Völlig ausgelassen, ja geradezu tänzelnd bewegte sich Svetislav Pesic über das Parkett in der Arena am Berliner Ostbahnhof. Der 64-Jährige strahlte bis über beide Ohren und beglückwünschte jeden einzelnen seiner Spieler mit einer herzlichen Umarmung. Sein FC Bayern hatte soeben Spiel 4 der BBL-Finals mit 75:62 bei Alba Berlin gewonnen und damit die Serie mit 3:1 für sich entschieden.
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"Ich bin wirklich stolz auf meine Mannschaft, auch wenn das altmodisch klingt", sagte der sichtlich bewegte Pesic. Der Serbe selbst ist der Garant für den Erfolg der Münchner. Es war die erste Saison, in der "Sveti" mit einem nach seinen Vorstellungen zusammengestellten Kader in der bayerischen Landeshauptstadt arbeiten durfte.
Wirklich verwunderlich ist der Triumph deshalb nicht. Bei einem Blick auf seine bisherige Laufbahn kommt man zwangsläufig zu dem Schluss: Wo Pesic ist, da ist Erfolg. Um nur mal die absoluten Highlights aufzuzählen: Das ehemalige Jugoslawien führte er zum WM- und zum EM-Titel, mit der deutschen Nationalmannschaft gewann er die Europameisterschaft und Barcelona wurde unter Pesic Euroleague-Sieger.
"Wir waren die bessere Mannschaft"
Nun also holte der akribische Taktikfuchs mit dem durchaus feinen Gespür im Umgang mit Menschen die erste deutsche Meisterschaft seit 1955 nach München - durch einen beeindruckenden Auftritt in Berlin. "Wir haben eines der besten Auswärtsspiele der Saison gemacht. Wir haben uns in dieser Serie gegen einen starken Gegner durchgesetzt, weil wir die bessere Mannschaft waren", meinte Pesic.
Albas Leon Radosevic war mit 21 Zählern Topscorer der Partie, ansonsten punktete kein einziger Berliner im zweistelligen Bereich. Bei den Bayern avancierten Deon Thompson (18) und Bryce Taylor (16) zu den besten Werfern.
Schaffartziks provokante Verbeugungen
Ein ganz wichtiger Faktor für den Sieg war Heiko Schaffartzik (12). Der deutsche Nationalspieler tat seinem Ex-Klub im Schlussviertel mit unglaublichen Dreiern weh und verabschiedete sich schließlich mit provokanten Verbeugungen von den Alba-Fans, die ihn während der Saison und in den Finals mehrfach verunglimpft hatten.
"Es ist ein wahnsinniges Glücksgefühl. Am Ende des Tages hätte ich genauso motiviert gegen Quakenbrück gespielt", sagte Schaffartzik bei "Sport1": "Wenn man aber sieht, mit welchem Hass die Fans mir, Marko oder Svetislav Pesic begegnen, der den Verein groß gemacht hat, ist das auf jeden Fall eine Genugtuung." Und Pesic, der Alba als Coach zu vier Meisterschaften und drei Pokalsiegen geführt hatte, ergänzte: "Ich bin natürlich enttäuscht, wenn die Pfiffe von Leuten kommen, die ich eigentlich liebe. Ich erinnere mich gerne an die Zeit bei Alba zurück."
Besonders während der Finalserie war zwischen Alba und Bayern eine Schlammschlacht mit Beschuldigungen und Vorwürfen von beiden Seiten entstanden. Svetislav und Marko Pesic warfen Alba-Geschäftsführer Marco Baldi vor, eine Kampagne gegen die Münchner zu führen und seine Doppelfunktion als Alba-Verantwortlicher und Vizepräsident der Bundesliga massiv zu missbrauchen.
Die Berliner konterten unter anderem durch Aufsichtsratschef Axel Schweitzer, der in der "Sport Bild" erklärt hatte: "Die Bayern treten mit einem Selbstverständnis auf, das sie von den Fußballern übernommen haben. Aber der Unterschied ist: Die Fußballer haben über Jahre Erfolge erzielt, die Basketballer dagegen in der Neuzeit noch nicht."
Pesic denkt an Hoeneß
Diese Aussage ist mittlerweile widerlegt. Ohnehin waren den Bayern die Anfeindungen spätestens, als sie mit dem Silberpokal die Halle verließen, egal. Der Bayern-Tross feierte in einem Club am Berliner Alexanderplatz, ehe es am Donnerstag mit einem Fan-Fest am heimischen Audi Dome weiterging. "Für die nächsten 48 Stunden zeige ich mein schlimmstes Verhalten", stellte Taylor via "Twitter" klar, dass es eine ausufernde Party werden würde, wobei nicht nur Limonade getrunken wird.
In dem ganzen Trubel vergaßen die Bayern auch den Mann nicht, ohne den es Basketball in München in der aktuellen Form nicht geben würde: Den derzeit wegen Steuerhinterziehung inhaftierten Uli Hoeneß. "Schöne Grüße an unseren lieben Uli Hoeneß, seine Frau und die komplette Familie", sagte Coach Pesic, der in einem mit Sekt und Bier durchtränkten Anzug steckte: "Er hat mit seinem Präsidium den Basketball in München etabliert - und mit der gewonnenen Meisterschaft sind jetzt alle noch motivierter. Wir wollen weitermachen und es am besten auch nächstes Jahr schaffen."
Der letzte Satz dürfte sich für die Konkurrenz wie eine Drohung anhören und ist mehr als ernst zu nehmen. Es ist natürlich zu erwarten, dass die Bayern in den kommenden Jahren noch mehrere Meisterschaften holen werden. Der 18. Juni 2014 könnte der Beginn einer Ära gewesen sein.
Ein noch besserer Kader für Bayern?
Zwar wird mit Malcolm Delaney der MVP der regulären Saison und der Finals den Verein aller Wahrscheinlichkeit nach verlassen. Der US-Amerikaner möchte versuchen, einen Vertrag in der NBA zu bekommen, wird aber auch mit Olympiakos Piräus in Verbindung gebracht. Dennoch darf man sich sicher sein, dass die Münchner im Sommer alles dafür tun werden, um in der kommenden Saison einen qualitativ noch besseren Kader beisammen zu haben.
Schließlich soll nicht nur die nächste deutsche Meisterschaft eingetütet werden. Auch in der Euroleague, in der die Münchner mit Platz sechs in der Zwischenrunden-Gruppe F schon in diesem Jahr einen guten Eindruck hinterließen, soll möglichst der nächste Schritt mit dem Einzug ins Viertelfinale gemacht werden.
Die Konkurrenten wie Alba oder die Brose Baskets Bamberg, die zuletzt vier Mal in Folge Meister waren, können sich warm anziehen. Die Kritik, Bayern würde den anderen Mannschaften die Stars wegschnappen, indem horrende Gehälter gezahlt würden, gab es schon in der abgelaufenen Saison. Gut möglich, dass sie bald wieder aufflammen wird.
Der Fairness halber muss allerdings erwähnt werden, dass sich auch Bamberg zuletzt im Geldausgeben nicht zurückgehalten hat. Wer während der Saison Elias Harris, Jared Jordan und D'or Fischer verpflichtet, kann nicht gerade von sich behaupten, am Hungertuch zu nagen. Das schlechte Ergebnis ist bekannt: Für Bamberg war schon im Playoff-Viertelfinale gegen die Artland Dragons Endstation.
Was wird aus Obradovic?
Viel besser machten es die Berliner. Das bis auf Sven Schultze vor der Saison komplett neu zusammengestellte Team begeisterte mit einer bärenstarken Verteidigung und Teambasketball. "Wir haben das ganze Jahr über super gekämpft, und das mit Herz und Leidenschaft", resümierte Jan-Hendrik Jagla.
"Gratulation an die Bayern, sie haben diese Meisterschaft verdient gewonnen", sagte Alba-Trainer Sasa Obradovic: "Wir müssen ehrlich sein: Wir haben gegen die bessere Mannschaft verloren. Heute sind wir der Verlierer, aber wir werden eines Tages der Sieger sein."
Ob der Coach dann aber überhaupt noch dabei sein wird, ist ungewiss. Der 45-Jährige soll europaweit bei Klubs auf dem Zettel stehen. "Ich fühle mich wohl und mag Berlin, aber mein Vertrag endet. Noch gibt es nicht mehr zu sagen", so Obradovic.
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