Sein Vater spielte in der NBA und ABA, sogar gemeinsam mit Julius "Dr. J" Erving, Kumpel Nick Young läuft für die Los Angeles Lakers auf. Bryce Taylor selbst ist Bayern X-Faktor und spricht im Interview über den Traum NBA, den Albtraum Summerleague, seine Entscheidung pro Europa und die Saison der Bayern.
SPOX: Bryce Taylor, am Wochenende haben Sie den ersten Titel der Saison verpasst. Wie groß ist die Enttäuschung?
Bryce Taylor: Der Pokal war eines unserer Ziele. Wenn man es dann nicht erreicht, ist das natürlich enttäuschend. Zum Glück geht es am Donnerstag aber gleich weiter. Da haben wir keine Zeit für große Trauer.
SPOX: Aber wie schwer ist es, den Fokus nach einer solchen Niederlage direkt wieder auf die Euroleague zu lenken?
Taylor: Wir haben uns das Spiel gegen Ulm noch einmal angesehen. Einfach um zu sehen, was wir falsch gemacht haben, was wir besser machen können. Jetzt muss man das einfach abhaken. Als Spieler ist das allerdings nicht so leicht, weil wir diesen ersten Titel nach München bringen wollten.
SPOX: Bambergs Coach Chris Fleming sagte im Interview mit SPOX vor der Saison, dass er im Grunde froh gewesen sei, vergangene Saison nicht das Top 4 erreicht zu haben, da man es aufgrund der Mehrbelastung durch die Euroleague-Top-16 ohnehin nicht gewonnen hätte. Spüren Sie ebenfalls den Einfluss der Euroleague?
Taylor: So regelmäßig auf einem derart hohen Level zu spielen, ist schon eine Herausforderung für uns alle. Jede Woche kann es sein, dass du zum Beispiel ein entscheidendes Spiel gegen Galatasaray hast und dann direkt in Frankfurt ran musst, was alles andere als einfach ist. Das erfordert einiges an mentaler Stärke. Daran müssen wir wachsen und die Enttäuschung aus dem Pokal als Motivation nehmen.
SPOX: Spüren sie denn selbst mittlerweile die hohe Belastung durch die Euroleague?
Taylor: Es ist gerade erst Anfang April und wir haben bereits 50 Spiele absolviert. Da macht sich die Frequenz, in der man sich auf die Spiele vorbereiten muss, natürlich bemerkbar. Andererseits ist das auch eine Chance, uns zu testen. Außerdem wollten wir das ja auch. Wir wollten in die Top 16. Du kannst dir nicht einfach nur die positiven Dinge rauspicken. Ich sehe das als Herausforderung.
SPOX: Immerhin spielen Sie eine herausragende erste Euroleague-Saison. Bis zum Ende um die Playoffs zu kämpfen, hatten Ihnen wohl die wenigsten zugetraut. Ist man dennoch manchmal ein wenig eingeschüchtert, wenn es gegen Teams wie Real, ZSKA Moskau oder Olympiakos Piräus geht?
Taylor: "Eingeschüchtert" sicher nicht. Es ist eher aufregend, in diesen Hallen, in dieser großartigen Atmosphäre, gegen derart geschichtsträchtige Teams und ihre herausragenden Spieler auf höchstem Level zu spielen. Wenn ich dann den Court betrete, habe ich jedes Mal das Gefühl, dass ich etwas zu beweisen habe.
SPOX: Sie sprechen die Atmosphäre an. Es macht den Anschein, als hätten Sie auswärts einige Probleme. Weshalb?
Taylor: Wir dürfen uns nicht so sehr von der Atmosphäre beeinflussen lassen. Das müssen wir besser hinbekommen. In der BBL klappt das schon recht gut. In der Euroleague ist der Heimvorteil allerdings noch mal ein Stück größer. Die Reisen spielen eine Rolle, aber natürlich auch der Fan-Support. Andersrum spielen wir zu Hause auch richtig gut und bereiten wiederum den anderen Teams Probleme. Auf diesem Niveau machen die Fans definitiv einen Unterschied aus.
SPOX: Zuhause haben Sie sogar das große Real Madrid besiegt. Die Stimmung in der Halle war herausragend. Beschreiben Sie einmal das Gefühl, wenn es in engen Spielen richtig laut wird.
Taylor: Du fühlst das einfach. Speziell gegen Ende des Spiels, wenn alle ein wenig müde werden. Triffst du dann einen wichtigen Wurf oder verteidigst stark, tragen die Fans zum Druck bei, den du auf den Gegner ausübst. Dann erzwingst du einen Ballverlust, schließt den Fast-Break auch noch per Dunk ab und die Fans flippen aus. Das gibt dir schon einen immensen Push.
SPOX: Sie haben in dieser Saison gegen einige großartige Spieler gespielt. Wer war der beeindruckendste?
Taylor: Spanoulis. Sobald er am Ball ist, ist er unglaublich schwer zu verteidigen. Er geht immer wieder ins Pick-and-Roll, was sehr schwer zu verteidigen ist. Außerdem trifft er einfach wichtige Würfe. Mich hat schon beeindruckt, wie er seinen MVP-Status immer wieder untermauert.
SPOX: Es scheint, als würde er immer einen Weg finden, für sich selbst oder seine Mitspieler etwas zu kreieren.
Taylor: Genau. Er ist groß und hat ein gutes Ballhandling. Er ist nicht der größte Athlet, aber immer noch schnell. Dazu kommt natürlich die immense Erfahrung.
SPOX: In der Euroleague erwartet niemand wirklich von Ihnen, die Playoffs zu erreichen. In der BBL sind Sie dagegen Favorit. In welcher Situation fühlen Sie sich wohler?
Taylor: Es hat beides seine Vorteile. Außenseiter zu sein, ist nicht zwingend schlecht. Mittlerweile haben die übrigen Teams der Euroleague aber mitbekommen, wozu wir in der Lage sind. Deshalb denke ich auch nicht unbedingt, dass wir noch Außenseiter sind. Unterschätzen wird uns wahrscheinlich niemand mehr. Wir haben uns mittlerweile Respekt erarbeitet. Zu Beginn war die Außenseiter-Rolle allerdings schon irgendwie aufregend. Der Klub spielt sein erstes Jahr in der Euroleague, einige Spieler ebenfalls. Da hat man einfach das Gefühl, etwas beweisen zu müssen. Als Favorit kannst du dir auf der anderen Seite keine Unachtsamkeit leisten. Die Fans sind gegen dich, der Gegner holt alles aus sich heraus. Gerade gegen einen Klub wie Bayern.
SPOX: Wie am Wochenende in Ulm.
Taylor: Genau. Es hat sich angefühlt, als wäre die ganze Halle gegen uns. Nicht nur die Fans unserer direkten Gegner, auch die, deren Mannschaften gerade gar nicht gespielt haben. Bamberger, Berliner und Ulmer haben sich quasi gegen uns vereint. Als Spieler musst du das natürlich ausblenden oder es sogar als Motivation nehmen können. Ich habe in dieser Saison aber erstmals so richtig gemerkt, dass die Leute wirklich hoffen, dass ich verliere.
SPOX: Wie bereitet Sie Coach Pesic auf derartige Situationen vor?
Taylor: Wir sprechen natürlich darüber. Coach Pesic teilt seine Erfahrung mit uns. Immerhin hat er schon auf allerhöchstem Level trainiert und mit Barcelona alles gewonnen. Diese Erfahrung hilft uns auch als Team.
Seite 1: Taylor über die erste Euroleague Saison und den Einfluss der Fans
Seite 2: Taylor über die Summerleague, die Wurfauswahl und Kumpel Nick Young
SPOX: Sie sagten einst, Pesic habe ein Vision. Wie würden Sie die beschreiben?
Taylor: Damit meinte ich Mentalität, die er auf beiden Seiten des Courts predigt. Er fordert, dass unsere Defense diktiert, was das andere Team tut. Nicht umgekehrt. Wir wollen ständig Druck ausüben, um es dem Gegner zu erschweren, seine Offense ins Laufen zu bekommen. Vorne wollen wir den Druck auf die Defense hochhalten, indem wir ständig attackieren. Seine Vision ist sehr aggressiv. Wir sollen das Tempo diktieren. Zu jeder Zeit.
SPOX: Kommt Ihnen das entgegen?
Taylor: Ja, das ist perfekt für mich. Ich denke, das war einer der Gründe, weshalb sie mich geholt haben. Sie haben gesehen, dass ich zu Coach Pesic' Stil passe. Natürlich ist es aber ein ständiger Lernprozess für mich.
SPOX: Von sich selbst haben Sie gesagt, so etwas wie der Glue Guy zu sein, der all die kleinen Dinge macht. Wie würden Sie Ihre Rolle beschreiben?
Taylor: Zuerst einmal versuche ich, mit gutem Beispiel voranzugehen. Ich will die Passwege zustellen, durch meine Athletik Offensiv-Rebounds abgreifen und auch am defensiven Brett helfen. Offensiv versuche ich einfach, von allem ein bisschen zu machen. Den Extrapass spielen, punkten, zum Korb ziehen oder den offenen Wurf nehmen. Das ist meine Rolle. Ich muss nicht in jedem Spiel 20 Punkte machen. Wenn ich am Ende 8 Punkte und gleichzeitig 4 Rebounds, 4 Steals und 2 Assists habe, habe ich einen Einfluss auf alle Facetten des Spiels gehabt und kann meinem Team so auf mehr als nur eine Art helfen.
SPOX: Ein Bereich, in dem Sie Ihrem Team definitiv helfen, gerade in der Euroleague, ist das Shooting. Sie sind unter den Top-5-Dreierschützen. Trainieren Sie Ihren Dreier auf eine spezielle Art und Weise?
Taylor: Wir arbeiten grundsätzlich jeden Tag daran, aber ich versuche auch, individuell etwas zu tun. Manchmal komme ich morgens rein, nehme ein paar Extrawürfe, um im Rhythmus zu bleiben. Größtenteils geht es aber um die Wurfauswahl. Den Wurf zu erzwingen, bringt nichts. Ich warte, bis ich offen bin, einen guten Wurf habe, um dann mit Selbstvertrauen abzudrücken. Malcolm Delaney und unsere Point Guards setzen mich aber auch immer wieder gut ein.
SPOX: Sie ziehen den Dreier aus dem Stand also dem Pull-up-Dreier vor.
Taylor: Genau. In unserem System warte ich meistens auf der Weakside auf Catch-and-Shoot-Chancen. Ich nehme nicht zu viele Dreier aus der Bewegung, da das nicht wirklich zu unserer Offense passt.
SPOX: Ihr Vater war ebenfalls Profi, spielte in der ABA und NBA. Inwieweit hat er Ihr Spiel beeinflusst?
Taylor: Im Grunde in jeder Hinsicht. Er hat mir die Grundlagen beigebracht, mir schon in jungen Jahren immer wieder Videos gezeigt. Zudem hat er mir bei den mentalen, taktischen und technischen Aspekten des Spiels sehr geholfen. Als Junge hatte ich da natürlich einen großen Vorteil, da ich von jemandem lernen durfte, der im Basketball alles durchgemacht hat, auch auf allerhöchstem Level.
SPOX: Bei den New York Nets hat er sogar mit Julius Erving zusammengespielt. Gab es da auch die eine oder andere Geschichte?
Taylor: Oh ja. Er hat einiges zu erzählen. Immer, wenn ich im Sommer nach Hause komme, reden wir über Basketball. Natürlich auch über Dr. J., was er für ein großartiger Spieler und Teamkollege war. Allerdings hatte er wegen der ganzen Dunks große Probleme mit den Knien, musste immer diese dicken Kniebandagen tragen, da die Schuhe noch keine Dämpfung hatten.
SPOX: Hatten Sie denn selbst den Plan, irgendwann in der NBA zu spielen?
Taylor: Klar, jeder junge Amerikaner hofft auf die NBA. Ich habe auch den ganzen Draft-Prozess mitgemacht, war bei verschiedenen Teams zum individuellen Workout. Die Chance war also mehr als realistisch. Am Draft-Abend wurde mein Name dann allerdings nicht aufgerufen. Da musste ich eine Entscheidung treffen: Soll ich einen nicht garantierten Vertrag unterschreiben, um es vielleicht irgendwie zu schaffen, oder soll ich nach Italien gehen, Geld verdienen und reisen? Ich habe es dann zwar einige Jahre in der Summerleague versucht, dort ist es für mich aber nicht allzu gut gelaufen. Da habe ich mir dann einfach gesagt: "Konzentriere dich auf Europa. Konzentriere dich darauf, in einem Land zu bleiben und dir dort einen guten Ruf zu erarbeiten." So habe ich in Deutschland meine zweite Heimat gefunden.
SPOX: Wie hart muss man sich den Weg durch die Summerleague denn vorstellen?
Taylor: Sehr hart. So viele Jungs kämpfen um so wenige Plätze. Da heißt es: jeder gegen jeden. Einige Jungs wollen nicht einmal mit dir sprechen, weil man eventuell um denselben Platz kämpfen könnte. Das ist die brutale Seite des Profisports. Es ist etwas, dem du dich vollständig verpflichten musst. Sonst klappt es nicht.
SPOX: Nick Young hat es geschafft, spielt inzwischen sogar bei den Lakers. Sie sind gut mit ihm befreundet. Wie ist er denn privat? Schließlich liest man einige witzige Dinge über ihn.
Taylor: Er ist einer meiner besten Freunde, einfach ein lustiger Kerl. Wir kennen uns, seit wir 16 sind. Manchmal ist er wie ein großes Kind. Er möchte einfach eine gute Zeit haben und liebt Basketball. Als Person ist er einfach großzügig, aufrichtig und lustig.
SPOX: Arbeiten Sie denn auch gemeinsam an Ihrem Spiel?
Taylor: Klar, im Sommer sind wir in allen möglichen Gyms in Los Angeles zu finden. Dort zieht er dann immer alle Blicke auf sich. Er redet viel, zelebriert den Trash-Talk und feiert seine Treffer. Er hat einfach Spaß am Spiel und weiß, welch einmalige Chance er gerade hat.
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