DFB-Team: Top-Talente der Zukunft! Wie viel Umbruch wagt Julian Nagelsmann zur WM 2026?

Von Justin Kraft
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Deutschland muss sich nach der EM 2024 auf einigen Schlüsselpositionen neu aufstellen. Zwar will Julian Nagelsmann von einem Umbruch noch nichts wissen, doch einige Talente könnten mit Blick auf die WM 2026 schon bald auf sich aufmerksam machen. Ein Überblick.

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Die Tränen sind getrocknet, selbst der Schiedsrichter-Ärger vergeht so langsam und der Blick des DFB-Teams richtet sich immer mehr in Richtung WM 2026. "Wir haben schon einen Kader, der nicht extrem jung ist und ein paar ältere Semester dabei hat", sagte Julian Nagelsmann jüngst.

Der Bundestrainer kündigte dennoch an, ihn nur in "Nuancen" verändern zu wollen: "Wir haben viele 26-, 27-, 28-Jährige dabei, die noch eine WM spielen können." Dementsprechend hätte es "keinen Sinn, den Kader komplett durchzuwürfeln".

Weil Emre Can nachnominiert wurde, rutschte der DFB-Kader kurz vor Start der EM auf den ersten Platz bei den im Schnitt ältesten Teilnehmern: 28,5 Jahre. Mehr als ein Drittel des Kaders, nämlich exakt 38,4 Prozent sind 30 oder älter. 53,8 Prozent des EM-Teams sind 28 oder älter. Und nur fünf Spieler, also 19,2 Prozent des Kaders sind 25 oder jünger.

Viel Entwicklungspotenzial gibt es dementsprechend nicht. Aber zwei Jahre bis zum nächsten großen Turnier geben dem Bundestrainer Spielraum, um einige Stellschrauben neu zu justieren - und junge Spieler zu testen, die bereits im erweiterten Kreis der Nationalmannschaft stehen, oder die erst noch auf sich aufmerksam machen werden.

SPOX zeigt die Talente, die, so die Hoffnung von Nagelsmann, Deutschland 2026 zum Weltmeister-Titel verhelfen sollen.

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DFB-Team: Keine radikale Verjüngung im Tor notwendig

Wie es mit Manuel Neuer weitergeht, ist derzeit unklar. Alles scheint denkbar. Und doch war schon vor der EM viel darüber diskutiert worden, dass der einstige Welttorhüter nicht mehr in Höchstform ist. Das wird sich in den kommenden zwei Jahren tendenziell eher verschlechtern als verbessern. Neuer wäre dann 40.

Wahrscheinlicher ist das Szenario, dass dann Marc-André ter Stegen zwischen den Pfosten steht. Der 32-Jährige musste lange auf seine Chance warten und er ist die klare Nummer zwei. Hält er seine Form, dürfte er der Favorit sein. Mit Kevin Trapp, Oliver Baumann, Stefan Ortega, Alexander Nübel und einigen weiteren ist das Feld für die Plätze dahinter sehr breit.

Für die Jahre danach könnte dann vielleicht schon eine Verjüngungskur anstehen. Das wird auch davon abhängen, wie sich die junge Generation rund um Toptalent Max Schmitt (FC Bayern) in den nächsten Jahren schlägt.

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DFB-Team: Links bleibt die große Schwachstelle

Theoretisch könnte Nagelsmann 2026 wohl dieselben Spieler für die Defensive nominieren, die bei der EM dabei waren. Nur bei Antonio Rüdiger gibt es mit 31 Jahren womöglich kleine Fragezeichen, wie sich seine Form entwickelt.

Spieler wie Nico Schlotterbeck (24) und Waldemar Anton (27) wollen sich bis zur WM weiter in den Fokus spielen - beim BVB werden sie das sogar gemeinsam tun können. Nagelsmann wird auch gut daran tun, der Innenverteidigung Stabilität zu verleihen. Zumal auch noch Spieler wie Malick Thiaw (22) oder Yann Bisseck (23) im Hintergrund auf Chancen warten.

Seine Probleme liegen eher auf der defensiven Außenbahn. Rechts gibt es keine wirkliche Alternative zu Joshua Kimmich, links waren David Raum und Maximilian Mittelstädt bereits das Maximum aller Gefühle. Und bei allem Respekt vor deren Leistungen: Auf höchstem Niveau ist das problematisch.

Problematisch ist aber auch, dass sich an der Situation nicht viel ändern wird. Es gibt vielversprechenden Nachwuchs - dieser ist allerdings noch weit weg vom Dunstkreis der A-Nationalmannschaft. Ein Beispiel ist Maximilian Hennig vom FC Bayern, der mit der U17 Europa- und Weltmeister wurde. Der 17-Jährige geht in der kommenden Saison aber erstmals Schritte im Profibereich - per Leihe zu Unterhaching in die 3. Liga.

Dort wird man erstmals sehen, wie er mit physisch stärkeren Gegenspielern umgeht. Die WM 2026 kommt tendenziell viel zu früh. Etwas weiter ist Max Finkgräfe, der beim 1. FC Köln schon Profierfahrung sammeln konnte. 1.751 Profiminuten stehen bereits auf seinem Konto. Der 20-Jährige steht vor zwei richtungsweisenden Jahren, muss unter Beweis stellen, dass er das Talent zu mehr hat.

Auch Luca Netz ist mit 21 jemand, der in der Vergangenheit oft genannt wurde. Allerdings stagniert der Berliner seit seinem Wechsel von der Hertha zu Borussia Mönchengladbach 2021. Für höheres Niveau scheinen ihm Spielverständnis und Entscheidungsfindung zu fehlen - auch wenn man einen so jungen Spieler nie gänzlich abschreiben sollte.

Rechts wiederum hat der DFB das große Glück, dass Kimmich wohl noch das eine oder andere Jahr im Tank hat. Das vielleicht größte Talent könnte hier Max Scholze sein, weil er Defensivfähigkeiten mit spielgestalterischen Qualitäten vereint. Der 19-Jährige wurde vom FC Bayern an den SC Verl verliehen, spielt also ebenfalls erst 3. Liga und muss sein Potenzial erstmal zeigen. Zwei Jahre dürften zu kurz sein.

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DFB-Team: Wer beerbt Toni Kroos?

Im Mittelfeld fällt der mit großem Abstand wichtigste Spieler weg: Toni Kroos hat seine Karriere beendet. Und doch ist schon jetzt absehbar, dass es zumindest möglich ist, ihn zu ersetzen. Der aktuell heißeste Kandidat dafür: Aleksandar Pavlovic. Beide sind sich fußballerisch sehr ähnlich - wenn auch selbstredend auf unterschiedlichem Niveau.

Beide sind nicht besonders schnell auf den Beinen, dafür aber sehr handlungsschnell am Ball und treffen zielsicher richtige Entscheidungen. Sie sind Taktgeber und Spielgestalter, können ein gegnerisches Pressing mit nur einem Pass auflösen. Kroos hat diese Spielweise über viele Jahre perfektioniert. Pavlovic muss das auf höchstem Niveau erst entwickeln und nachweisen. Das Potenzial dazu hat er.

Eine weitere Alternative ist Angelo Stiller, der auf eine hervorragende Saison mit dem VfB Stuttgart zurückblickt. Der 23-Jährige kann ein Spiel kontrollieren und ihm seinen Rhythmus aufdrücken. Auch bei ihm gilt, dass er sein Niveau in der kommenden Saison bestätigen muss.

Im Jugendbereich gibt es mit Assan Ouédraogo (18) einen sehr spannenden Spieler. Der technisch begabte und spielintelligente Achter ist von Schalke zu RB Leipzig gewechselt, wird sich ab Sommer also empfehlen können.

Ansonsten gibt es viele junge Spieler, für die der Weg in nur zwei Jahren zu lang ist. Ein Beispiel ist Bayerns Noel Aséko Nkili (18). Dem Sechser wurde eine große Zukunft vorhergesagt, weil er zwischen Spielgestaltung und Defensive alles kann. Zuletzt war er allerdings so oft verletzt, dass er sich nicht entsprechend entwickeln konnte. Bevor also irgendwelche Turniere Thema sind, muss er sich gesundheitlich fangen.

Nagelsmann kann aber auch auf erfahrenere Spieler wie Leon Goretzka (29) oder Rocco Reitz (22) zurückgreifen, wenn sie sich bis 2026 entsprechend präsentieren. Es wird auf dieser Position einen Umbruch geben - allerdings hat der Bundestrainer hier wenigstens eine große Auswahl.

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DFB-Team: Flügelprobleme und die ewige Neunersuche

In der Offensive gibt es auch Auswahl. Kai Havertz (25), Florian Wirtz und Jamal Musiala (beide 21) zählten zu den jüngsten Spielern des Kaders. Hinzu kommen Talente wie Brajan Gruda (20) oder der flexibel einsetzbare Maximilian Beier (21). Leroy Sané wird bei der WM 2026 erst 30 sein. Die große Frage bei ihm ist eine der Konstanz.

Unabhängig davon wie sich Toptalente wie Paul Wanner (18), Tom Bischof (19) oder Maurice Krattenmacher (18) entwickeln, ist das offensive Mittelfeld des DFB-Teams wohl zu gut besetzt, als dass sie schon bei der WM in zwei Jahren eine Rolle spielen könnten.

Beier war aber schon das Stichwort, denn am wohlsten fühlt sich der Hoffenheimer im Sturm, wo der DFB ein chronisches Problem hat. Niclas Füllkrug ist ein sehr guter Stürmer, aber keiner von Weltklasseformat. Außerdem ist der Dortmunder 31, steht beim BVB immer wieder mal in der Kritik. Kommt Serhou Guirassy nach Dortmund, drohen Füllkrug Schwierigkeiten für 2026.

Vielleicht schafft auf dieser Position auch jemand den Durchbruch, den Fußball-Deutschland noch nicht so richtig auf dem Schirm hat: Dzenan Pejcinovic. Der Wolfsburger ist längst kein unbeschriebenes Blatt mehr, traf in der U19-Bundesliga Nord/Nordost in 31 Einsätzen 30-mal. Der 19-Jährige ist groß, physisch stark und gut im Kopfballspiel. Gleichzeitig bringt er technische Fähigkeiten für das Kombinationsspiel mit, das unter Nagelsmann sehr wichtig ist.

Aktuell fällt der gebürtige Münchner mit einem Mittelfußbruch aus.

Danach wird es voraussichtlich nicht mehr lange dauern, bis er sich auf Profiniveau beweisen kann. Weitere Kandidaten, die schon etwas weiter sind, sind Nelson Weiper (19) oder Max Moerstedt (18). Beide haben auf Nachwuchsebene mit fantastischen Leistungen auf sich aufmerksam machen können und bringen Qualitäten eines "echten" Neuners mit. Weiper hat es bei Mainz 05 sogar schon zu mehreren Profieinsätzen geschafft, Moerstedt sammelte zehn Bundesliga-Minuten, kann sich in der kommenden Saison vielleicht zeigen.

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DFB-Team: Wie viel frischen Wind braucht es?

Nagelsmann hat also durchaus Möglichkeiten, um den Kader zu verjüngen. Seine Ankündigung, nicht zu viel verändern zu wollen, ist jedoch vernünftig. Niemand weiß, wie sich die jungen Spieler bis zur WM entwickeln werden. Jetzt den großen Umbruch auszurufen, wäre ein falsches Signal an den bestehenden Kader und könnte Druck auf junge Spieler ausüben.

So kann sich der Bundestrainer alles in Ruhe ansehen und auf entsprechende Entwicklungen reagieren. Nur auf der Außenverteidigerposition muss er auf ein kleines Wunder hoffen - oder wie bei dieser EM eine Strategie entwickeln, die die Probleme ein wenig verstecken kann.

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