Obradovic? "Hatte Riesenrespekt"

Max Marbeiter
05. März 201513:13
Alex King (l.) spielt seit 2013 im Trikot von Alba Berlingetty
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Ein Ex-Trainer brachte ihn beinahe dazu, die Karriere zu beenden, dennoch suchte Alex King die Herausforderung Alba und Sasa Obradovic. Im SPOX-Interview spricht Berlins Kapitän über Startschwierigkeiten in Deutschland, Beschimpfungen durch Murat Didin, Probleme mit dem Ball und die Vorbereitung auf die Euroleague, in der Alba gegen Zalgiris seine Hoffnungen auf die Playoffs aufrechterhalten möchte. Außerdem: Sinkt die Abhängigkeit des DBB-Teams von Dirk Nowitzki und Dennis Schröder?

SPOX: Alex King, was bedeutet Ihnen die Zahl 7?

Alex King: Im Grunde symbolisiert sie für mich einen Neuanfang. Nach meinen schweren letzten Jahren in Frankfurt habe ich mich entschieden, bei meinem neuen Team auch eine neue Nummer zu nehmen. Und da die 7 meine Glückszahl ist, habe ich mich damals für sie entschieden.

SPOX: Und dann stellten Sie im Eurocup 2012 mit ausgerechnet 7 von 7 verwandelten Dreiern auch noch einen neuen Rekord auf. Beschreiben Sie doch mal dieses Gefühl, wenn einem bewusst wird, dass der Wurf heute einfach fällt.

King: Es war schon unglaublich. Als ich im ersten Viertel direkt die ersten 3 Dreier getroffen hatte, wurde der Korb plötzlich immer größer. Da habe ich gemerkt, dass heute alles geht. Ab da habe ich jeden Wurf mit unglaublich viel Selbstbewusstsein genommen, überhaupt nicht mehr nachgedacht und einfach drauf losgeworfen. Ich war tatsächlich "In the Zone".

SPOX: Man bekommt also tatsächlich dieses Gefühl, der Ring sei viel größer?

King: Auf jeden Fall. Ich war ja eigentlich kein großartiger Schütze von draußen und hatte immer nur gehört, wie es sein soll, wenn man "In the Zone" ist. Damals war es bei mir so. Plötzlich wirkte der Ring doppelt so groß und ich wusste bei jedem Wurf, dass er am Ende auch reingehen würde.

SPOX: Sie haben es bereits angesprochen: Eigentlich galten Sie lange nicht als sicherer Schütze. In dieser Saison trafen Sie während der Regular Season der Euroleague lediglich 16,7 Prozent Ihrer Dreier, während des Top 16 sind es nun 32 Prozent. Wo lagen die Probleme zu Beginn?

King: Ehrlich gesagt haben mich die Unterschiede zwischen dem Spielball der BBL und dem der Euroleague irritiert. Ich musste erst ein Gefühl für den ständigen Wechsel entwickeln. Wenn wir während der Woche auf die Euroleague-Bälle geswitcht haben, habe ich nach dem Training immer noch geworfen, bis ich 150 Treffer hatte, um mich an die Unterschiede zu gewöhnen.

SPOX: Der Ball macht am Ende also tatsächlich einen Unterschied?

King: Definitiv. Es ist einfach ein anderes Gefühl. Eigentlich gibt es ja den Spruch "A shooter can shoot with any ball", aber ich habe einfach meine Zeit gebraucht. Im Jahr zuvor haben wir im Eurocup beispielsweise mit den gleichen Bällen gespielt wie in der BBL. Da gab es diese Umstellung nicht. Irgendwann bekommt man dann zusätzlich ein Kopfproblem.

SPOX: Apropos Kopfproblem: Man sieht immer wieder Spieler, die Probleme beim Freiwurf haben. Sie selbst treffen nur gut 50 Prozent. Macht man sich ab einem gewissen Zeitpunkt zu viele Gedanken, wenn man an die Linie geht?

King: Ich muss da auf jeden Fall an mir arbeiten. In diesem Jahr spiele ich weiter draußen und stehe deshalb nicht so häufig an der Linie. Das hilft dem Rhythmus natürlich nicht. Am Ende sind Freiwürfe aber reine Kopfsache. Du musst dich konzentrieren und alles um dich herum ausblenden.

SPOX: Ihre Rolle bei Alba geht aber ohnehin über die nackten Statistiken hinaus. Mittlerweile sind Sie Kapitän. Welche Aufgaben bekommen Sie da konkret gestellt - gerade im europäischen Basketball, wo die Fluktuation an Spielern relativ hoch ist?

King: Zunächst einmal habe ich mir im letzten Jahr sehr viel von Sven Schultze abgeschaut, der ein hervorragender Kapitän war. Dennoch versuche ich natürlich, meine eigene Persönlichkeit einzubringen. Ich motiviere meine Teamkollegen, pushe sie zusätzlich, wenn ich merke, dass sie nicht ihren besten Tag erwischt haben. Zudem versuche ich, so etwas wie der Mittelsmann zwischen Coach und Spieler zu sein.

SPOX: Was bedeutet das konkret?

King: Wenn einer eine Anweisung nicht richtig verstanden hat, gehe ich beispielsweise zu Coach Obradovic und frage noch einmal nach - auch auf die Gefahr hin, dass ich dann einen Anpfiff erhalte - und gebe sie dann weiter. Das heißt nicht, dass sich meine Teamkollegen nicht trauen, aber der Coach ist nun mal sehr emotional (lacht). Gerade junge Spieler nehmen das dann vielleicht anders auf als ich als etwas älterer Spieler.

SPOX: Sie hatten nach Ihrem Umzug aus den USA nach Deutschland als Kind keinen einfachen Start. Hilft Ihnen das in Ihrer heutigen Rolle?

King: Das stimmt. Ich bin in den USA damals ja einsprachig aufgewachsen und erst mit 5 Jahren nach Deutschland gekommen. Das war für mich schon ein kleiner Kulturschock. In der Schule war ich der einzige Dunkelhäutige, habe eine andere Sprache gesprochen und konnte mit meinen Mitschülern und den Erziehern nicht richtig kommunizieren. Das war speziell während der ersten beiden Jahre schon hart. Natürlich haben beispielsweise die Amerikaner, die jetzt zu uns stoßen, nicht dieselben Probleme - wir sprechen ja alle Englisch -, aber in organisatorischen Dingen kann ich ihnen schon weiterhelfen. Mein Start hilft mir in der Hinsicht aber nicht direkt.

SPOX: Sie selbst sagten vor einigen Jahren, dass Sie gerade während Ihrer Jugend im Basketball Halt fanden. Dennoch spielten Sie während Ihrer Zeit in Frankfurt angeblich mit dem Gedanken, Ihre Karriere vorzeitig zu beenden. War die Situation unter Murat Didin tatsächlich so verfahren? SPOX

King: Absolut. Für mich war es unglaublich schwer, mit Coach Didin eine gute Basis zu finden. Er ist ein Trainer, der regelmäßig sehr persönlich geworden ist. Gerade als junger Spieler war es für mich sehr hart, einen Weg zu finden, um damit umzugehen.

SPOX: Inwieweit persönlich?

King: Er hat dir einfach Ausdrücke an den Kopf geworfen, dir gesagt, dass du scheiße bist, dass es für mich keine Zukunft geben wird, ich nie ein richtiger Profi werden würde. Das war natürlich nicht wirklich motivierend.

SPOX: Und irgendwann kamen Sie dann zu dem Schluss, dass es all das eigentlich nicht wert ist.

King: Es ging in die Richtung. Am Ende kam es beinahe jeden Tag zu derlei Auseinandersetzungen. Und wenn du ständig solche Dinge an den Kopf geworfen bekommst und dazu nicht spielst, fragst du dich irgendwann tatsächlich, ob du gut genug und fähig bist, Basketball zu spielen. Da überlegt man sich schon, ob man überhaupt weiter machen möchte.

SPOX: Dann kam Mike Koch...

King: Genau. Dann kam mein Lebensretter Mike Koch.

SPOX: Was lief unter ihm anders? Hat er erst mal nur mentale Aufbauarbeit geleistet?

King: Erst mal musste ich damit klarkommen, einen Trainer zu haben, der so viel mit einem spricht - und das auch noch auf eine fröhliche und menschliche Art. Das war für mich eine völlig neue Welt. Einen Trainer zu haben, der an mich und meine Fähigkeiten geglaubt hat, hat ungemein gut getan.

Seite 1: King über seine Rolle als Kapitän und Mike Koch als Lebensretter

Seite 2: King über Obradovic und den deutschen Basketball

SPOX: Wie wichtig ist eine gute Beziehung zum Coach?

King: Extrem wichtig. Eine gute Kommunikation zwischen Spieler und Trainer ist essentiell. Als Spieler brauchst du einfach Feedback, musst wissen, was du richtig und was du falsch machst. Wo du dich verbessern kannst. Da hilft es, wenn der Coach auf dich zukommt und klare Anweisungen gibt.

SPOX: Das Coaching scheint Sie zu faszinieren. Kürzlich erwarben Sie die B-Lizenz. Wie kam es dazu?

King: Da ich sehr gerne mit Kindern arbeite, dachte ich, dass es interessant wäre, mal die Perspektive eines Trainers kennenzulernen. Es hat mich interessiert. Im Sommer hatte ich genug Zeit, habe dann beim DBB angefragt und am Ende den Schein gemacht. Auch Dirk Bauermann gab eine Vorlesung.

SPOX: Hat das Ganze Ihre Perspektive als aktiver Spieler verändert? Sehen Sie das Spiel nun anders?

King: Auf jeden Fall! Ich sehe das Spiel jetzt völlig anders. In jungen Jahren träumt man auf der Bank manchmal noch ein wenig vor sich hin, je älter du wirst, desto anders liest du das Spiel. Solange du jung bist, versuchst du dafür von älteren zu lernen. Mir persönlich haben Pascal Roller und Yassin Idbihi zum Beispiel extrem geholfen.

SPOX: Inwiefern?

King: Die beiden meinten, ich solle den Gegenspieler von der Bank aus immer beobachten und mir ansehen, was ihn ausmacht, wie er spielt. So fokussierst du dich viel mehr auf das Spiel und bist am Ende wesentlich mehr bereit, wenn du dann in die Partie kommst.

SPOX: Mit 30 zählen Sie mittlerweile zu den Erfahrenen - und machten mit dem Wechsel nach Berlin gewissermaßen dennoch einen Schritt in Richtung Ihrer Anfänge. Immerhin gilt Albas Coach Sasa Obradovic ebenfalls als harter Hund. Doch es scheint perfekt zu funktionieren. Was macht ihn denn aus?

King: Was ich an ihm ungemein schätze: Er ist immer hart, geht aber auch immer auf uns ein. Im Training oder Spiel ist er nie locker. Kommt es doch mal vor, ist es ein komischer Tag. Wenn du zu Sasa gehst, weißt du, was dich erwartet. Er geht jeden gleich an - aber eben nicht, um uns eins auszuwischen, er möchte uns alle besser machen. Klar hörst du das als Spieler mitunter nicht allzu gerne, am Ende denkt er aber an die Zukunft. Er möchte das Potential seiner Spieler einfach bestmöglich ausschöpfen und das Maximum aus ihnen herausholen.

SPOX: Hatten Sie nach den Erfahrungen mit Didin dennoch einen gewissen Respekt vor Obradovic?

King: Ich hatte sogar einen Riesenrespekt und dachte schon, dass es ähnlich werden könnte wie bei Murat Didin. Am Ende kann man es aber nicht vergleichen. Sasa möchte aus seinen Spielern wirklich etwas rausholen und dich nicht erniedrigen. Er behandelt jeden gleich und macht keine Unterschiede.

SPOX: Während der Spiele macht es meistens den Anschein, als würde sich Obradovic am liebsten mit jedem anlegen. Auf der Pressekonferenz im Anschluss ist er dann aber schon wieder völlig ruhig. Ist er im Umgang mit dem Team genauso?

King: Ja, wenn er nach dem Spiel im VIP-Bereich auf dich zukommt, dir die Hand gibt, auf die Schulter klopft, denke ich mir manchmal: "Wer ist das denn? Ist das Sasas Zwillingsbruder?" Sobald das nächste Training ansteht, heißt es dann wieder: gehorchen! (lacht)

SPOX: Das alles scheint bei Ihnen bestens zu funktionieren. Alba war einen Großteil der BBL-Saison ungeschlagen - und das trotz der Aufgaben in der Euroleague. Woher kommt die Entschlossenheit?

King: Der Heimvorteil ist für uns in diesem Jahr einfach ungemein wichtig. In der BBL gibt es so viele heimstarke Teams und vergangene Saison haben wir im Finale am eigenen Leib erfahren, was der Heimvorteil ausmacht. Mental ist es viel schwieriger, wenn man ein Spiel gewonnen hat und im entscheidenden Spiel dennoch wieder auswärts ran muss.

SPOX: Und wie gelingt der Spagat zwischen Euroleague und BBL?

King: Wenn der Coach beispielsweise das Gefühl hat, dass am Wochenende ein wichtiges Spiel in der BBL ansteht, konzentrieren wir uns bereits unter Woche mehr auf das Spiel in der Liga als auf die Euroleague gegen Barcelona oder Real. Auf die bereiten wir uns dann tatsächlich nur einen Tag vor. Hin und wieder sind die Systeme in BBL und Euroleague auch so ähnlich, dass man sich auf die gleichen Plays vorbereiten kann.

SPOX: Kommen wir am Ende noch auf die Nationalmannschaft zu sprechen: Für die Heim-EM im Sommer hoffen viele auf Dirk Nowitzki und Dennis Schröder. Aber wird der deutsche Basketball am Ende vielleicht ein wenig zu sehr auf die beiden reduziert?

King: Natürlich liegt der Hauptfokus auf den NBA-Spielern. Das haben sie sich auch verdient. Aber auch die deutschen Spieler in Europa haben unglaubliche Fortschritte gemacht. Maik Zirbes spielt beispielsweise in Serbien, einem Land, in dem beim Basketball unglaublich viele Emotionen dabei sind. Das wird ihn weiterbringen und am Ende auch den deutschen Basketball. Maxi Kleber hat in der ACB (erste Liga in Spanien, Anm. d. Red.) eine tragende Rolle. Auch die BBL wird immer stärker, die deutschen Spieler bekommen immer mehr Minuten. Dazu unsere Auftritte in der Euroleague. Das hilft der Nationalmannschaft extrem weiter, da ein ungemein intensiver Wettbewerb entsteht. Natürlich steht aber niemand mit Dirk auf einer Stufe.

SPOX: Ist Deutschland sogar auf einem guten Weg, ein wenig die komplette Abhängigkeit von seinen NBA-Spielern zu verlieren?

King: Das kann ich mir gut vorstellen. Mit Chris Fleming haben wir nun zudem einen Trainer, der sowohl in den USA als auch in Europa sehr viele Spieler kennt. Er kann die Spieler sehr gut lesen und weiß ganz genau, wen er auswählen muss, um den Mannschaften in unserer Gruppe bestmöglich zu begegnen. Er wird niemanden nehmen, der zwar starke Stats auflegt, aber kein Teamspieler ist. Das Gesamtkonstrukt muss passen. Wir brauchen Spieler, die gut verteidigen können, da in unserer Gruppe unglaublich viele gute Offense-Spieler dabei sind.

SPOX: Hatten Sie denn bereits Kontakt mit Fleming?

King: Ja, wir haben in Berlin bereits gesprochen. Noch mache ich mir zwar keine Gedanken um den Sommer und konzentriere mich auf Alba, aber natürlich ist es für mich immer die größte Ehre, wenn ich für die Nationalmannschaft spielen darf.

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