Die deutsche Basketball-Nationalmannschaft hat eine dramatische und peinliche Niederlage kassiert und muss mehr denn je um die EM 2017 fürchten. In Dänemark kassierte das Team von Head Coach Chris Fleming eine 102:106-Niederlage nach dreifacher Verlängerung. Besonders die Spielweise in der Offensive wirft viele Fragen auf.
Einzig Danilo Barthel (26 Punkte, 10 Rebounds) und Maodo Lo (16 Punkte, 9 Assists) fanden zu ihrer Normalform. Bei den Dänen wuchs derweil Guard Alan Voskuil über sich hinaus und wurde mit 22 Punkten Topscorer seines Teams.
Das DBB-Team verließ sich das ganze Spiel über auf seinen Dreier - und traf gerade einmal 10 Stück bei 43 Versuchen. Auch die Rebound-Arbeit war eine Katastrophe. Deutschland (2-2) teilt sich damit den zweiten Platz mit den punktgleichen Österreichern, während die Niederlande (3-1) Tabellenführer ist. Nur der erste Platz ist sicher bei der Europameisterschaft dabei.
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Tip-Off: Für den abgereisten Pleiß rückte Voigtmann in die Starting Five von Chris Fleming. Ansonsten das gewohnte Bild mit Lo, Vargas, Zipser und Barthel. Bei den Dänen standen Gilling, Bergstedt, Voskuil, Jukic und Darboe auf dem Parkett.
1. Viertel: Deutschland startete mit Problemen im Abschluss und hatte nach 4 Minuten erst 6 Punkte auf dem Konto. Dann forcierte Lo im Spielaufbau etwas das Tempo - und schon waren die Würfe freier. Besonders Voigtmann profitierte davon und hatte schnell 3 erfolgreiche Dreier auf dem Konto (9:12). Da er zu diesem Zeitpunkt aber der einzige DBB-Akteur war, der regelmäßig traf, hatten die Dänen wenig Probleme, in Schlagdistanz zu bleiben: 16:18.
2. Viertel: Es blieb dabei: Einen konstanten Wurfrhythmus fanden die Deutschen nicht. Ein Dreier von Giffey oder Punkte am Brett von Theis blieben die Ausnahme, sodass Dänemark mit einem Vierpunktspiel sogar in Führung ging (28:25). Das Problem aus deutscher Sicht: Obwohl kaum Dreier rein fielen, wurde ein Distanzwurf nach dem anderen abgefeuert. Das machte es den Hausherren natürlich einfach, die ihre defensiven Erfolge zu offensivem Selbstvertrauen ummünzten. Zudem sicherten sie sich zahlreiche zweite Chancen und nahmen eine 48:37-Führung mit in die Kabine.
3. Viertel: Die Deutschen waren bemüht, die Spielkontrolle an sich zu reißen. Besonders Lo schritt voran und zog immer wieder zum Korb - was die deutlich erfolgreichere Methode als das vorherige Scheibenschießen war. So arbeitete sich die DBB-Auswahl mit Korblegern und Freiwürfen auf 5 Punkte heran (56:51). In der Folgezeit schlichen sich aber wieder Flüchtigkeitsfehler und Schwächen beim Rebound ein, sodass sich Dänemark den Favoriten nach wie vor vom Leib hielt, obwohl Robin Benzing offensiv auftaute: 62:56.
4. Viertel: Bei den Dänen lief nicht mehr viel zusammen, da die deutsche Defense einen weiteren Gang höher schaltete und kaum noch Penetrationen zuließ. Aufgrund der niedrigen DBB-Trefferquote lief dennoch alles auf ein Herzschlagfinale heraus: Rund 3 Minuten vor Schluss verpasste Benzing mehrfach die Chance auf den Ausgleich. In der Folgezeit setzen Lo, Theis und Barthel 4 von 6 Freiwürfen auf den Ring, ehe Theis per Putback auf 71:70 verkürzte. Auf der anderen Seite kam Jukic aber viel zu einfach zum Layup, sodass den Deutschen die Zeit davon lief. 20 Sekunden vor Schluss fiel der lang ersehnte Dreier dann doch noch: Zipser glich zum 73:73 aus. Der Gamewinner-Versuch von Jukic sprang zum deutschen Glück wieder raus.
Overtime: Zipser leistete sich ein unnötiges Foul gegen Voskuil beim Dreier, sodass die Deutschen schnell wieder dem fast schon dauerhaften 3-Punkte-Rückstand hinterher liefen. Immerhin: Die Freiwurfquote stieg an, sodass Dänemark nicht wegziehen konnte. Dann passierte das, was in den Minuten zuvor undenkbar war: Ein Dreier von Lo brachte den DBB in Führung! Diese hielt aber nur wenige Augenblicke, da Voskuil - ebenfalls per Dreier - antwortete. Ein starker Durchstecker von Lo auf Barthel sorgte dann für den 84:84-Ausgleich 5 Sekunden vor Schluss. Auf der anderen Seite forcierte die Deutsche Defense einen Turnover, sodass sie diesmal die Chance auf den Gamewinner hatte. Doch Lo verfehlte einen Notwurf.
2. Overtime: Diesmal legten die Deutschen in Form eines Jumpers von Barthel vor. Der Neu-Münchner war ohnehin der Go-to-Guy in dieser Phase und der einzige, der mit Energie am Brett arbeitete. Zwei verwandelte Freiwürfe zur 88:84-Führung waren die Belohnung. Erstmals war also Dänemark in der Situation, das Spiel umbiegen zu müssen - und reagierte mit Bravour. Durch Dreier von Voskuil und Gilling glichen sie wieder aus - das Spiel nahm einfach kein Ende.
3. Overtime: Deutschland wirkte plötzlich unkonzentriert und schenkte den Dänen drei Possessions ins Folge, an dessen Ende der nächste Dreier stand. Benzing antwortete aber von Downtown - was aber blöderweise bis 20 Sekunden vor Schluss die einzigen Punkte blieben. Durch einen Dreier von Rungby und einen Layup durch Gilling zogen die Dänen auf 102:95 davon und machten die Sensation perfekt.
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Der Star des Spiels: Alan Voskuil. Was für ein Auftritt des Guards! Völlig angstfrei feuerte er einen Dreier nach dem anderen ab und penetrierte bei Bedarf auch zum Korb. Zwar fanden "nur" 3 seiner 10 Versuche den Weg durch die Reuse, doch jeder einzelne Treffer traf den DBB ins Mark. Mit seiner Emotionalität riss er seine Mitspieler mit und war der Garant für den Sieg.
Der Flop des Spiels: Robin Benzing. Auch, wenn der Auftritt der gesamten Mannschaft eine Katastrophe war, stach er noch mal heraus. Obwohl schon früh klar war, dass sein Wurf an diesem Abend nicht fallen würde, feuerte er weiterhin munter drauf los und verweigerte jeden Drive. Seine Ausbeute am Ende: 4 von 16 aus dem Feld und 3 von 12 von der Dreierlinie. Ebenfalls schwach: Akeem Vargas.
Das fiel auf:
- Die Dänen streuten bei eigenem Korberfolg immer wieder eine Ganzfeldpresse ein - womit die DBB-Auswahl mehr Probleme hatte, als es eigentlich der Fall sein sollte. Ob wilde Pässe über die ganze Länge des Parketts oder sinnlose Dribblings gegen zwei Verteidiger: Struktur hatte der Ballvortrag zunächst nicht, Ballverluste waren die Folge. Nach einer Auszeit von Fleming wurde es aber etwas besser.
- In der ersten Halbzeit verzichtete Deutschland wieder mal nahezu auf ein Spiel aus dem Lowpost. Obwohl sie am Brett Längenvorteile hatten, spielten sich fast alle Aktionen außerhalb der Dreierlinie ab. Da aber einzig Johannes Voigtmann hochprozentig traf, ging diese "Taktik" nach hinten los.
- Ebenfalls verwunderlich: Nach 20 Minuten hatten sich die Dänen einen Rebound-Vorsprung von 20:12 herausgearbeitet. Sie wirkten gedanklich frischer und bekamen ihre Hände als erstes an Loose Balls. Angetrieben von diesen Erfolgen stieg auch das Wurfvertrauen ins Unermessliche - was mit wilden Treffern von jenseits der Dreierlinie belohnt wurde. Deutschland wurde zunehmend nervös.
- Nach dem Seitenwechsel gelang es den Deutschen viel besser, das Tempo zu kontrollieren und somit auch die zahlreichen Drives der Dänen zu Beginn der Angriffszeit einzudämmen. Denn im Setplay waren die Hausherren lange nicht so erfolgreich wie noch in der schnelleren, ersten Halbzeit - aufgrund der geringen deutschen Trefferquote auf der anderen Seite fiel das aber kaum ins Gewicht.
- In den Verlängerungen ging es auf beiden Seiten phasenweise vogelwild zu. Verpasste Gamewinner, jede Menge Offensiv-Rebounds, wilde Dreier, Verzweiflungspässe - es war für jeden Dramatiker etwas dabei. Dass es Deutschland nie schaffte, auch nur annähernd Struktur ins Spiel zu bringen und sich auf das Run-and-Gun der Dänen einließ, gibt zu denken. Ein taktischer oder individueller Klassenunterschied, wie es ihn aufgrund der unterschiedlichen Qualität im Kader hätte geben müssen, war zu keinem Zeitpunkt erkennbar. Die Niederlage war absolut verdient und hätte auch schon nach der regulären Spielzeit dem Spielverlauf entsprochen.
Die deutsche EM-Qualifikationsgruppe in der Übersicht