SPOX: 30 Jahre, nachdem Sie Ihren ersten Profi-Kampf in Deutschland veranstaltet haben, wurden Sie nun als zweiter Deutscher nach Max Schmeling in die Hall of Fame des Boxens aufgenommen. Herzlichen Glückwunsch!
Wilfried Sauerland: Ich freue mich sehr darüber, immerhin ist es die höchste Ehre im Boxsport. Die Aufnahme in die Hall of Fame ist zu vergleichen mit dem Gewinn des Oscars im Film-Geschäft.
SPOX: Dabei sind Sie eher durch Zufall ein Promoter geworden. Wie waren Ihre Anfänge im Boxen?
Sauerland: Ich war von klein auf ein Box-Fan, aber dass ich jemals in diesem Bereich arbeiten würde, war nicht zu erwarten. In den 70er Jahren war ich als Geschäftsmann viel in Afrika unterwegs und habe in Tansania, Namibia oder Kenia gearbeitet. Mein Lebensmittelpunkt lag damals in Sambia, wo ich Getränkeabfüllanlagen vertrieben habe. Irgendwann kam die sambische Regierung auf mich zu und bat mich, den heimischen Sport zu unterstützen. Dem kam ich nach und ich begann, Fußball-Teams zu sponsern.
SPOX: Und wie kamen Sie zum Boxen?
Sauerland: Irgendwann fragte mich der damalige Außenminister und heutige sambische Präsident Rupiah Banda, ob ich nicht einem talentierten Boxer namens Lottie Mwale unter die Arme greifen könnte. Ich begann also, Mwale finanziell zu helfen, später organisierte ich auch die Kämpfe für ihn.
SPOX: Unter anderem Mwales Kampf gegen Lonnie Bennett 1978, zu dem über 70.000 Zuschauer kamen.
Sauerland: Ein denkwürdiger Abend: Im ausverkauften Fußball-Stadion von Lusaka gewann Mwale in der ersten Runde durch K.o. Bis heute ist er der größte Sportheld, den Sambia je hatte.
SPOX: Beim großen Erfolg in Afrika auf den Geschmack gekommen, versuchten Sie in Deutschland, das Boxen salonfähig zu machen. Zunächst erfolglos.
Sauerland: 1980 habe ich in Köln meine erste Boxnacht in Deutschland veranstaltet. Ich hatte schon sehr niedrige Erwartungen, was die Zuschauerresonanz anbelangt, doch die wurden noch einmal deutlich unterboten. Es kamen vielleicht 600 Zuschauer. Und auch danach war es ein herbes Verlustgeschäft.
SPOX: Weil Boxen damals so verpönt war?
Sauerland: Das kann man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen, wie verpönt. Boxen gehörte in die anrüchige, halbseidene Ecke. Damals habe ich mich nicht mal getraut, meinen normalen Geschäftspartnern zu erzählen, dass ich ein Promoter bin, weil ich vor den Reaktionen Angst hatte. Das ganze Umfeld war dem Boxen gegenüber so negativ eingestellt, dass ich mich beinahe geschämt habe, ein Promoter zu sein.
SPOX: Der Durchbruch gelang Ihnen Ende der 80er Jahre mit der Verpflichtung von Rene Weller und Graciano Rocchigiani, dennoch standen Sie kurz davor, als Promoter aufzuhören. Warum?
Sauerland: Ich war einfach nur frustriert von Rocchigiani. Er war einer der besten Boxer, die ich je unter Vertrag hatte, doch das Problem war sein unsteter Lebensstil. Wenn sich Rocchigiani auf den Sport konzentriert hat, war er ein anständiger Kerl. Aber immer wieder leistete er sich Eskapaden. Ich habe ihn aufgebaut, dann kam ein Rückschlag. Ich habe ihn unterstützt, dann kam die nächste Enttäuschung. Irgendwann wollte ich unter alldem einen Schlussstrich ziehen.
SPOX: Doch dann fiel die Mauer - und Sie begründeten mit Henry Maske und Axel Schulz den Box-Boom in den 90er Jahren.
Sauerland: Ein Glücksfall. Alles hat gepasst: Die Boxer, die den Nerv der Zeit getroffen haben. Der Betreuerstab um Trainer Manfred Wolke. "RTL", das als erster deutscher Fernsehsender das Potenzial des Sports entdeckt hat. In den ersten Jahren musste ich viele Widerstände überwinden, und ich weiß nicht, ob jemand anders diese Schwierigkeiten auf sich genommen hätte. Aber spätestens, als die ersten Kampfabende auf "RTL" liefen, wusste ich, dass sich der Aufwand gelohnt hat.
SPOX: Nach dem Rücktritt von Maske und Schulz befürchteten viele den Absturz des Boxens in die Bedeutungslosigkeit, ähnlich wie beim Tennis. Mittlerweile stellt sich jedoch heraus: unbegründet.
Sauerland: Wir haben bereits in der Zeit von Henry Maske versucht, neue Boxer aufzubauen, damit wir nicht in dieses Loch fallen. Durch Sven Ottke und Markus Beyer wurden wir zunächst gut aufgefangen. Heutzutage sind wir so gut aufgestellt, dass wir auch in den nächsten Jahren einige charismatische und hochklassige Boxer haben werden wie Alexander Frenkel oder Dominik Britsch. Es ist kein Zufall, dass wir den Vertrag mit der "ARD" bis 2015 verlängert haben.
SPOX: Mit Cruisergewichtler Steve Cunningham haben Sie jüngst den ersten amerikanischen Box-Star unter Vertrag genommen. Ist Deutschland für Sauerland zu klein geworden? Wollen Sie den amerikanischen Markt angreifen?
Sauerland: Nicht unbedingt. Cunningham haben wir vor allem verpflichtet, um nach dem Super-Six-Turnier im Super-Mittelgewicht auch ein Super-Six-Turnier im Cruisergewicht zu realisieren. Wir stecken bereits mitten in den Verhandlungen und viele Details sind bereits geklärt, daher bin ich sehr zuversichtlich. Bis August erwarten wir eine endgültige Entscheidung, damit im Dezember die erste Runde starten kann.
Steve Cunningham im Interview: "Ali hat echt viel vermasselt"
SPOX: Ein Super-Six-Turnier im Cruisergewicht macht für Sauerland Sinn, immerhin boxen mit Cunningham, Marco Huck und Yoan Pablo Hernandez laut "Boxrec" drei der vier besten Cruisergewichtler für Ihren Boxstall. Als weiterer Teilnehmer ist unter anderem der Pole Kristof Wlodarczyk im Gespräch. Aber bräuchte ein Super Six nicht einen Superstar wie Roy Jones jr., um die Massen zu mobilisieren?
Sauerland: Es soll ein Turnier der Champions sein. Jones war zwar früher der wahrscheinlich beste Boxer auf dem Planeten, aber mittlerweile ist er weit davon entfernt. Man tut ihm und auch den Fans keinen Gefallen, wenn er beim Super Six antreten würde.
SPOX: Aber vor allem Deutschland ist hungrig auf Kämpfe mit großen Namen.
Sauerland: In den letzten 20 Jahren haben wir in Deutschland einen riesigen Schritt nach vorne gemacht, daher kann ich mir vorstellen, dass in den nächsten zehn Jahren ein Mega-Fight im Stile von Floyd Mayweather auch hierzulande machbar ist. Aber die Zeit ist noch nicht gekommen.
SPOX: Sie denken an Mega-Fights, Ihr langjähriger Konkurrent Universum kämpft hingegen um die Existenz. Eine Entwicklung, die Sie freut?
Sauerland: Ganz im Gegenteil. Es ist sehr schade, dass es bei Universum nicht mehr so gut läuft, denn Konkurrenz belebt das Geschäft, so platt es klingt. In den 90er Jahren lief es im Boxen auch deshalb so gut, weil die Medien immer wieder über die Konkurrenz zwischen Sauerland- und Universum-Boxern berichten konnten. Wenn einer wegbricht, schadet es allen.
SPOX: Sie sind mittlerweile auch gut in den USA vernetzt und arbeiten unter anderem mit Don King zusammen, der wie Sie 50 Prozent der Rechte an Nikolai Walujew hält. Wie kann man sich Ihr Arbeitsverhältnis vorstellen?
Sauerland: Ganz ehrlich: Es ist nicht immer einfach mit Don King. Vor kurzem hatten wir das Angebot auf einen Kampf zwischen Walujew und Vitali Klitschko, das King aus unerfindlichen Gründen abgelehnt hat. Wir ticken generell ganz anders. Jeder sagt, dass Don King ein Paradiesvogel ist, aber für ihn bin ich der komische Paradiesvogel aus Deutschland, der nicht wie viele andere Promoter rumhampelt und sich schrill kleidet. (lacht) Trotzdem komme ich eigentlich gut mit ihm zurecht. Er hat mich bereits häufig zu sich nach Hause eingeladen.
SPOX: Walujew gegen Vitali Klitschko ist geplatzt. Welche großen Kämpfe stehen als Nächstes an?
Sauerland: Alexander Powetkin gegen Wladimir Klitschko wird auf jeden Fall in den nächsten Monaten stattfinden, vermutlich im September. Die Frage ist, wo der Fight stattfindet. Frankfurt ist in der Verlosung, aber einige russische Investoren locken mit viel Geld, damit beide in Moskau kämpfen.
SPOX: Was ist mit David Haye, den Sie mittlerweile ebenfalls promoten?
Sauerland: Er wird in den nächsten Tagen Vater und will daher nicht vor Oktober boxen. Bei ihm ist alles denkbar, auch ein Rückkampf gegen Walujew, immerhin wurde vor dem ersten Fight der beiden eine Rückkampfklausel vereinbart.
SPOX: Das Zugpferd im Sauerland-Stall ist Super-Mittelgewichtler Arthur Abraham, der nach der Niederlage gegen Andre Dirrell im Super-Six-Turnier vor dem Aus steht, sollte er auch im August gegen Carl Froch verlieren. Befürchten Sie den GAU für Sauerland?
Sauerland: Natürlich steht Arthur unter Zugzwang - aber ich sage schon seit Wochen, dass Froch vom Box-Stil her sehr gut zu Arthur passt. Die Frage ist nur, wie gut er die Niederlage gegen Dirrell verkraftet hat. Ich bin aber zuversichtlich. Arthur steckt jetzt schon mitten in der Vorbereitung, so früh hat er noch nie angefangen. Ich glaube, er hat aus der Dirrell-Niederlage die richtigen Lehren gezogen.