Der Österreicher an sich beklagt sich gerne. Mit "Granteln" und "Sudern" gibt es sogar zwei eigene Begrifflichkeiten für diesen Volkssport, in dem sich das Alpenland getrost der Weltspitze zuordnen darf. Ganz so hoch hinaus ist es im Fußball noch nicht gegangen. Aber unter Teamchef Ralf Rangnick qualifizierte sich das ÖFB-Team immerhin souverän für die EM und wurde im Vorfeld sogar als Geheimfavorit gehandelt.
Zum Auftakt setzte es trotz einer guten Leistung aber ein knappes 0:1gegen den gar nicht geheimen Favoriten Frankreich. Die Umstände der Pleite waren äußerst unglücklich und boten allerlei durchaus berechtigte Gründe zum Granteln und Sudern: Da wären etwa Kylian Mbappés Zeitschinderei, ein Schiedsrichter-Fehler im Vorfeld des entscheidenden Treffers und die fünf Gelben Karten.
"Will man nicht sehen": Kylian Mbappés dreiste Zeitschinderei
Zunächst zu Mbappé, der in der Schlussphase ein fragwürdiges Bild abgab - und das lag nicht an seiner gebrochenen Nase und auch nicht an seinem blutverschmierten Trikot. Nein, das lag an seiner dreisten Zeitschinderei. Real Madrids neuer Superstar hatte sich bei einem Zusammenprall mit Kevin Danso eine blutige Nase geholt, woraufhin ihn der spanische Schiedsrichter Jesus Gil Manzano zur Behandlung an den Spielfeldrand schickte. Anschließend kehrte Mbappé ohne Erlaubnis auf den Platz zurück, nur um sich nach wenigen Schritten auf den Rasen zu setzen.
Die Österreicher wüteten, Gil Manzano bedachte ihn mit der Gelben Karte - und die Zeit tickte von der Uhr. Als Mbappé schließlich wieder gehtauglich war, wechselte ihn Didier Deschamps für Olivier Giroud aus. Frankreich rettete den 1:0-Sieg ins Ziel.
"Solche Aktionen will man bei so einem Turnier nicht sehen", grantelte Patrick Penz. Nach dem Zusammenprall habe Österreichs Keeper zunächst nur gesehen, wie Mbappés "Gesicht voller Blut" gewesen sei. "Ich wusste nicht, ob es ein Cut oder etwas Schlimmeres ist. Ich habe nur Blut gesehen und mir gedacht: Okay, da legt man eine faire Attitude an den Tag - nicht so wie er. Das ist Wahnsinn."
"Krasse Fehlentscheidung": Ralf Rangnick kritisiert den Schiedsrichter
Österreichs Wut richtete sich aber nicht nur gegen Mbappé, sondern auch gegen Gil Manzano. Was war passiert? Frankreichs Keeper Mike Maignan parierte gegen Ende der ersten Halbzeit Österreichs besten Abschluss von Christoph Baumgartner mit dem Fuß. Statt auf Eckball entschied Manzano auf Abstoß, wenig später köpfelte Maximilian Wöber eine Mbappé-Flanke ins eigene Tor.
"Eine krasse Fehlentscheidung vom Schiedsrichter", klagte Teamchef Ralf Rangnick. Laut Linksverteidiger Philipp Mwene hätte Manzano darüber hinaus "jede 50/50-Entscheidung gegen uns" gepfiffen. "Das war sehr unverständlich." Insgesamt gab der Schiedsrichter 18 Fouls gegen Österreich, diesen Wert überbot bei der EM bisher lediglich Serbien (19). Unübertroffen sind dafür Österreichs fünf Gelbe Karten.
"Wenn es bei einem Turnier nach zwei Gelben Karten eine Sperre gibt, kann man cleverer entscheiden. Dass man dann so schnell Gelb zückt, ist unverständlich für mich", suderte Pentz. "Das war ein bisschen kleinlich. Seine Linie war nicht akzeptabel." Wöber, Mwene, Baumgartner, Danso und Konrad Laimer droht bei einer weiteren Gelben Karte im zweiten Spiel gegen Polen somit eine Sperre im womöglich entscheidenden Gruppen-Finale gegen die Niederlande.
Kylian Mbappé setzte gegen Österreich seine Horror-Serie fort
Eine Sperre droht übrigens auch dem für seine Zeitschinderei verwarnten Mbappé. Noch ist aber unklar, wann er nach seinem Nasenbruch überhaupt wieder einsatzfähig ist. "Es geht ihm nicht gut. Er hat eine ramponierte Nase. Es sieht auf jeden Fall kompliziert aus", sagte Trainer Didier Deschamps. Laut des französischen Verbandspräsidenten Philippe Diallo muss Mbappé immerhin nicht operiert werden.
Beim Duell mit Österreich hatte Mbappé mit einer starken Flanke zwar Wöbers Eigentor vorbereitet, aber auch seine persönliche Horror-Serie fortgesetzt. Im fünften EM-Spiel (2021 scheiterte Frankreich im Achtelfinale an der Schweiz) blieb der 25-Jährige erneut ohne Tor - wohingegen ihm bei zwei WM-Teilnahmen schon zwölf Treffer gelangen.
Gegen Österreich vergab Mbappé zwei gute Chancen: In der 9. scheiterte er an Pentz, in der 55. zielte er zu ungenau. Sein persönlicher xG-Wert der zu erwartenden Tore von 0,76 war nur unweigerlich niedriger als Österreichs von 0,77. Etwas überraschend befand Keeper Pentz dennoch, dass seine Mannschaft von Mbappé "nicht viel zugelassen" habe. "Der Poschi (Stefan Posch) hat ihn absolut im Griff gehabt, der Kevo (Kevin Danso) in den Laufduellen auch. Er ist auch nur ein Mensch, wie wir alle. Er ist halt schneller als die meisten auf der Welt. Aber ansonsten ist das ein ganz normaler Spieler."
Österreich vs. Frankreich 0:1 (0:1) | |
Tore | 0:1 Wöber (38., Eigentor) |
Aufstellung Österreich | Pentz - Posch, Danso, Wöber (59. Trauner), Mwene (88. Prass) - Seiwald, Grillitsch (59. Wimmer), Laimer (90.+1. Schmid), Baumgartner, Sabitzer - Gregoritsch (59. Arnautovic) |
Aufstellung Frankreich | Maignan - Koundé, Upamecano, Saliba, Theo - Kanté, Griezmann (90. Fofana), Rabiot (71. Camavinga), Dembelé (70. Kolo Muani), Thuram - Mbappé (90. Giroud) |
Gelbe Karten | Wöber (16.), Mwene (33.), Baumgartner (79.), Laimer (84.), Danso (90.+3.) - Dembelé (56.), Mbappé (90.) |