Die Einführung der Shotclock, Playoffs, die radikale Einkürzung des Champions-League-Spielplans oder das Aus des Unentschiedens: Der Handball hat noch viel Potential, um seine Attraktivität zu steigern und gleichzeitig die Belastung seiner Superstars zu verkleinern. Im SPOX-Wunschkonzert gibt es Vorschläge - und dazu teils ganz unterschiedliche Meinungen von Weltmeister Henning Fritz und Welthandballer Daniel Stephan.
Verkleinerung der HBL und Playoffs
In Städtchen wie Balingen, wo seit Jahren mit begrenzten Mitteln Herausragendes geleistet wird, erntet man mit diesem Vorschlag nicht mehr als ein Kopfschütteln. Verständlich! Aber es hilft ja nichts: Um den Handball auch für nicht Hardcore-Fans attraktiver zu machen, ist eine Verkleinerung der Liga wahrscheinlich der einzige Weg.
Um die Belastung der Spieler zu verkleinern und gleichzeitig mehr Spannung zu erzeugen, schweben mir 14 statt bisher 18 Teams in der höchsten Spielklasse vor. Macht in der Hauptrunde 26 Partien und damit acht weniger als bisher.
Mein frommer Wunsch: Die gleichzeitige Einführung von Playoffs. Das könnte folgendermaßen aussehen. Platz 1 bis 6 sind direkt für das Viertelfinale qualifiziert. Die Mannschaften von Rang 7 bis 10 - in aller Regel ohnehin Teams, die nicht wirklich international gefordert sind - spielen Pre-Playoffs im Modus Best-of-three.
Anschließend geht es in diesem Modus weiter. Blickt man auf die aktuelle Tabelle, hätte man bei normalem Verlauf in dieser Saison ein Best-of-three-Halbfinale zwischen Kiel und Flensburg. Danach vielleicht zwei bis drei Final-Spiele zwischen den Löwen und Kiel. Das wären absolute Kracher, die sich auch der "normale" Sport-Fan zumindest teilweise im TV reinziehen würde.
Und im Tabellenkeller? Die letzten beiden Teams steigen direkt ab, die ersten beiden der nun attraktiveren zweiten Liga entsprechend auf. Platz 11 und 12 aus der HBL spielt mit Rang 3 und 4 aus dem Unterhaus in einer Vierergruppe mit Hin- und Rückspiel die letzten beiden HBL-Teilnehmer für die folgende Saison aus.
Rechnen wir zusammen: Topteams wie Kiel, Flensburg oder die Löwen, für die die Belastung am höchsten ist, würden damit höchstens 35 Spiele pro Saison absolvieren. 35? Hä? Das ist ja womöglich ein Spiel mehr als bisher. Stimmt. Deshalb sind weitere Änderungen notwendig.
Das sagt Daniel Stephan: Von Playoffs halte ich im Handball gar nichts, auch wenn sie reizvoll für Fans und Fernsehen sind. Aber ich bin in diesem Punkt Traditionalist und sehe die Sache aus Sicht des Sportlers. Für mich ist derjenige der verdiente deutsche Meister, der über 34. Spieltage hinweg seine Leistung bringt. Eine Verkleinerung der Liga könnte ich mir zu Gunsten der Spieler trotzdem vorstellen. Allerdings nicht auf 14, sondern auf 16 Mannschaften. Gerade in Deutschland besteht die Gefahr, dass die Topspieler lieber nach Spanien oder Frankreich gehen, wo sie gutes Geld verdienen und gleichzeitig nicht so körperlich beansprucht werden.
Das sagt Henning Fritz: Es geht grundsätzlich darum, unsere Sportart attraktiv zu halten und neue Zuschauer zu gewinnen. Deshalb bin ich schon der Meinung, dass man über Playoffs zumindest nachdenken sollte. Die Highlight-Spiele, die zwangsläufig vermehrt zustande kommen würden, sind das, was auch das Fernsehen interessiert. Darüber hinaus hätten Vereine die Möglichkeit, auch mal während der Saison einen Spieler zu schonen. Genauso sollte man darüber nachdenken, ob eine Verkleinerung der Liga Sinn ergibt, zumal die Belastung für die absoluten Topspieler, die ja jeder sehen möchte, einfach riesig ist. Aber man muss, bevor man etwas ändert, Für und Wider ganz genau abwägen.
Neuer Modus in der Champions League
Sorry, liebe EHF. Aber ich persönlich halte den derzeitigen Modus in der Königsklasse mit für das Beknackteste, was ich im Leistungssport bisher gesehen habe. Es gibt eine Zweiklassengesellschaft mit zwei Achtergruppen bestehend aus der Creme de la Creme des europäischen Handballs und zwei Sechsergruppen, in denen sich die zweite Garde tummelt.
Wem bitte nützen in der Vorrunde Partien zwischen Kiel, Flensburg, Paris und Veszprem, wenn ohnehin sonnenklar ist, dass alle vier locker weiterkommen werden? Schließlich ziehen in jeder Gruppe sechs der acht Teams in die nächste Runde ein. Lediglich der Gruppensieg hat einen gewissen Wert, weil die Tabellenersten direkt ins Viertelfinale kommen, während Rang 2 bis 6 ein Achtelfinale bestreiten.
Die Gruppenzweiten spielen gegen die übrig gebliebenen "Zweitligisten", in den anderen vier Achtelfinals wird jeweils überkreuz gespielt. Die Dritten spielen gegen einen Sechsten, die Vierten gegen einen Fünften der anderen Gruppe. Es geht also ausschließlich darum, mit einer unglaublichen Menge an Spielen Geld zu verdienen. Der sportliche Wert vieler Partien geht gegen Null.
Schluss damit! Ich bin für 32 Teilnehmer, die sich in acht Vierergruppen messen. Die ersten beiden Teams kommen weiter, das Achtel- und das Viertelfinale werden mit Hin- und Rückspiel ausgetragen, dann steigt das Final Four. Somit müsste ein Team maximal 12 CL-Spiele bestreiten statt der aktuell mindestens 18, eher sogar 20 Partien. Was für eine Erleichterung!
Und wo wir schon dabei sind: Von mir aus könnte der sportlich völlig wertlose Super Globe (Klub-Weltmeisterschaft) in Katar komplett gestrichen werden. Allerdings können sich die Klubs beim Turnier in der Wüste dank des satten Preisgeldes ein goldenes Näschen verdienen.
Das sagt Daniel Stephan: Der aktuelle Modus ist Wahnsinn, total aufgebläht, nicht zeitgemäß. Man muss schleunigst versuchen, den Spielplan zu entzerren. Die Problematik ist: Vereine aus Ländern, die keine starke Liga haben, wollen im Gegensatz zu den HBL-Klubs möglichst viele Champions-League-Spiele bestreiten. Man muss einen Kompromiss finden. Die Idee mit den 32 Teams in Vierergruppen, Hin- und Rückspiel in Achtel- und Viertelfinale und dann das Final Four wäre sicherlich eine gute Lösung.
Das sagt Henning Fritz: Grundsätzlich richtig, aber praktisch nicht umsetzbar. Da hat Deutschland nicht genug Einfluss, um sich gegen die anderen Verbände durchsetzen zu können. Klubs wie Paris oder Barcelona wollen so viele Spiele haben. Für die ist die aktuelle Konstellation ideal, für die deutschen Mannschaften katastrophal. Das Argument, dass die Topleute ja entsprechend viel Geld verdienen und deshalb auch so viel spielen müssten, finde ich nicht schlüssig. Ein Spieler kann auch dann nicht noch mehr Spiele absolvieren, wenn man ihm eine Millionen Euro mehr gibt. Die Gefahr, dass der sportliche Wert der Partien leidet, ist groß. Die Gefahr, die Topleute zu verbrennen ebenfalls. Und wir wollen die doch bei einer EM und WM dabei haben.
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Kleinere Änderungen im DHB-Pokal
Seien wir ehrlich. Die Duelle Klein gegen Groß haben im Handball nicht ansatzweise den Reiz wie im Fußball. Es gibt so gut wie nie Sensationen. Also muss ein Modus her, der die Topteams entlastet.
Mein Vorschlag: Die Top-4 der HBL steigen in der folgenden Saison erst im Achtelfinale ein. So bleiben für die Spitzenmannschaften vier Spiele bis zum Pokalsieg statt bisher sechs.
Das sagt Daniel Stephan: Bitte nicht! Ich bin auch kein Fan von diesen Viererturnieren am Anfang, wie es derzeit ist. Aber im Pokal sollen die kleinen Vereine den Vorteil haben. Die freuen sich, wenn mal ein großer Verein vorbei kommt. Deshalb sollten auch Kiel oder die Löwen nicht erst im Achtelfinale einsteigen. Ich würde den Pokal gerne in seiner ursprünglichen Version sehen.
EM und WM in größeren Abständen
Wir brauchen nicht jedes Jahr ein großes Turnier. Alle vier Jahre eine EM und alle vier Jahre eine WM ist genug. Der Reiz wird größer, die Zuschauer haben mehr Bock drauf - und die Topspieler bekommen zumindest immer wieder mal eine vernünftige Pause.
Fassen wir zusammen: Durch die Änderungen in HBL, CL und Pokal hätten Topteams sieben bis neun Spiele weniger. Gleichzeitig würde sich die Attraktivität der einzelnen Spiele in der Regel erhöhen - plus die Pausen dank nicht jährlich stattfindender Großereignisse.
Das sagt Daniel Stephan: Da bekommt ihr meine volle Zustimmung. Es muss das Ziel des Handballs sein, jedes große Turnier - ob WM, EM oder Olympia - nur alle vier Jahre auszutragen. Dann hat man drei Highlights in vier Jahren, das reicht. Andererseits darf man natürlich nicht vergessen, wie viel Medienpräsenz jedes große Turnier auf unsere Sportart lenkt. Trotzdem: Es geht alles zu Lasten der Spieler, was in der aktuellen Form einfach nicht sein kann.
Das sagt Henning Fritz: Da kann ich auch nur zustimmen. Der Wert beispielsweise eines Weltmeister-Titels wäre viel höher, weil man seltener die Möglichkeit hätte, ihn zu gewinnen. Man hätte aus Spielersicht außerdem die Chance, mal eine halbwegs vernünftige Winterpause einzulegen und zu regenerieren, um dann auch wieder Topniveau abrufen zu können. Wenn man ein Jahr mit EM oder WM und dann noch Olympia hat, muss man ehrlich sagen: Das ist nicht seriös durchzuführen.
Einführung einer Shotclock
Die Angriffsregel im Handball ist an Willkür kaum zu überbieten. Wann heben die Schiris den Arm? Gefühlt wenn es ihnen gerade passt! Das variiert teilweise sogar innerhalb einer Partie. Gerade im Handball, wo bereits in Sachen Stürmerfoul ein schwammiges Bild herrscht, nicht selten eine Katastrophe.
Die Allgewalt der Schiedsrichter ist für den Sport ungesund, dass sie auch schon zu Manipulationen geführt hat noch schlimmer. Eine Shotclock wäre eine gewaltige Erleichterung für die Unparteiischen, die zumindest in diesem Punkt weniger Angriffsfläche bieten würden. Das Spiel an sich würde noch schneller, noch dynamischer werden - und damit für die Zuschauer attraktiver. Mehr Drama, Baby!
Wie könnte so etwas aussehen? Jedes Team hat pro Angriff 30 Sekunden. Bei einem Foul der verteidigenden Mannschaft wird die Wurfuhr angehalten, die 60 Minuten laufen aber weiter herunter. So würde sich gleichzeitig ein Spiel nicht gnadenlos in die Länge ziehen. Warum sich die großen Verbände gegen die Idee sträuben, bleibt für mich ein Rätsel.
Das sagt Daniel Stephan: Auch davon halte ich nicht viel. Es stimmt zwar, dass die Sache mit dem Zeitspiel manchmal nicht gut läuft und eine Shotclock für die Schiedsrichter eine Erleichterung wäre. Und die Mannschaft, die unterlegen ist, könnte ihre Angriffe nicht mehr so in die Länge ziehen. Aber ich finde, das ist ein wichtiges taktisches Mittel für kleinere Teams, die damit auch mal die Großen ärgern können.
Das sagt Henning Fritz: Grundsätzlich halte ich das für keine schlechte Idee. Man hätte dadurch etwas Handfestes, eine klare Zeitvorgabe. Bisher ist das Zeitspiel immer von der subjektiven Wahrnehmung des Schiedsrichters abhängig. Wobei ich mich jetzt nicht auf 30 Sekunden oder irgendeine Zeit festlegen möchte. Das müsste man genau durchdenken.
Abschaffung des Unentschiedens
Keine Ahnung, wie es euch geht. Aber ein Remis finde ich im Handball einfach unbefriedigend. Am Ende einer Schlacht möchte man einen Sieger und einen Verlierer sehen. Sollte es also nach 60 Minuten unentschieden stehen, wäre doch ein sofortiges Siebenmeterwerfen eine reizvolle Alternative. Und zwar in jedem Spiel, egal ob CL-Vorrunde, HBL oder WM.
Für die Fans wäre ein Siebenmeterwerfen das krönende Drama zum Ende eines nervenaufreibenden Spiels. Was die Punkteverteilung angeht, würde sich nicht viel ändern. Der Sieger bekommt 2:0 Punkte, der Unterlegene 0:2.
Das sagt Daniel Stephan: Jetzt hört aber auf. (lacht) Handball ist attraktiv genug. Ich finde nicht, dass am Spiel selbst etwas geändert werden sollte.
Das sagt Henning Fritz: Davon halte ich nicht so viel. Das ist am Ende sonst wie in einer Lotterie. Da sollte lieber jedes Team einen Punkt erhalten, das ist einfach gerechter.
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