"Jungs kommen auf Zahnfleisch daher"

Oliver Roggisch wurde 2007 mit dem DHB-Team Weltmeister
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Er wurde 2007 mit Deutschland Weltmeister, nun arbeitet er als Teammanager für den DHB: Oliver Roggisch. Vor dem EM-Auftaktspiel gegen Spanien (Sa., ab 18.30 Uhr im LIVETICKER) spricht der 37-Jährige über die Schlüssel zum Erfolg in Polen, das Innenleben der Mannschaft und seinen Vorschlag zur Reduzierung der Belastung für Topspieler. Zudem verrät The Rogg, warum Dagur Sigurdsson trotz des Verletzungspechs nicht zum Jammerlappen mutiert.

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SPOX: Herr Roggisch, wie schwer tun Sie sich so kurz vor einem großen Turnier heute noch mit der Tatsache, nicht mehr selbst auf der Platte mitmischen zu können?

Oliver Roggisch: Manchmal würde ich schon noch gerne selbst auf das Feld stürmen. Ich bezweifle aber, ob ich aktuell noch eine wirkliche Hilfe wäre. (lacht) Ernsthaft: Ich fühle mich in meiner Rolle wohl, halte dem Bundestrainer den Rücken frei, kümmere mich um Medien- und Sponsorenarbeit und bin nach wie vor eng an der Mannschaft dran. Ich habe Freude an meiner Aufgabe.

SPOX: Drei Spiele, zwei Siege, eine Niederlage: So lautet die Bilanz des DHB-Teams aus den letzten drei EM-Tests gegen Island und Tunesien. Was läuft gut, was muss besser werden?

Roggisch: Die Rückraum-Achse hat in den ersten beiden Testspielen gut funktioniert, wir waren im Angriff sehr flexibel. In der letzten Partie gegen Island hat es hier und da gehapert. Wir müssen dahin kommen, dass wir konstant eine hohe Effektivität im Angriff haben, so ähnlich wie wir es gegen Tunesien geschafft haben. Aber da spielt der Gegner natürlich auch eine Rolle. Unter dem Strich würde ich sagen, dass wir viele positive Dinge gesehen haben. Allerdings müssen wir noch an der Abwehr und dem Zusammenspiel mit den Torhütern arbeiten. Da waren wir teilweise nicht aggressiv genug. Wir haben definitiv noch Steigerungspotenzial.

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SPOX: Was meinen Sie mit nicht aggressiv genug?

Roggisch: Man muss einfach den einen Schritt mehr in den Gegner hinein machen. Das tut manchmal weh, aber es hilft nichts. Jeder Freiwurf ist positiv für uns, die Fans wollen Leidenschaft und Kampf sehen. Das müssen die Jungs verstehen und das wurde auch bereits nach dem Spiel gegen Tunesien angesprochen. Gegen Island funktionierte es teilweise schon gut.

SPOX: Uwe Gensheimer, Patrick Groetzki, Patrick Wiencek und Paul Drux fehlen verletzt. Trotzdem hat Bundestrainer Dagur Sigurdsson nicht ein einziges Mal gejammert. Geht es ihm dabei vor allem darum, an die nachgerückten Spieler ein Signal zu senden, dass sie sein volles Vertrauen genießen?

Roggisch: Das ist ein Teil davon, ja. Dagur vertraut jedem Spieler, den er mitgenommen hat. Aber er jammert auch aus zwei weiteren Gründen nicht. Einmal weil er weiß, dass er aus der besten Liga der Welt Spieler auswählen kann. Wir haben mittlerweile eine richtig gute Breite an Spielern, die das Potenzial für die Nationalmannschaft besitzen. Und zweitens, weil es einfach keinen Sinn macht, sich mit Dingen zu beschäftigen, die man nicht ändern kann. Dagur hat die Verletzungen ganz am Anfang mal angesprochen und dann einen Haken dran gemacht.

SPOX: Verständlich. Trotzdem lässt sich die verloren gegangene Qualität durch die Ausfälle nicht wegdiskutieren. Über Gensheimers sportliche Fähigkeiten müssen wir nicht reden, was aber bedeutet der Ausfall des Kapitäns für das Teamgefüge?

Roggisch: Uwe ist in allen Belangen nicht so einfach zu ersetzen, gar keine Frage. Aber wir haben mit Steffen Weinhold, der ja zuvor schon Co-Kapitän war und ein absoluter Führungsspieler ist, den bestmöglichen Ersatz, was das Mannschaftsgefüge angeht. Steffen hat eine riesige Akzeptanz innerhalb der Mannschaft und versteht sich sehr gut mit Dagur. Deshalb sage ich: Der Ausfall von Uwe sollte sportlich und menschlich über ein Turnier hinweg zu kompensieren sein. Auch wenn es schwierig ist.

SPOX: Glauben Sie das ernsthaft?

Roggisch: Es ist das gleiche Thema wie vorhin. Er ist nicht dabei, wir können es nicht ändern. Deshalb müssen jetzt die anderen Jungs in die Bresche springen - und das traue ich ihnen absolut zu. Es hilft doch niemandem, wenn wir sagen würden, dass durch Uwes Ausfall alles keinen Sinn mehr macht. Dann könnten wir gleich zu Hause bleiben und es entspräche auch nicht den Tatsachen. Jeder einzelne Spieler bekommt nun mehr Verantwortung und es wird interessant sein zu sehen, wie schnell das klappt.

SPOX: Gilt das auch für Sie als Teammanager? Werden Sie mit der Erfahrung aus über 200 Länderspielen jetzt noch mehr mit den jungen Spielern sprechen als Sie das ohnehin schon tun?

Roggisch: Natürlich will ich meinen Teil beitragen. Aber erstens ist unser Trainer-Team hervorragend ausgebildet und zweitens haben wir nach wie vor genügend Leute in der Mannschaft, die Erfahrungen vorzuweisen haben. Die Jungs spielen alle bei Bundesligavereinen, in denen eine spitzenmäßige Arbeit geleistet wird. Man muss jetzt nicht so tun, als müssten wir irgendeinem das Handballspielen beibringen oder ihm großartig sagen, wie er mit der Situation umzugehen hat. Ob du für Wetzlar oder die Nationalmannschaft spielst, macht gar keinen so großen Unterschied. Du musst in der HBL in jedem Spiel Gas geben, das ist bei einer EM nicht anders. Gut, bei einer EM erklingt zunächst die Hymne, was es besonders macht. Aber nach dem Anpfiff musst du ganz normalen Handball spielen. Wenn man das verstanden hat, klappt es auch.

SPOX: Es ist eine Binsenweisheit, dass bei einem Turnier nur mit einer richtigen Mannschaft Erfolg möglich ist. Trotzdem heben alle die gute Stimmung im DHB-Team heraus. Wie macht sich das bemerkbar?

Roggisch: Die Stimmung ist tatsächlich überragend, es hat sich bereits ein außergewöhnlich guter Zusammenhalt entwickelt. Damit alleine wirst du aber nicht viel reißen. Was daneben unglaublich wichtig ist, ist die Fokussierung auf die Situation. Und man merkt schon seit Tagen, wie sehr jeder einzelne Spieler Bock auf diese EM hat, wie sehr man mit den Gedanken beim anstehenden Turnier ist. Beim gemeinsamen Essen ist es nicht mehr ganz so laut, es werden nicht mehr so viele Witze gerissen. Im Training geht es richtig zur Sache. Das sind alles positive Signale. Gleichzeitig kommt der Spaß nicht zu kurz.

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