Bundestrainer Julian Nagelsmann hat einen revolutionären DFB-Kader berufen - und das hat gar nicht mit den auserwählten Spielern zu tun. Nachdem das Aufgebot der Nationalmannschaft bei den offiziellen Bekanntgaben lange in die Kategorien "Abwehr" sowie "Mittelfeld/Angriff" unterteilt wurde, gab es bei den vergangenen Länderspielphase nur noch "Defensive" und "Offensive".
Mit Nagelsmann kehrte nun die traditionelle Einteilung in Abwehr, Mittelfeld und Angriff zurück. Womöglich auch deshalb, weil der neue Bundestrainer tatsächlich einen Angriff nominierte, der diesem Titel auch gerecht wird. Neben Niclas Füllkrug steht mit Neuling Kevin Behrens ein zweiter echter Mittelstürmer im Aufgebot. Nagelsmann begründete die Entscheidung mit dessen Kopfballstärke und gutem Anlaufverhalten.
Nach einem starken Saisonstart mit vier Toren aus den ersten beiden Partien ließ der 32-Jährige aber genau wie seine Mannschaft stark nach. Zuletzt gab es in sechs Pflichtspielen kein Behrens-Tor und auch keinen Punktgewinn von Union Berlin. Mangels Mittelstürmer-Alternativen ist Behrens erstmalige Chance dennoch nachvollziehbar - genau wie der Verzicht auf den bei RB Leipzig zum Reservisten degradierten und beim DFB lange nicht mehr überzeugenden Timo Werner.
DFB-Kader: Emre Can ist der größte Verlierer
Behrens ist einer von drei Neulingen im Kader. Aufgrund seiner zuletzt starken Leistungen beim VfB Stuttgart nominierte Nagelsmann auch Linksaußen Chris Führich (25), aufgrund akuten Bedarfs an stabilisierenden, kämpferischen Elementen im defensiven Mittelfeld Bayer Leverkusens Robert Andrich (29). Obwohl er beim Tabellenführer aktuell nur Ersatz ist.
Auf der Sechs nicht dabei ist dagegen überraschend Emre Can, er ist der größte Verlierer des ersten Nagelsmann-Kaders. Nach einer starken vergangenen Saison hatte ihn BVB-Trainer Edin Terzic zum Kapitän und Bundestrainer Hansi Flick zum Stammsechser im DFB-Team erhoben. In Dortmund saß Can zuletzt nur auf der Bank, in der Nationalmannschaft fehlt er nun gänzlich.
Can ist nicht der einzige Dortmunder, auf den Nagelsmann verzichtet: Auch die zuletzt mindestens gelegentlich nominierten Marius Wolf, Nico Schlotterbeck, Felix Nmecha, Karim Adeyemi und Youssoufa Moukoko fehlen im Kader. Stattdessen baut der neue Bundestrainer auf einen fünfköpfigen Bayern-Block. Nach eineinhalb gemeinsamen Jahren in München nominierte Nagelsmann sämtliche verfügbaren Spieler des FC Bayern, auch den zuletzt ignorierten Leon Goretzka sowie den 34-jährigen Thomas Müller. Damit löst der FC Bayern den Bundesliga-Rivalen wieder als größten Nationalmannschafts-Zulieferer ab, obwohl Serge Gnabry verletzt fehlt.
DFB-Kader: Mats Hummels kehrt verdientermaßen zurück
Aus Dortmund berufen ist neben Neuzugang Füllkrug, Niklas Süle und Julian Brandt dagegen erstmals seit der EM 2021 wieder Mats Hummels. Mit seinen starken Leistungen in den vergangenen Monaten ist die Nominierung des 34-Jährigen hochverdient, zumal die übrigen Innenverteidiger in der Nationalmannschaft zuletzt reihenweise enttäuschten. Hummels' Rückkehr darf auch als Fingerzeig an Antonio Rüdiger gewertet werden. Unter Flick stets als unumstrittener Abwehrchef gesetzt, ist diese Rolle nun zumindest in Gefahr.
Nagelsmann nominierte insgesamt fünf Innenverteidiger, mit David Raum und Robin Gosens aber nur zwei Außenverteidiger. Sie sind noch dazu beide auf der linken Seite beheimatet und haben ihre Stärken eindeutig im Offensivspiel. Demzufolge spricht vieles für ein System mit Abwehr-Dreierkette. Denkbar wäre auch, dass Nagelsmann das beim 2:1-Sieg gegen Frankreich von Interimstrainer Rudi Völler erfolgreich initiierte Experiment fortführt und den gelernten Innenverteidiger Jonathan Tah rechts hinten aufbietet.
Eher keine Rechtsverteidiger-Option dürfte unter Nagelsmann Joshua Kimmich sein. Seinen engsten Vertrauten unter den Spielern sieht der Bundestrainer wie schon beim FC Bayern im Mittelfeld - was sich auch an der neuen/alten Kader-Auflistung klar ablesen lässt. War Kimmich zuletzt unter der Rubrik "Defensive" angeführt, ist er nun unter "Mittelfeld" zu finden.