Der Streit ums liebe Geld eskaliert, die Spitzensportreform hängt am seidenen Faden. Ein gutes halbes Jahr, nachdem Deutscher Olympischer Sportbund und Innenministerium ihr als wegweisend gepriesenes Werk durchgedrückt haben, liegen die Nerven auf allen Seiten blank. Vor einem Krisengipfel am Donnerstag in Berlin setzt DOSB-Präsident Alfons Hörmann dem Reformpartner und größten Geldgeber von "Sportdeutschland" die Pistole auf die Brust.
"Ein entsprechender Mittelaufwuchs ist unabdingbar, andernfalls können und werden wir nicht wie geplant in die Umsetzung einsteigen", sagte Hörmann dem SID mit Blick auf die Reform und die jüngsten Spannungen mit dem Innenministerium. Hintergrund ist eine angeblich durch das Ministerium zugesicherte Etat-Aufstockung von 39 Millionen Euro, von denen aber nur acht Millionen in den Haushaltsentwurf für 2018 eingearbeitet wurden.
"Wir arbeiten derzeit Tag für Tag intensiv mit den Verbänden zusammen, um die Umsetzung zu besprechen und alle wichtigen Maßnahmen vorzubereiten, aber finanziell hängen wir in der Luft. Das wird so dauerhaft nicht funktionieren", sagte Hörmann.
Aufregung? Nicht auf beiden Seiten
Im Innenministerium kann niemand die Aufregung nachvollziehen, Minister Thomas de Maizière hält sie gar für "völlig unangebracht". Man habe das Geld nie fest zugesagt, heißt es aus Berlin. "Wir sind in einem Wahljahr. Und das heißt, eine neue Regierung beschließt einen neuen Haushalt", sagte de Maiziére zuletzt. Erst dann sei "die Stunde der Wahrheit". Er wolle sich dann für den Sport stark machen - ob er allerdings nach der Bundestagswahl im September noch der für den Sport zuständige Minister sein wird, steht in den Sternen.
Insgesamt acht Millionen Euro aus dem beantragten Etat für wichtige Projekte, etwa die Entsendungskosten für die Winterspiele in Pyeongchang, hatten die Prüfung des Finanzministeriums überstanden. Der Rest wurde gestrichen. De Maizières Sport-Abteilungsleiter Gerhard Böhm goss Öl ins Feuer, indem er den Spitzenverbänden mitteilte, die Aufstellungen zu den übrigenvorgeschlagenen Posten mit dem Gesamtvolumen von 31 Millionen Euro seien veraltet und besäßen keine "Etatreife". Er erhielt Brandbriefe von DOSB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfenning und Verbände-Sprecher Siegfried Kaidel. Jetzt legt Hörmann nach.
Böhms Vorwurf könne er "weder nachvollziehen noch akzeptieren". "Wir alle im Sport können ganz klar den Nachweis erbringen, dass alle angeforderten Unterlagen geliefert wurden. Nachdem die von Herrn Böhm in der Konferenz der Sportdirektoren am 9. März von sich aus kommunizierten 39 Millionen wieder zurückgenommen wurden, kam urplötzlich das Argument der 'mangelnden Etatreife' auf", sagte Hörmann.
Die Fronten vor dem Krisentreffen sind völlig verhärtet. Das Mindeste, was droht, ist ein Reformstau bis tief ins Jahr 2018. Der für den 1. Januar 2019 vorgesehene offizielle Startschuss der Reform wäre kaum zu halten.
Böhm sagte dem SID, er erwarte in Berlin "eine faire Diskussion über den Sachstand der Reform". Im Sinne des Spitzensports und der Athleten solle man sich "zusammenraufen, um die Reform langfristig zum Erfolg zu führen". Das BMI als Zuwendungsgeber werde "in jeglichem Sinne" seinen Beitrag dazu leisten. Eine kurzfristige Etaterhöhung wird nicht dazugehören.
Mangelnde Perspektive
In den Spitzenverbänden schwankt die Stimmung zwischen Wut und Resignation. Von dem Treffen in Berlin erwarte er "eigentlich gar nichts", sagte Kanu-Präsident Thomas Konietzko, dafür sei die Situation zu verfahren. Es gebe "unüberbrückbare Gegensätze", ergänzte Konietzko: "Die offensichtlich fehlende Bereitschaft, sich tatsächlich für den Sport einzusetzen, verunsichert am meisten. Uns fehlt die Perspektive."
Judo-Präsident Peter Frese kritisierte das BMI scharf. "Man kann sich nicht verstecken hinter den Bundestagswahlen. Ich erwarte auch vom Sportausschuss, dass er mal auf die Haushälter zugeht und einfordert", sagte Frese.
Solche Aussagen und eigentlich auch die ganze Causa bringen wiederum die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag auf die Palme. Was sie "wirklich nachdenklich" stimme, sagte sie dem SID, sei die Tatsache, dass der DOSB "offensichtlich nicht willens oder in der Lage" sei, den "hinlänglich bekannten Sachverhalt an seine Spitzenverbände zu kommunizieren".
Konietzko schlägt drastische Maßnahmen vor: "Vielleicht sollten wir uns einfach nicht mehr gegenseitig weiter in die Taschen lügen und künftig international einfach kleinere Brote backen. Darüber sollte man mal ernsthaft nachdenken."