SPOX: Haben Sie aufgeschrien vor Freude, als Sie von der Nachricht gehört haben, dass Deutschland neben Russland, Litauen und dem Libanon die Wildcard für die WM 2010 erhalten hat und damit auch gleichzeitig für die EM 2011 qualifiziert ist?
Dirk Bauermann: Laut aufgejubelt habe ich nicht, aber natürlich war die Freude sehr groß. Für den deutschen Basketball ist es eine ganz tolle Geschichte. Die Wildcard gibt uns Planungssicherheit bis 2011 und erlaubt es der jungen Mannschaft, im nächsten Jahr ohne existenziellen Druck zu spielen, weil es sonst womöglich um die EM-Qualifikation gegangen wäre. Die Ausgangsposition ist nun optimal.
SPOX: Der DBB hatte sich bis zur Veröffentlichung der Wildcard-Vergabe geweigert, eine Prognose abzugeben. Wussten Sie aber bereits, dass die Aussichten gut sind?
Bauermann: Ich habe immer wieder Wasserstandsmeldungen mitbekommen, aber ich wusste nicht, ob wir gute Aussichten haben oder nicht. Wir alle waren nicht überzeugt, aber optimistisch, dass es klappen würde. Trotzdem: Ein Selbstläufer war es nicht. Präsident Ingo Weiss und Generalsekretär Wolfgang Brenscheidt haben beim Bewerbungsverfahren ganz großen Sport abgeliefert. Und die Mannschaft hat mit dem Erreichen der EM-Zwischenrunde ihren Beitrag geleistet.
SPOX: Nationen wie Italien gingen hingegen leer aus. Nach welchen Kriterien hat die FIBA entschieden?
Bauermann: Ich kenne nicht die genauen Kriterien. Aber was eindeutig ist: Mit Deutschland, Litauen und Russland haben die drei europäischen Nationen eine Wildcard bekommen, die in den letzten Jahren mit den bereits qualifizierten Teams die sportlich erfolgreichsten waren. Daher ist die Entscheidung der FIBA auch logisch.
SPOX: Wie wichtig war das Bekenntnis von Dirk Nowitzki und Chris Kaman zur Nationalmannschaft?
Bauermann: Ganz klar: Die Absichtserklärung der beiden, bei der WM spielen zu wollen, hat mit Sicherheit sehr geholfen.
SPOX: Eine Absichtserklärung ist das eine, die tatsächliche WM-Teilnahme das andere. Auf wie viel Prozent beziffern Sie die Chance, dass beide in der Türkei spielen werden?
Bauermann: Eine Prozentzahl zu nennen ist nicht möglich. Es wird höchstwahrscheinlich wieder ein zähes Ringen bis zur letzten Sekunde. Wir müssen abwarten. Wichtig ist zunächst, dass Dirk und Chris spielen wollen. Das ist die Grundlage. Was dann bei den Verhandlungen mit den Dallas Mavericks und den Los Angeles Clippers passiert, müssen wir sehen.
SPOX: Sehen Sie es dementsprechend zwiespältig, dass Nowitzki ausgerechnet in der ersten NBA-Saison nach langer Zeit, auf die er sich ohne Nationalmannschafts-Einsatz im Sommer vorbereiten konnte, so gut spielt wie vielleicht noch nie?
Bauermann: Es ist auffällig, wie gut Dirk spielt. Wenn man daher den Zusammenhang herstellen will, ist es legitim. Sicherlich wären unsere Argumente stichhaltiger gewesen, wenn er nicht die besten, sondern die schlechtesten Statistiken seiner Karriere hätte. Andererseits kann jeder Nationalspieler bei einem Turnier wie der WM an Erfahrung gewinnen. Auch einen gereiften Spieler kann es weiterbringen. Ganz zu schweigen vom Spaß und der Freude, die einem eine Teilnahme bei einer WM bescheren kann.
SPOX: Bekommen Nowitzki und Kaman mit, dass in der BBL deutsche Spieler mehr Spielzeiten erhalten und die Talente einen weiteren Schritt nach vorne gemacht haben?
Bauermann: Beide informieren sich regelmäßig im Internet und in Gesprächen mit mir. Sie wissen genau, was die jungen Kerle machen und sie freuen sich natürlich darüber.
SPOX: Im College macht vor allem Elias Harris von sich reden. Bei "ESPN" wird der Forward unter den Top 30 der möglichen Draft-Picks 2010 geführt, zuletzt erzielte er beim 103:91-Erfolg seiner Gonzaga-Uni über Davidson 27 Punkte. Sind Sie überrascht von seinen Leistungen?
Bauermann: Dass er ein großes Talent ist, wussten wir. Bei der EM hat er es bereits auf höchstem Niveau unter Beweis gestellt. Andererseits: Dass er in einer Elite-Universität in den USA derart bombastisch einschlägt und wahrscheinlich zu den besten Neulingen des ganzen Landes gehört, ist sensationell.
SPOX: Für Schlagzeilen sorgen auch Robin Benzing und die vielen NBA-Scouts, die nur wegen ihm nach Ulm fahren, um ihn zu begutachten. Nach Jahren des Abgesangs auf den deutschen Basketball: Sehen Sie eine Kehrseite im nun einsetzenden Hype um die jungen Nationalspieler?
Bauermann: Da liegt ein Risiko, und es macht mir auch etwas Sorgen. Aber Robin wie auch Elias sind so gute Typen und so geerdet, dass sie mit der Aufregung zurechtkommen. In meinen Gesprächen mit ihnen deutet sich nichts Gegenteiliges an.
SPOX: Welchem jungen deutschen Spieler trauen Sie den nächsten Durchbruch zu?
Bauermann: Wenn wir über Robin und Elias reden, müssen wir auch ein Wort über Bambergs Center Tibor Pleiß verlieren. Seine Chancen, auf höchstem Niveau in Europa oder in Übersee zu spielen, stehen ähnlich gut.
SPOX: Vorausgesetzt, Nowitzki und Kaman geben Grünes Licht für die WM. Ist Deutschland mit den beiden NBA-Stars und den vielen Talenten ein Medaillenkandidat?
Bauermann: Schwer zu sagen. Aber angesichts des unglaublich dichten Gedränges in der Weltspitze ist eine Medaillen-Erwartung - Stand heute - zu hoch gegriffen. Warten wir einfach erst mal ab, ob Dirk und Chris dabei sind. Dann sehen wir weiter.