SPOX: Alex King, was bedeutet Ihnen die Zahl 7?
Alex King: Im Grunde symbolisiert sie für mich einen Neuanfang. Nach meinen schweren letzten Jahren in Frankfurt habe ich mich entschieden, bei meinem neuen Team auch eine neue Nummer zu nehmen. Und da die 7 meine Glückszahl ist, habe ich mich damals für sie entschieden.
SPOX: Und dann stellten Sie im Eurocup 2012 mit ausgerechnet 7 von 7 verwandelten Dreiern auch noch einen neuen Rekord auf. Beschreiben Sie doch mal dieses Gefühl, wenn einem bewusst wird, dass der Wurf heute einfach fällt.
King: Es war schon unglaublich. Als ich im ersten Viertel direkt die ersten 3 Dreier getroffen hatte, wurde der Korb plötzlich immer größer. Da habe ich gemerkt, dass heute alles geht. Ab da habe ich jeden Wurf mit unglaublich viel Selbstbewusstsein genommen, überhaupt nicht mehr nachgedacht und einfach drauf losgeworfen. Ich war tatsächlich "In the Zone".
SPOX: Man bekommt also tatsächlich dieses Gefühl, der Ring sei viel größer?
King: Auf jeden Fall. Ich war ja eigentlich kein großartiger Schütze von draußen und hatte immer nur gehört, wie es sein soll, wenn man "In the Zone" ist. Damals war es bei mir so. Plötzlich wirkte der Ring doppelt so groß und ich wusste bei jedem Wurf, dass er am Ende auch reingehen würde.
SPOX: Sie haben es bereits angesprochen: Eigentlich galten Sie lange nicht als sicherer Schütze. In dieser Saison trafen Sie während der Regular Season der Euroleague lediglich 16,7 Prozent Ihrer Dreier, während des Top 16 sind es nun 32 Prozent. Wo lagen die Probleme zu Beginn?
King: Ehrlich gesagt haben mich die Unterschiede zwischen dem Spielball der BBL und dem der Euroleague irritiert. Ich musste erst ein Gefühl für den ständigen Wechsel entwickeln. Wenn wir während der Woche auf die Euroleague-Bälle geswitcht haben, habe ich nach dem Training immer noch geworfen, bis ich 150 Treffer hatte, um mich an die Unterschiede zu gewöhnen.
SPOX: Der Ball macht am Ende also tatsächlich einen Unterschied?
King: Definitiv. Es ist einfach ein anderes Gefühl. Eigentlich gibt es ja den Spruch "A shooter can shoot with any ball", aber ich habe einfach meine Zeit gebraucht. Im Jahr zuvor haben wir im Eurocup beispielsweise mit den gleichen Bällen gespielt wie in der BBL. Da gab es diese Umstellung nicht. Irgendwann bekommt man dann zusätzlich ein Kopfproblem.
SPOX: Apropos Kopfproblem: Man sieht immer wieder Spieler, die Probleme beim Freiwurf haben. Sie selbst treffen nur gut 50 Prozent. Macht man sich ab einem gewissen Zeitpunkt zu viele Gedanken, wenn man an die Linie geht?
King: Ich muss da auf jeden Fall an mir arbeiten. In diesem Jahr spiele ich weiter draußen und stehe deshalb nicht so häufig an der Linie. Das hilft dem Rhythmus natürlich nicht. Am Ende sind Freiwürfe aber reine Kopfsache. Du musst dich konzentrieren und alles um dich herum ausblenden.
SPOX: Ihre Rolle bei Alba geht aber ohnehin über die nackten Statistiken hinaus. Mittlerweile sind Sie Kapitän. Welche Aufgaben bekommen Sie da konkret gestellt - gerade im europäischen Basketball, wo die Fluktuation an Spielern relativ hoch ist?
King: Zunächst einmal habe ich mir im letzten Jahr sehr viel von Sven Schultze abgeschaut, der ein hervorragender Kapitän war. Dennoch versuche ich natürlich, meine eigene Persönlichkeit einzubringen. Ich motiviere meine Teamkollegen, pushe sie zusätzlich, wenn ich merke, dass sie nicht ihren besten Tag erwischt haben. Zudem versuche ich, so etwas wie der Mittelsmann zwischen Coach und Spieler zu sein.
SPOX: Was bedeutet das konkret?
King: Wenn einer eine Anweisung nicht richtig verstanden hat, gehe ich beispielsweise zu Coach Obradovic und frage noch einmal nach - auch auf die Gefahr hin, dass ich dann einen Anpfiff erhalte - und gebe sie dann weiter. Das heißt nicht, dass sich meine Teamkollegen nicht trauen, aber der Coach ist nun mal sehr emotional (lacht). Gerade junge Spieler nehmen das dann vielleicht anders auf als ich als etwas älterer Spieler.
SPOX: Sie hatten nach Ihrem Umzug aus den USA nach Deutschland als Kind keinen einfachen Start. Hilft Ihnen das in Ihrer heutigen Rolle?
King: Das stimmt. Ich bin in den USA damals ja einsprachig aufgewachsen und erst mit 5 Jahren nach Deutschland gekommen. Das war für mich schon ein kleiner Kulturschock. In der Schule war ich der einzige Dunkelhäutige, habe eine andere Sprache gesprochen und konnte mit meinen Mitschülern und den Erziehern nicht richtig kommunizieren. Das war speziell während der ersten beiden Jahre schon hart. Natürlich haben beispielsweise die Amerikaner, die jetzt zu uns stoßen, nicht dieselben Probleme - wir sprechen ja alle Englisch -, aber in organisatorischen Dingen kann ich ihnen schon weiterhelfen. Mein Start hilft mir in der Hinsicht aber nicht direkt.
SPOX: Sie selbst sagten vor einigen Jahren, dass Sie gerade während Ihrer Jugend im Basketball Halt fanden. Dennoch spielten Sie während Ihrer Zeit in Frankfurt angeblich mit dem Gedanken, Ihre Karriere vorzeitig zu beenden. War die Situation unter Murat Didin tatsächlich so verfahren?
King: Absolut. Für mich war es unglaublich schwer, mit Coach Didin eine gute Basis zu finden. Er ist ein Trainer, der regelmäßig sehr persönlich geworden ist. Gerade als junger Spieler war es für mich sehr hart, einen Weg zu finden, um damit umzugehen.
SPOX: Inwieweit persönlich?
King: Er hat dir einfach Ausdrücke an den Kopf geworfen, dir gesagt, dass du scheiße bist, dass es für mich keine Zukunft geben wird, ich nie ein richtiger Profi werden würde. Das war natürlich nicht wirklich motivierend.
SPOX: Und irgendwann kamen Sie dann zu dem Schluss, dass es all das eigentlich nicht wert ist.
King: Es ging in die Richtung. Am Ende kam es beinahe jeden Tag zu derlei Auseinandersetzungen. Und wenn du ständig solche Dinge an den Kopf geworfen bekommst und dazu nicht spielst, fragst du dich irgendwann tatsächlich, ob du gut genug und fähig bist, Basketball zu spielen. Da überlegt man sich schon, ob man überhaupt weiter machen möchte.
SPOX: Dann kam Mike Koch...
King: Genau. Dann kam mein Lebensretter Mike Koch.
SPOX: Was lief unter ihm anders? Hat er erst mal nur mentale Aufbauarbeit geleistet?
King: Erst mal musste ich damit klarkommen, einen Trainer zu haben, der so viel mit einem spricht - und das auch noch auf eine fröhliche und menschliche Art. Das war für mich eine völlig neue Welt. Einen Trainer zu haben, der an mich und meine Fähigkeiten geglaubt hat, hat ungemein gut getan.
Seite 1: King über seine Rolle als Kapitän und Mike Koch als Lebensretter