"Beim DVV lief vieles schief"

Zuspielerin Kathleen Weiß (mit Maren Brinker, l., und Maggie Kozuch, r.) gewann erneut EM-Silber
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SPOX: Die Nationalspielerinnen spielen in ganz Europa verstreut. War die EM-Vorbereitung auch deshalb so lang?

Weiß: Unser Sommer begann für die Jüngeren Ende Mai, für uns Ältere Anfang Juni. Es ist eine lange Zeit, aber die ist wirklich wichtig. Im Volleyball muss man viel eingespielter sein als im Fußball. Wenn bei uns ein Pass fünf oder zehn Zentimeter länger oder das Tempo etwas anders ist, dann trifft der Angreifer eben den Ball nicht.

SPOX: Heißt, Sie haben für diese Silbermedaille vier Monate aufeinandergehockt. Geht man sich da nicht irgendwann unheimlich auf die Nerven?

Weiß: (lacht) Das fragen so viele, aber wir sind wirklich ein klasse Team. Mal für mich gesprochen: Meine besten Freundinnen sind in diesem Team. Mit Maggie Kozuch bin ich seit sieben Jahren auf dem Zimmer. Wir kennen uns in- und auswendig. Wenn das nicht wäre, wäre es eine Belastung.

SPOX: 2011 standen sechs Bundesliga-Spielerinnen im Aufgebot, jetzt waren es nur noch drei - ein Trend?

Weiß: Ja, das liegt klar an den finanziellen Möglichkeiten, die sind im Ausland viel größer. In Deutschland kann sich vielleicht ein Schweriner SC jetzt die Rückkehr einer Saskia Hippe leisten. Weil das etwas Besonderes ist, weil es ein guter Verein ist, der Champions League spielt und das für eine Spielerin finanziell möglich macht. Man kann als Nationalspielerin eigentlich nicht zurück nach Deutschland gehen, wenn man nicht andere Prioritäten setzt. Da würde man zu viel Geld verlieren.

SPOX: Sie sind seit ihrem Abschied aus Schwerin vor fünf Jahren unglaublich viel rumgekommen: Sechs Vereine in drei Ländern seit 2008. Was fehlt der Bundesliga, um mit der europäischen Spitze finanziell mitzuhalten?

Weiß: Wahrscheinlich eine Mischung aus noch mehr Professionalität und Präsenz. Denn mehr Fernsehzeit würde einhergehen mit mehr Geld. Es müssten größere finanzielle Möglichkeiten für die Vereine geschaffen werden, dann könnte man auch wieder über eine Rückkehr nach Deutschland nachdenken. Momentan ist der Unterschied zu den anderen Ligen zu groß, auch sportlich, weil natürlich alle guten nichtdeutschen Spielerinnen auch in anderen Ländern spielen.

SPOX: Dann ist es ein Erfolgsrezept der Nationalmannschaft, so viele Legionäre zu vereinen?

Weiß: Ja, wenn man als Nationalmannschaft in der Weltspitze mitspielen will, kann man nicht nur drei, vier Sommer auf diesem Niveau trainieren. Das muss man im Winter in den jeweiligen Vereinen weiterentwickeln. Deshalb ist es zurzeit sehr wichtig, früher oder später ins Ausland zu gehen.

SPOX: Besteht die Hoffnung, vielleicht auch beim DVV, dass der EM-Erfolg und die neue Aufmerksamkeit eine Chance für die Bundesliga sind?

Weiß: Auf jeden Fall. Was die Bundesliga und auch der DVV in den letzten Jahren verstanden haben, ist, dass die Nationalmannschaft und die Liga zusammenarbeiten müssen. Letztendlich ist es immer Volleyball. Und die Fans der Bundesliga sind auch Fans der Nationalmannschaft. Seit zwei Jahren ziehen die Offiziellen hier endlich an einem Strang.

SPOX: Welche Rolle spielt der neue DVV-Präsident Thomas Krohne? Er löste vor gut einem Jahr Werner von Moltke an der Spitze des Verbands ab und bringt jahrelange Erfahrung in der Sportrechtevermarktung der Fußball-Bundesliga und des Golf-Sports mit.

Weiß: Eine sehr große Rolle. Unter dem neuen Präsidenten konnten wir in diesem Sommer viel bewegen. So eine Medienpräsenz hat es für den Volleyball noch nie gegeben. Das ist der Weg, den wir gehen müssen. Klar, wenn du sportlich nicht erfolgreich bist, klappt das nicht. Aber wir haben jetzt einen Riesenschritt gemacht und das muss die nächsten Jahre weitergehen.

SPOX: Was ist unter Krohne neu?

Weiß: Erstens hat er sehr viele Kontakte in der Medienbranche, nutzte diese hervorragend und klapperte Radio- und Fernsehsender ab. Zweitens geht es gerade um unseren Ausstatter. Früher hieß es gerne mal, unseren Ausstatter haben wir seit fünf Jahren, also bleibt das auch so. Das mag lächerlich klingen, war aber so. So gab es bei unserer Vermarktungsfirma jahrelang niemanden, der für uns neue Sponsoren gesucht hat. Seit Zürich als großer Geldgeber vor fünf, sechs Jahren absprang, kam eigentlich nichts dazu.

SPOX: Das klingt unglaublich.

Weiß: War aber tatsächlich so. Alles ging damals bergab: Unser Ausstatter hat uns immer weniger gegeben, weil er dachte, die bleiben ja eh. Die Qualität der Ausrüstung wurde schlechter und die Sponsoren blieben weg. In Sachen Professionalität auf der Vermarktungsebene, wie man Sponsoren anspricht, wie man die Nationalmannschaft präsentiert, dass da mal ein Vortrag mit einer Diashow gehalten wird - da haben wir mit dem neuen Präsidenten einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht.

SPOX: Wie haben Sie als Spielerinnen auf diese Missstände reagiert?

Weiß: Als wir vor etwa vier Jahren immer ein Stück mehr Einblick bekamen, was beim DVV alles schief läuft, waren wir erschrocken. Man konnte ja erst mal davon ausgehen, dass sich daran die nächsten Jahre nichts ändert.

SPOX: Da geht die Motivation vermutlich flöten...

Weiß: Bis Olympia hatten wir eh nichts anderes im Kopf, das ist immer ein Ziel. Aber dann waren wir soweit, zu denken, für den Verband brauchst du ja eigentlich nicht mehr zu spielen, das bringt dir nicht mehr viel.

SPOX: Jetzt denken Sie anders darüber?

Weiß: Ja, das hat sich in diesem Sommer komplett geändert. Jetzt richten wir den Blick in die Zukunft und haben das Vertrauen, dass da etwas entstehen kann, die nächsten Jahre.

SPOX: Das heißt, Ihre sportliche Zukunft sehen Sie auch weiter in der Nationalmannschaft? Die Qualifikationen für den Grand Prix 2014, die WM 2014 und die EM 2015 sind ja geschafft.

Weiß: Auf jeden Fall. Für mich ist es eine der schönsten Sachen der Welt, in diesem Team zu spielen. Und so lange ich noch so viel Spaß an meinem Beruf habe und da auch noch eine Menge Geld verdiene, was ich später nicht mehr kann, werde ich das noch nutzen.