"Lass uns in Ruhe, du hast keine Ahnung!"

Von Interview: Haruka Gruber
Sergey Karasev (l.): Das russische Supertalent von Triumph Lyubertsy
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SPOX: Vor dem Eurocup-Spiel bei den Artland Dragons gingen in Quakenbrück Ticket-Anfragen von sechs NBA-Teams ein, um Sie zu beobachten. Wussten Sie das?

Karasev: Davon höre ich zum ersten Mal, aber es ist schön. Wenn sich Scouts extra den langen Weg machen, kann es nur ein Zeichen von Anerkennung sein.

SPOX: Trauen Sie sich die NBA zu?

Karasev: Grundsätzlich: ja. Ich hatte vor zwei Jahren ein Spiel gegen Dynamo Moskau. Wir standen schon als Playoff-Teilnehmer fest und es war die Endphase der Regular Season, daher sollte ich als Jungspund 10 bis 15 Minuten spielen. Stattdessen stand ich 39 Minuten auf dem Court und erzielte 34 Punkte. Danach wusste ich: Ich kann es schaffen und ein richtig guter Basketballer werden.

SPOX: Kurz darauf nahmen Sie, obwohl erst 17 Jahre jung, mit Russland an der U-19-WM teil und besiegten in einem denkwürdigen Viertelfinale die hochkarätig besetzten USA mit dem heutigen NBA-Profi Jeremy Lamb sowie den College-Stars Tim Hardaway Jr. sowie Doug McDermott. Später gewann ihr Team Bronze.

Karasev: Das war fantastisch. Gegen die USA zu gewinnen, ist für Russland ohnehin etwas Besonderes. Vor allem, weil die Amerikaner eine Topmannschaft nominiert hatten. Sehr athletisch, sehr talentiert. Es wurde ein tolles Duell, das wir für uns entscheiden konnten, weil wir als Kollektiv und mit Köpfchen zusammenspielten.

SPOX: Wie verlief das direkte Duell mit Lamb, der 2012 an Nummer 12 gedraftet wurde und nun bei den Oklahoma City Thunder unter Vertrag steht?

Karasev: Lamb ist groß, wirft und dribbelt gut. Dass er jetzt in der NBA ist, kommt nicht von ungefähr. Ihn zu verteidigen, war entsprechend schwierig. Aber obwohl ihm 20 Punkte gelangen, stoppten wir ihn als Gemeinschaft und kontrollierten den Rest des US-Teams.

SPOX: Sie selbst erzielten 17 Punkte und zeigten sich ebenbürtig. Ist ein sofortiger Wechsel in die NBA denkbar?

Karasev: Ich schaue mich vor allem in Europa um und spiele Szenarien durch. Es ist genauso möglich, im Sommer in die Summer League zu gehen, um ein Gefühl zu bekommen, wie es in der NBA zugeht und woran ich noch arbeiten muss.

SPOX: Passt Ihr Spielstil mehr zum europäischen oder amerikanischen Basketball?

Karasev: Ich glaube, das ist egal.

SPOX: Ihr Landsmann Alexey Shved wechselte vor dieser Saison vom russischen Überverein ZSKA Moskau in die NBA nach Minnesota. Benötigen Sie womöglich einen Zwischenschritt? Triumph gehört nicht zu den allerersten Adressen des europäischen Basketballs.

Karasev: Zunächst einmal war es für Alexey wichtig, es mit 23 Jahren überhaupt in die NBA zu schaffen. Ein, zwei Jahre später hätte er die Chance vielleicht nie bekommen. Jetzt macht er einen guten Job und liefert 11 Punkte im Schnitt. Wobei: Ob sein Weg der einzig richtige ist und ich erst mal zu einem absoluten Spitzenklub in Europa wechseln muss, weiß ich noch nicht. Wenn ich ehrlich sein soll: Wenn schon, will ich ohne Zwischenschritt direkt in die NBA. Ich denke, dass ist die beste Lösung für mich.

SPOX: Zumal Sie anders als viele ausländische Spieler kaum Anpassungsprobleme haben dürften. Sie beherrschen fließend englisch.

Karasev: Die ersten Wochen würden bestimmt seltsam sein, das sollte sich allerdings schnell legen. Ich bin wegen der vielen Wechsel meines Vaters in so vielen Ländern aufgewachsen und zu so vielen Schulen gegangen, dass ich keine Angst habe. Ich weiß noch, wie ich damals für die erste Klasse in einer internationalen Grundschule in Thessaloniki eingeschrieben wurde. Es gab mich und ein russisches Mädchen, alle anderen sprachen englisch. Die ersten drei Monate liefen furchtbar, weil ich nichts verstand und ein Außenseiter war. Ich bin weinend nach Hause und bettelte meine Mutter an, dass sie immer mit in die Schule kommen soll, damit ich in der Pause jemanden habe, mit dem ich reden kann. Sie lehnte natürlich ab und blieb hart. Naja, am Ende des Schuljahres konnte ich ordentlich englisch und als wir mit der Familie nach Russland zurückzogen, machte ich mit dem Englisch lernen immer weiter.

SPOX: Welche Ratschläge gab Ihnen NBA-Star Andrei Kirilenko während den Olympischen Spielen in London?

Karasev: Er sprach viel mit mir. Am Ende lautete der entscheidende Satz: Wenn ich weiter so arbeite, lande ich spätestens in zwei, drei Jahren zu hundert Prozent in der NBA.

SPOX: Wie behalten Sie die Olympischen Spiele in Erinnerung? Russland gewann Bronze, Sie selbst kamen jedoch im gesamten Turnier nur 6 Minuten zum Einsatz.

Karasev: Es war eine ungewohnte Situation, die ich so nicht kannte. Aber ich musste akzeptieren, dass ich so lange auf der Bank sitze und Coach David Blatt anderen mehr vertraut. Ich war dennoch nie sauer. Vielleicht, weil ich wusste, wie wichtig die Wochen für meine Entwicklung sein könnten. Ich verbrachte so viel Zeit mit großartigen Basketballern wie Andrei, Alexey, Viktor Khryapa, Sergei Monia. Sie gaben mir alle unbezahlbare Tipps. Und dann bekam ich noch die Bronzemedaille umgehängt. Am Ende bleibt London eine wundervolle Erinnerung.

Der komplette Spielplan der Euroleague-Saison

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