX: Im zweiten Halbfinale treffen Veszprem und Kiel aufeinander. Wer ist denn generell der Favorit beim Final Four?
Andersson: Das ist extrem schwer zu sagen. Aber wenn man den jeweiligen Kader und die etwas geringere Anzahl an harten Spielen in ihren Ligen betrachtet, sehe ich Barcelona und Veszprem als die beiden Favoriten in Köln.
SPOX: Träumen ist dennoch erlaubt. Sie haben die Champions League schon einmal gewonnen - 2007 mit Kiel. Welche Bedeutung hat so ein Triumph?
Andersson: Es ist natürlich etwas ganz besonderes, die Champions League zu gewinnen. Es sind so viele gute Mannschaften und Spieler dabei, dass es eine besondere Bedeutung für jeden Verein hat.
SPOX: In der HBL wurde Flensburg Dritter, das Pokal-Finale ging knapp gegen Berlin verloren. Wäre die Saison auch ohne Titel letztlich ein großer Erfolg, oder würde dann etwas fehlen?
Andersson: Ich will selbstverständlich immer Titel und Spiele gewinnen, will mich dabei aber auch entwickeln. Die gleiche Zielsetzung gilt für die gesamte Mannschaft. Die Pokal-Final-Niederlage sitzt natürlich sehr tief, darüber habe ich mich sehr geärgert. Ich finde aber, dass wir insgesamt eine gute Saison gespielt haben, auch wenn immer noch etwas gefehlt hat, um einen Titel zu gewinnen.
SPOX: Sie haben Ihren Vertrag bis 2015 verlängert. Ihr Motto lautet: "Die Leute müssen sagen: Schade, dass er aufgehört hat. Und nicht: Gut, dass er weg ist." Schauen Sie also nur noch von Jahr zu Jahr?
Andersson: Ich bin auch nicht mehr der Jüngste, also schaue ich mehr oder weniger von Jahr zu Jahr. Es soll immer noch Spaß machen, die Motivation soll da sein und der Körper soll mitspielen.
SPOX: Ist es möglich, dass Sie nach Ihrer Zeit in Flensburg noch bei einem anderen Verein - beispielsweise in Schweden - spielen?
Andersson: Es ist alles möglich. Ich bin dem Handball mittlerweile so lange verbunden, habe so viel erlebt. Da weiß ich, dass man niemals Nie sagen sollte.
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