"Kretzsche ist herzlich eingeladen"

Florian Regelmann
22. Juli 201415:56
Bob Hanning (r.) ist DHB-Vize und Manager der Füchse Berlingetty
Werbung

WM-Qualifikation verpasst, Bundestrainer-Suche, WM-Wildcard bekommen - Bob Hanning erlebt aktuell eine bewegte Zeit. Der Manager der Füchse Berlin und der für den Bereich Leistungssport verantwortliche DHB-Vizepräsident spricht im SPOX-Interview über das unverhoffte Ticket nach Katar und regt sich über die deutsche Gesellschaft auf. Außerdem: Was kann der Handball vom Fußball lernen? Was hält er von einer Zusammenarbeit mit Stefan Kretzschmar? Wieso gratuliert er dem THW Kiel? Warum ist er schockiert? Die Antworten.

SPOX: Herr Hanning, Deutschland ist aus dem Nichts plötzlich doch bei der WM 2015 dabei. Was bedeutet das für den deutschen Handball?

Bob Hanning: Wir freuen uns, über den zweiten Bildungsweg dabei sein zu dürfen. Auf dem Weg zur WM 2019 im eigenen Land ist diese Entscheidung des IHF-Rates sicherlich sehr hilfreich für uns.

SPOX: Man kann es auch durchaus kritisch sehen. Eine Mannschaft, die sich sportlich nicht qualifiziert hat, die salopp formuliert dann auch bei der WM eigentlich nichts zu suchen hat, ist jetzt doch dabei. Auch einige Experten haben sich kritisch geäußert. Können Sie das nachvollziehen?

Hanning: Wir haben uns durch das gute Abschneiden bei der WM 2013 den ersten Nachrückplatz verdient. Deutschland ist nicht der erste Nachrücker in der Geschichte des Sports. Es entspricht aber unserer Gesellschaft, immer wieder das Negative herauszustellen - eigentlich unfassbar. Wir werden alles daran setzen, eine gute WM zu spielen.

SPOX: Im Handball liegt bekanntermaßen alles sehr eng zusammen. Sind Sie davon überzeugt, dass das Team bei der WM sogar nicht nur dabei sein, sondern auch eine gute Rolle spielen kann?

Hanning: Wir befinden uns im Umbruch, haben aber dennoch eine Vielzahl erfahrener Spieler mit an Bord. Das Viertelfinale zu erreichen ist für eine deutsche Mannschaft, auch wenn wir auf dem letzten Platz der Setzliste sind, immer ein zu erreichendes Ziel.

SPOX: Wie ist der Stand in Sachen Trainersuche für die Nationalmannschaft? Wäre es nicht von Vorteil gewesen, wenn man viel schneller nach dem Scheitern einen neuen Mann präsentiert hätte, um sofort einen Neuanfang nach außen zu verkaufen?

Hanning: Wir haben uns bei unseren wesentlichen Weichenstellungen die nötige Zeit gelassen. Es geht nicht darum, Medien zu befriedigen, sondern mit Nachhaltigkeit etwas zu entwickeln. Wir haben mit der "AOK" einen neuen Kooperationspartner gefunden und hätten vorher sicherlich eine schlechtere Lösung unterschreiben können. Auch bei der Suche des Generalsekretärs sind wir sehr sorgsam und gewissenhaft mit den Themen umgegangen. Die dritte Schlüsselszene ist sicherlich der Bundestrainer und wir lassen uns von nichts und niemandem unter Druck setzen, der es hinterher nicht zu verantworten hat.

SPOX: Heiner Brand hat einen deutschen Bundestrainer gefordert. Ist es für Sie auch klar, dass es ein Deutscher werden muss?

Hanning: Wir versuchen im Ganzen zu denken und werden uns nicht von Anfang an beschränken. Grundsätzlich kann ich den Ruf nach einem deutschen Trainer durchaus verstehen, aber er ist nicht zwingend.

SPOX: Gibt es im Nachhinein etwas, das Sie sich selbst vorwerfen? Eventuell zu spät reagiert zu haben?

Hanning: Das damalige Präsidium hat an dem Bundestrainer festgehalten und wir haben die Entscheidung mitgetragen, weil wir davon überzeugt waren, dass dies eine richtige Entscheidung war. Nein, wir haben uns hier nichts vorzuwerfen.

SPOX: Wäre es nicht sinnvoll, gerade in der jetzigen Phase dem Handball wieder einen Push zu geben, indem man eine Persönlichkeit wie Stefan Kretzschmar in irgendeiner Funktion einbindet. Was halten Sie konkret davon, sich mit Kretzsche über eine Zusammenarbeit zu unterhalten?

Hanning: Jeder, der mitarbeiten will, kann dies gerne tun - natürlich ist auch ein Stefan Kretzschmar dazu herzlich eingeladen.

SPOX: Handball ist nach Fußball nach wie vor die Sportart, die das Land rocken kann. Millionen schauen sich eine erfolgreiche Nationalmannschaft im TV an, wie ist Ihre Vision bis zur Heim-WM 2019?

Hanning: Wir sind dabei, aus dem Sanierungsfall wieder ein starkes Ganzes zu machen. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat um die Jahrtausendwende herum auch am Boden gelegen. Eine ähnliche Situation haben wir hier auch vorgefunden. Erfolg zu bauen braucht Zeit, Geduld und richtige Entscheidungen. Erfolg kann man nicht herbeireden, sondern man muss sich ihn hart erarbeiten. Wir sind erst am Anfang dieses schmerzlichen Prozesses und ich bin mir sicher, dass wir noch den einen oder anderen Nackenschlag in manchem Bereich erleben werden. Dennoch bin ich zu hundert Prozent davon überzeugt, dass wir durch Konsequenz und Unbeirrbarkeit auf der einen Seite, zuhören und offen sein auf der anderen Seite zu dem sportlichen Erfolg mit Nachhaltigkeit kommen können. Was mich schockiert, ist, dass man manchmal den Eindruck hat, dass persönliche Interessen vor denen des deutschen Handballs stehen und dass es oftmals so ist, dass man den Eindruck hat, dass uns mehr Menschen innerhalb des Handballs Messer in den Rücken schlagen als außerhalb.

Seite 1: Hanning über die WM-Teilnahme und Kretzschmar

Seite 2: Hanning über den Nachwuchs und Kiels Vormachtstellung

SPOX: Wenn Sie sehen, wie der DFB jetzt die Früchte erntet und wie gut man auf Jahre hinaus aufgestellt ist, was kann der Handball vom Fußball lernen?

Hanning: Professionalität, Miteinander und Stringenz, um die Dinge voranzubringen.

SPOX: Wenn man an den Nachwuchs denkt, fallen einem Namen wie Tim Suton oder Paul Drux ein. Es gibt durchaus ein paar Jungs, die zu neuen Stars heranreifen können, ähnlich wie es im Fußball war. Wie optimistisch sind Sie, dass diesen Jungs in einigen Jahren wirklich der große Durchbruch gelingt?

Hanning: Ich bin davon überzeugt, dass wir fünf, sechs Spieler haben, die den deutschen Handball in den nächsten Jahren prägen können, wenn wir sie richtig fördern und fordern. In Berlin werden wir mit Paul Drux und Fabian Wiede zwei Spieler haben, denen wir unser Vertrauen maximal schenken werden, auch wenn durch sie in den nächsten ein bis zwei Jahren mal ein Spiel verloren gehen wird.

SPOX: Abschließend noch zur Bundesliga: Nach dem HSV-Theater wird die nächste Saison mit 19 Mannschaften gespielt. Einerseits wichtig, dass der HSV weiter dabei ist, aber insgesamt auch sehr unglücklich jetzt eine 19er-Liga zu haben, oder?

Hanning: Ja, wirklich keine einfache Situation. Aber auch hier gilt es, sich den Tatsachen zu stellen und das Beste aus der Situation zu machen.

SPOX: Wie sehen Sie denn die Kräfteverhältnisse in der neuen Saison?

Hanning: Fragen Sie mich, wer nach dem THW Kiel Zweiter wird? Der THW Kiel hat wieder einmal extrem viel richtig gemacht und die personellen und strukturellen Schwächen der anderen Klubs ausgenutzt. Sie haben sich mit Thorsten Storm den besten Bundesligamanager geholt und mit Domagoj Duvnjak den besten Handballer. Hierzu muss man ihnen einfach noch mal neidlos gratulieren.

SPOX: Wie geht es mit den Füchsen weiter? Wie realistisch ist es, in den kommenden Jahren wirklich um die Meisterschaft mitspielen zu können? Gerade jemand wie Silvio Heinevetter will natürlich Titel gewinnen.

Hanning: Wir haben Silvio Heinevetter nicht unter falschen Voraussetzungen in Berlin gehalten. Klar ist, dass wir natürlich immer von Titeln träumen, sie aber bei unserer Budgetlage nur schwer realisierbar sind. Dennoch träumen wir wieder vom Final-Four, sowohl im Europapokal als auch im DHB-Pokal, und wollen wieder in der Meisterschaft um die Europapokalplätze mitspielen. Damit wir um die deutsche Meisterschaft spielen, müsste sich wirtschaftlich schon einiges ändern. Bei uns wird es aber keine Meisterschaft auf Pump geben.

Seite 1: Hanning über die WM-Teilnahme und Kretzschmar

Seite 2: Hanning über den Nachwuchs und Kiels Vormachtstellung

Die Abschlusstabelle der letzten HBL-Saison