Mit 17 Toren und 28 Assists bester deutscher Scorer, beim Sieg gegen Kroatien mit sechs Treffern bei sechs Würfen pure Weltklasse: Bei der laufenden Weltmeisterschaft wird deutlich, dass Deutschland mit Fabian Wiede endlich wieder einen Rückraumstar hat.
Dabei war lange nicht klar, ob der 24-Jährige überhaupt dabei sein würde. Erstens plagte sich Wiede bis in den Dezember hinein mit einer Innenbandverletzung herum. Zweitens hätte Christian Prokop sich gegen eine Nominierung des Mannes von den Füchsen Berlin entscheiden können, wie er es bereits bei der EM im vergangenen Jahr in Kroatien getan hatte.
Mittlerweile nennt Prokop den im halbrechten Rückraum und als Spielmacher einsetzbaren Wiede einen "Straßenhandballer". Er meint damit die Fähigkeit des Brandenburgers, vorneweg zu gehen und mutig die richtigen Entscheidungen zu treffen, ohne sich groß einen Kopf zu machen.
Drux und Weinhold loben Wiede
"Fabi ist einfach der Knaller, er ist extrem wichtig für uns. Jede Mannschaft braucht so einen Typen, der die Dinger einfach reinmacht, wenn es um alles geht", sagte Paul Drux, der mit Wiede gemeinsam bei den Füchsen spielt und ihn seit vielen Jahren kennt.
Und Steffen Weinhold ergänzte: "Fabi hat eine unfassbare Cleverness. So was hat man - oder man hat es nicht."
Wiede selbst, der leider immer wieder Verletzungspech hat, ist kein Mann großer Worte. Und der Linkshänder redet erst recht nicht besonders häufig über sich selbst.
Tut er es doch einmal, spricht er mit leiser Stimme. Trotzdem kommen gehaltvolle Sätze dabei heraus. "Ich habe es schon immer gemocht, Verantwortung zu übernehmen. Davor habe ich keine Angst. In der Jugend war ich eher Egoist, jetzt spiele ich lieber ab und freue mich über einen gelungenen Pass genauso wie über ein Tor", erklärte Wiede.
Wiedes komplizierte Phase als Jugendlicher
Seine positive Entwicklung überrascht umso mehr, wenn man sich mit seiner Vergangenheit beschäftigt. 2006 verließ das Talent seinen Heimatverein Belzig in Richtung Sportschule Potsdam und erlebte dort drei Jahre als Teenager, die wahrlich nicht immer Anlass zur Hoffnung auf eine Profikarriere gaben.
"Ich war nicht ganz bei der Sache. Es ging irgendwie nicht vorwärts, da habe ich damals sogar kurzzeitig zur Zigarette gegriffen, ich ließ mich hängen. Damals war mir alles zu anstrengend", sagte Wiede.
Glücklicherweise trat in dieser Phase Bob Hanning in das Leben des Rückraumspielers. Der DHB-Vizepräsident und Geschäftsführer der Füchse Berlin holte Wiede 2009 in die deutsche Hauptstadt und kümmerte sich mit besonders großem Aufwand um ihn.
"Fabi war mein größter Patient", bestätigte Hanning: "Aber jede Minute hat sich gelohnt."
Sigurdsson verhilft Wiede zum Profidebüt
Hanning war obendrein Jugendtrainer bei den Füchsen und formte Wiede. Bald war klar, dass dieser Junge zu Höherem berufen ist. Eine seiner größten Stärken bestand schon in der Füchse-Jugend darin, in entscheidenden Spielen besondere Leistungen abzurufen.
Wiede kam insgesamt immer besser zurecht. Es gelang ihm, Leistungssport und Schule unter einen Hut zu bekommen. Am Schul- und Leistungssportzentrum Berlin machte Wiede sein Abitur und begann anschließend eine Lehre zum Bankkaufmann.
So kam es, dass Wiede in der Saison 2012/2013 unter Dagur Sigurdsson sein Profidebüt für die Berliner gab. Als die Füchse 2014 mit dem DHB-Pokal ihren ersten großen Titel holten, war der 1,94-Meter-Mann im Alter von 20 Jahren bereits fester Bestandteil der Mannschaft und hatte sogar schon sein Länderspieldebüt unter Martin Heuberger gegeben.
Zwei Jahre später wurde Wiede unter Sigurdsson, der mittlerweile das Amt des Bundestrainers von Heuberger übernommen hatte, Europameister in Polen und gewann die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro.
Hanning: "Wiede hat das Gewinnen gelernt"
Bei der laufenden WM hat er nun noch einmal einen großen Schritt nach vorne gemacht. Wiede kann im Angriff nahezu alles, trifft unmöglich erscheinende Würfe aus der Distanz.
"Fabi ist genial", sagte Hanning: "Solche Jungs wie er haben mit den Jahren das Gewinnen gelernt. Aber das können sie halt nur lernen, wenn man sie schon in jungen Jahren einsetzt."
Bleibt zu hoffen, dass sich der Mut der Berliner Macher auch in den zwei noch ausstehenden Partien bei dieser WM bezahlt macht.