Sorgen macht eher der Blick auf die deutsche Gruppe. Frankreich, Litauen und Slowenien sind Mitfavoriten, selbst Bosnien sollte spätestens nach dem Sieg gegen Frankreich nicht unterschätzt werden. Selbst Platz vier ist keine Selbstverständlichkeit.
Günther: Das sehe ich auch so. Ich habe Bauchschmerzen damit, wenn Bosnien und Ungarn in einen Sack geschmissen werden und vereinfacht davon gesprochen wird, dass es drei starke Gegner und zwei Teams gibt, die du schlagen musst. Klar, wenn du weiterkommen willst, musst du Bosnien und Ungarn schlagen. Trotzdem gibt es zwischen Bosnien und Ungarn noch einmal einen deutlichen Qualitätsunterschied. Und selbst die Ungarn haben zuletzt gegen Litauen in der WM-Quali lange gut mitgehalten (Das Spiel ging 88:78 für Litauen aus; Anm. d. Red.). In einem Turnierspiel können viele Dinge passieren und natürlich kann auch Bosnien das DBB-Team schlagen, wenn viele Dinge schiefgehen. Ein Gegner kann heißlaufen und du triffst mal gar nichts. Wenn Deutschland hart verteidigt und ehrlich spielt, dann wird man Ungarn schlagen und gegen Bosnien eine gute Chance haben. Gehen wir mal davon aus, dass Deutschland gegen Frankreich verliert, dann ist der Druck im zweiten Spiel gegen Bosnien bereits enorm. Leicht wird das nicht.
Das wollen wir mal nicht hoffen ...
Günther: So gefährlich ich die Bosnier sehe, denke ich auch, dass Deutschland zumindest eines der großen drei Teams schlagen wird. Ich bin auch der Meinung, dass Slowenien, unabhängig vom Spiel am Sonntag, von den Matchups her am besten passt, weil sie keine echte Antwort auf Dennis oder Maodo in der Defense haben. Ähnlich sehe ich das mit Litauen, hier rechne ich uns auch Chancen aus.
Und wie sieht es zum Auftakt gegen Frankreich aus? Was muss das DBB-Team tun, um die Equipe Tricolore in Nöte zu bringen? Wir erinnern uns zurück, vor drei Jahren war auch Frankreich der Auftaktgegner und wurde in der ersten Halbzeit komplett überrumpelt. Die Franzosen haben auch Ausfälle, aber die Achse Fournier-Gobert ist wieder mit dabei.
Günther: Das Gerüst der Franzosen steht, aber es gibt auch positive Ansätze. Die goldene Defense-Regel lautet, dass die beste Verteidigung nur so gut ist wie ihr schwächstes Glied. Es wäre noch unangenehmer für Dennis, wenn Frank Ntilikina oder ein topfitter Andrew Albicy das ganze Spiel an ihm kleben würdeN. Albicy ist zwar dabei, aber ich glaube noch nicht voll auf der Höhe und nicht mehr einer der besten Ballverteidiger, der er vor drei Jahren war. Ich habe im EuroCup auch einige Male gegen ihn gespielt und das war sehr unangenehm und keine schöne Erfahrung.
Dennis kann davon ein Lied singen. Keiner machte es bei der WM gegen Schröder so gut wie Albicy.
Günther: Das ist eine Kombination, die richtig wehtut. Da ist ein Gegner ist, der Dennis zumindest stören und ihn auch einmal vor sich halten kann und dann kommt danach ein Ntilikina, der so lang ist, dass er Dennis auch von hinten bei seinen Mitteldistanzwürfen stören und mit seinen Armen die Pässe im Pick'n'Roll schwerer machen kann. Und dann steht da auch noch ein Rudy Gobert in der Zone, das ist für Dennis die schwerste Aufgabe, die es im europäischen Basketball gibt. Dieses Jahr ist das ein bisschen anders. Vielleicht spielt ein Thomas Heurtel 25 Minuten, dann ist da Evan Fournier, den du attackieren kannst. Es gibt also hier und da ein bisschen Tageslicht und ein, zwei Matchups, die vorteilhafter sind. Ein Vincent Pourier geht vielleicht nicht mit Voigtmann an die Dreierlinie. Diese erstickenden Lineups der Franzosen aus der Vergangenheit sind etwas geschwächt.
Unabhängig von Schröder. Was wird noch wichtig sein?
Günther: Es geht für Deutschland mit Offense los. Du musst die Ballverluste niedrig halten, um die einfachen Punkte der Franzosen zu limitieren. Sobald du mal zwei, drei Minuten hast, in denen es Live-Ball-Turnover gibt oder Abschlüsse überhastet genommen werden, kommen sie mit Timothee Luwawu-Cabarrot ins Laufen. Du kassierst einen 10:2- oder 14:4-Lauf und dann wird es richtig schwer. Ich sehe dennoch Chancen, weil wir mit Franz jemanden haben, der in seinem Matchup Vorteile haben wird und Dennis mehr Minuten gegen Heurtel sehen wird. So wird er mehr Freiräume und offene Drives in die Zone bekommen, wo er dann einfachere Lösungen für Pässe nach draußen bekommen wird. Und brauchst du einen dieser Tage, wo du ein paar Dinger triffst, so einfach ist das manchmal. Trotzdem: Frankreich hat mit seiner Athletik die beste Halbfeld-Defense im Turnier und Deutschland hat hin und wieder Probleme im Halbfeld. Das passt nicht so gut, aber man kann es sich schon so zurechtdrehen, dass es Möglichkeiten gibt.
Sind die Franzosen für Sie dann auch der Topfavorit auf den Titel?
Günther: Einen klaren Favoriten sehe ich nicht. Vom Gefühl her würde ich tatsächlich Frankreich sagen, aber in Sachen Shot Creation gibt es bei den Franzosen etwas Nachholbedarf. Das Bosnien-Spiel hat es angedeutet. Sie sind auf das Playmaking von Heurtel angewiesen und Fournier ist sehr streaky, das ist immer eine Gefahr. In einem solchen Format reicht schon eine Off-Night, wo er diese schweren Dinger mal nicht trifft. Da haben andere Teams deutlich mehr anzubieten. Wenn ich wetten müsste, würde ich die Serben nehmen. Die sind am breitesten aufgestellt und können auch mal den Post suchen und von dort kreieren. Vasilije Micic kann hohe Pick'n'Rolls laufen, sie sind am offensiven Brett stark und können defensiv auch sehr unangenehm sein. Das sind alles Komponenten, die helfen, Spiele zu gewinnen, auch wenn es mal nicht so gut läuft.
Abschließend: Bundestrainer Herbert hat eine Medaille als Ziel ausgerufen. Sollte es damit nicht klappen: Wann kann man für Sie von einem erfolgreichen Turnier aus deutscher Sicht sprechen?
Günther: Nach 2019 sind wir gebrannte Kinder, auch wenn die Qualifikation für Olympia im Vorjahr eine kleine Erfolgsgeschichte war. Wenn man jetzt nur mit Siegen gegen Bosnien und Ungarn ins Achtelfinale stolpert, dann ist das zu wenig. Der Einzug ins Viertelfinale wäre dagegen schon ein Erfolg. Du schaffst es aus der Gruppe, schlägst dabei einen der großen Drei, gewinnst die beiden anderen Partien gegen die "Kleinen" souverän und gewinnst eines der Überkreuzspiele nach der Gruppenphase. Danach gibt es vielleicht noch ein geiles Spiel im Viertelfinale. Das wäre ein gutes Signal für die Zukunft. Franz ist 21 geworden, Dennis wird noch drei, vier Jahre auf hohem Niveau spielen. Natürlich wird oft von zukünftigen Generationen gesprochen, aber wenn Deutschland jetzt mit einem guten Turnier die Leute abholt und diese dann Bock auf die Nationalmannschaft haben, dann ist zumindest ein Teilerfolg. Dafür musst du aber nach Berlin und zumindest ein K.o.-Spiel gewinnen.
DBB: Die Spiele in der Gruppenphase bei der EuroBasket
Datum | Uhrzeit | Gegner |
1. September | 20.30 Uhr | Frankreich |
3. September | 14.30 Uhr | Bosnien-Herzegowina |
4. September | 14.30 Uhr | Litauen |
6. September | 20.30 Uhr | Slowenien |
7. September | 20.30 Uhr | Ungarn |