Nach anstrengenden Wochen will sich der 23-Jährige über Weihnachten endlich mal wieder ein paar Tage Ruhe gönnen. Zuvor spricht der Weltrekordler bei SPOX über Doping im Schwimmsport, seine Rivalität mit Michael Phelps und Umweltschutz a la Biedermann.
SPOX: Herr Biedermann, wie geht's Ihnen nach der Kurzbahn-EM in Istanbul? Haben Sie diesen letzten Höhepunkt des Jahres gut überstanden?
Paul Biedermann: Sehr gut, danke! Das war noch mal ein toller Wettkampf, den wir als Mannschaft sehr gut abgeschlossen haben. Für mich persönlich waren die 400 Meter Freistil sicher eher eine Pflichtverteidigung. Aber dass die 200 Meter auch geklappt haben, stellt mich absolut zufrieden.
SPOX: Vor dem Wettkampf waren Sie erkrankt. Hat das Ihre Leistung im Becken noch beeinträchtigt?
Biedermann: Ich war nicht hundertprozentig fit, und gerade über 200 Meter habe ich gemerkt, dass es schon sehr hart war. Die freien Tage daheim über Weihnachten sehne ich wirklich herbei.
SPOX: Im neuen Jahr werden Sie dann wieder mit neuer Bekleidung ins Becken steigen, denn die High-Tech-Schwimmanzüge werden verboten. Sie freuen sich sehr über diese Maßnahme...
Biedermann: Das stimmt, weil die Anzüge eine zu krasse Hilfe waren und Schwächen überdeckt haben, die man sonst mit mehr Training hätte ausmerzen müssen.
SPOX: Ein Nebeneffekt dieser Anzüge war, dass all die Höchstleistungen der letzten Zeit nicht mehr mit Doping in Verbindung gebracht wurden.
Biedermann: Wenn nicht von Doping geredet wird, finde ich das immer sehr gut. Ich glaube auch gar nicht, dass im Schwimmsport gedopt wird. Die Entwicklung geht einfach voran, das beschränkt sich nicht auf die Anzüge. Auch trainingstechnisch entwickelt sich das Schwimmen weiter, insofern ist es traurig, wenn jede Topleistung immer wieder hinterfragt wird.
SPOX: Allerdings hatten Sie erst im Sommer angemahnt, dass die Kontrollen zu lasch wären.
Biedermann: Man möchte doch als Sportler zeigen, dass man sauber ist, um jeden Verdacht auszuräumen. Wenn dann bei so einem Großereignis wie der WM keine Bluttests gemacht werden, kann ich nur sagen, dass der Weltverband seine Pflichten vernachlässigt hat.
SPOX: Sprechen wir über Ihre Situation: Sie wohnen noch immer in Ihrer Heimatstadt Halle an der Saale, haben bis vor kurzem in der Halle trainiert, in der Sie das Schwimmen gelernt haben. Ist Ihnen dieses vertraute Umfeld wichtig, um konzentriert zu arbeiten?
Biedermann: Eigentlich hat das ganz pragmatische Gründe: Mein Trainer wohnt in Halle. Frank Embacher betreut mich ja jetzt schon seit Jahren, dank ihm kam der Erfolg. Und so lange er in Halle ist, bleibe ich auch dort.
SPOX: Aufgrund dieser Erfolge sind Sie in diesem Jahr zu einem der absoluten Sportstars Deutschlands aufgestiegen und sogar zum Sportler des Jahres gewählt worden. Woran merken Sie, dass Sie nicht mehr einfach nur Paul Biedermann sind?
Biedermann: Naja, die Medienanfragen und das allgemeine Interesse haben schon zugenommen, aber in meinem privaten Umfeld ist alles wie vorher. Das finde ich auch gut so.
SPOX: Man könnte natürlich auch meinen, dass Sie gar nicht zum Superstar taugen. Mit Superstars assoziieren viele Menschen sofort dicke Autos und andere Statussymbole. Sie haben nicht mal einen Führerschein.
Biedermann: (lacht) Ich fühle mich so, wie ich bin, derzeit ganz wohl. Ich muss kein Star sein und sehe mich eher als bodenständig. Mit der Einstellung bin ich Weltmeister geworden, so falsch kann das also nicht sein. Den Führerschein werde ich aber natürlich nachholen.
SPOX: Wie kommt es denn, dass Sie ihn bisher nicht gemacht haben?
Biedermann: Das war eine Zeitfrage. Ich bin ja ziemlich viel unterwegs im Moment, davor habe ich auch noch Abitur gemacht. Da bot sich die Gelegenheit nicht, es hat einfach nicht gepasst. Aber jetzt will ich mir die Zeit nehmen.
SPOX: Wie sind Sie denn die ganzen Jahre ohne Auto zum Training gekommen?
Biedermann: Mein Weg war zum Glück gar nicht so weit. Mit dem Fahrrad habe ich von zu Hause nur drei Minuten gebraucht. Da habe ich dann gleich auch noch was für die Umwelt getan (lacht).
SPOX: Sie hatten sich schon nach der WM in Rom etwas Freizeit gegönnt. Oder täuscht der Eindruck, dass Sie sich damals ein Stück aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatten?
Biedermann: Ich brauchte diese dreiwöchige Pause einfach. Parallel lief aber zum Glück die Leichtathletik-WM, insofern war es der ideale Zeitpunkt.
SPOX: In letzter Zeit sind Sie wieder häufiger in der Öffentlichkeit aufgetreten. War das eine bewusste Entscheidung? Haben Sie vielleicht sogar Druck von Ihrem Management bekommen?
Biedermann: Ich habe inzwischen natürlich einige Sponsoren, die möchte ich gerne präsentieren, zudem ist es mir ein Anliegen, etwas für den Schwimmsport zu tun. Es gab Jahre, in denen es bei mir überhaupt nicht lief. Trotzdem wurde ich weiter gefördert. Ich hoffe, dass ich helfen kann, Schwimmen in Deutschland wieder populärer zu machen.
SPOX: Sie hatten vor kurzem gesagt, dass Sie vom Schwimmen nicht sehr lange werden leben können. Mit Ian Thorpe oder unlängst Libbie Trickett und Laure Manaudou gibt es einige Beispiele von Profis, die sehr früh aufgehört haben. Muss man sich da auch bei Ihnen Sorgen machen?
Biedermann: (lacht) Auf keinen Fall. Grob plane ich bis 2016. Drei Olympische Spiele möchte ich schon gerne mitnehmen. Dann wäre ich 30, dann ist vielleicht auch irgendwann der Zeitpunkt gekommen.
SPOX: Aktuell spüren Sie also keinen Druck, sich ein zweites Standbein aufbauen zu müssen?
Biedermann: Nein, nein! Vor 2016 mache ich mir darüber keine großen Gedanken. Ich denke, ich bin sehr gut im Saft. Aufhören ist überhaupt kein Thema.
SPOX: Dann können wir uns ja auf weitere Duelle mit Michael Phelps freuen. Über Ihr Verhältnis wurde schon viel geschrieben. Würden Sie sagen, dass man gerade in Einzelsportarten zu seinen größten Konkurrenten eine gewisse Distanz wahren muss?
Biedermann: Das glaube ich schon. Man braucht diesen Wettbewerb, und für die Zuschauer sind solche Duelle doch das Spannendste. Davon lebt der Schwimmsport. Deshalb freue auch ich mich darauf, mich in den nächsten Jahren weiter mit ihm messen zu können. Man will schließlich ständig wissen, wo man in diesem Vergleich steht.
SPOX: Was glauben Sie denn, wie Sie abschneiden werden? Vor allem, wenn es die Anzüge nicht mehr gibt?
Biedermann: Das kann ich wirklich noch nicht sagen. Ich schätze, Richtung Europameisterschaft in Budapest (4. bis 15. August 2010, Anm. d. Red.) wird man so langsam sehen können, wie viel die Anzüge wirklich gebracht haben.
SPOX: Ist das Verhältnis zu anderen Weltklasse-Schwimmern denn besser als das zu Phelps?
Biedermann: Natürlich, ich verstehe mich mit sehr vielen Kollegen sehr gut, eigentlich mit allen. Aber man sieht sich ja nur sehr selten, da entstehen so schnell keine Freundschaften. Die Leute, die in der eigenen Disziplin mitschwimmen, sind natürlich zuallererst Konkurrenten, aber trotzdem geht man respektvoll miteinander um.
SPOX: Bevor wir uns verabschieden und ich Ihnen ein frohes Fest wünsche, müssen Sie mir eine letzte Frage beantworten: In vielen Shows werden Sie aktuell als Deutschlands Sportler des Jahres abgefeiert. Wer ist denn eigentlich Ihr Sportler des Jahres?
Biedermann: (wie aus der Pistole geschossen) Thomas Lurz, weil er im Freiwasserschwimmen alles gewonnen, sich kontinuierlich gesteigert hat und insgesamt acht Mal Weltmeister war. Für mich ist er der König der Meere. Es ist traurig, dass das nicht genug gewürdigt wird.