Sdunek: "In einer Reihe mit Ali und Tyson"

Von Interview: Bastian Strobl
Noch steht David Haye im Schatten des mehrfachen Weltmeisters Wladimir Klitschko (l.)
© Getty

Nach zahllosen Verhandlungen und Provokationen steigt am 2. Juli endlich der Kampf des Jahres: Wladimir Klitschko gegen David Haye (Samstag, 22.30 Uhr im LIVE-TICKER). Auch die Trainerlegende Fritz Sdunek kann den Fight nicht mehr erwarten. Im Gespräch mit SPOX spricht der ehemalige Coach von Wladimir Klitschko über ordinären Trash Talk, einen möglichen Pitbull-Start und den boxhistorischen Stellenwert des Kampfes, irgendwo zwischen Muhammad Ali und Mike Tyson.

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SPOX: Herr Sdunek, am 2. Juli kommt es endlich zum lang erwarteten Duell zwischen Wladimir Klitschko und David Haye. Seien Sie ehrlich: Haben Sie vor einigen Monaten noch geglaubt, dass dieser Kampf jemals zustande kommt?

Fritz Sdunek: Um ehrlich zu sein: Nein. Wenn man die ganzen Kapriolen von David Haye im Nachhinein bedenkt, grenzt es schon fast an ein Wunder, dass der Kampf doch noch über die Bühne geht.

SPOX: Was denken Sie, warum ist man bei den Verhandlungen doch noch auf einen grünen Zweig gekommen?

Sdunek: Das ist eigentlich ganz einfach: David Haye braucht diesen Kampf. Sonst wird er schlicht und ergreifend unglaubwürdig. Für die Fans, aber auch für Medienvertreter wie Sie. Er war es ja, der monatelang Provokationen vom Stapel gelassen hat.

SPOX: Die Provokationen haben zuletzt mal wieder einen neuen Höhepunkt erreicht, als Haye eine iPhone-App vorstellte, bei der man einen Wladimir nicht unähnlich aussehenden Boxer enthaupten kann.

Sdunek: Ja, das habe ich auch mitbekommen. Das sind typische Psycho-Spielchen von Haye. Anscheinend glaubt er wirklich, dass er Wladimir damit beeindrucken kann. Aber da wird er sich noch wundern.

SPOX: Weil Wladimir über diesen Dingen steht?

Sdunek: Natürlich. Dafür ist er einfach zu clever und hat in seiner Karriere schon genügend andere Provokationen erlebt. Auch wenn diese vielleicht nicht ganz so ordinär waren wie jetzt die von Haye.

SPOX: Sie bezeichnen es als ordinär, andere wiederum sind der Meinung, dass so was einfach zum Business gehört.

Sdunek: Aber da muss man abgrenzen: Die abgeschlagenen Köpfe und solche Sachen gehen einfach zu weit und gehören nicht mehr zum guten Geschmack. In den Kopf von Wladimir ist Haye damit sicherlich auch nicht gekommen.

SPOX: Es ist aus Sicht von David Haye sogar so wie damals beim Kampf zwischen Mike Tyson und Lennox Lewis, als Tyson von den Medien ein wenig "gezwungen" wurde, diesen Kampf anzunehmen.

Sdunek: Das ist schwer zu vergleichen. Bei David Haye ist es so, dass er diesen Kampf meiner Meinung nach auch wollte, ganz unabhängig von den ganzen Provokationen. Er will beweisen, dass er der beste Schwergewichtsboxer ist. Und das geht nur bei den größten Kämpfen, sonst kann er sich nicht profilieren. Dafür braucht er Wladimir.

SPOX: Ist es andersherum genauso?

Sdunek: Auf gar keinen Fall. Klitschko braucht David Haye nicht! Sowohl Wladimir als auch Witali haben sich über Jahre hinweg im Schwergewicht behauptet.

SPOX: Am 2. Juli zählt das alles nicht mehr, dann geht es im Ring zur Sache. Worauf muss Wladimir gegen David Haye aufpassen?

Sdunek: Das werden auf jeden Fall die überfallartigen Angriffe sein, die Haye schon gegen Nikolai Walujew gezeigt hat. Damals hat er taktisch richtig gut und klug geboxt, das muss ich zugeben.

SPOX: Ist das also aus der Sicht des Engländers auch gegen Wladimir wieder das Allheilmittel?

Sdunek: Das könnte man meinen, aber Wladimir mit Walujew zu vergleichen, wäre wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Wladimir ist im Endeffekt einfach schneller und wird diesen Angriffen aus dem Wege gehen. Wladimir selbst dagegen wird Haye mit seiner Führungshand auf Distanz halten, und wenn Haye den Jab ein paar Mal gespürt hat, wird er sich zwei Mal überlegen, in ihn reinzuspringen.

SPOX: Trotzdem hat David Haye schon angekündigt, einen Gameplan zu haben, den niemand kennt. Was glauben Sie, wie werden die ersten Runden aussehen?

Sdunek: Haye kann machen, was er will, aber er wird Wladimir nicht überraschen. Egal ob er mit einem Plan A oder Plan B kommt, Wladimir wird darauf vorbereitet sein. Dass Haye im Vorfeld von Überraschungen spricht, ist ja ganz normal. Es gibt aber eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder er läuft am Anfang nur weg oder er geht gleich wie ein Pitbull in den Mann rein.

SPOX: Trotzdem bleibt die Ungewissheit. Stand Klitschko in seiner Karriere überhaupt schon mal einem vergleichbaren Fighter gegenüber?

Sdunek: So weit ich mich erinnern kann, hat er so jemanden noch nie gekämpft. Das waren bisher alles reine Schwergewichte. Haye ist da schon ein Ausnahmetalent.

SPOX: Ist David Haye also der bisher schwerste Gegner in Wladimirs Karriere?

Sdunek: Immer langsam. Das kann man so noch nicht sagen. Haye muss erst mal beweisen, dass er diese Klasse hat und ein echtes Schwergewicht ist. Dieser Kampf ist schon deswegen unglaublich interessant, damit man sieht, was Haye wirklich zu leisten im Stande ist.

SPOX: Was Haye wirklich abrufen kann, wird natürlich auch im hohen Maß an Wladimir selbst liegen. Wie wird seine Taktik aussehen?

Sdunek: Wie man es von ihm kennt, wird er versuchen, den Kampf mit seinem Jab zu diktieren. Genauso wie Haye seine Schnelligkeit ausspielen will, so wird Wladimir seine Reichweitenvorteile nutzen.

SPOX: Und seinen Erfahrungsvorsprung ausspielen? Immerhin ist es für David Haye erst der fünfte Schwergewichtskampf.

Sdunek: Das wird kein entscheidender Faktor sein, dafür hat er einfach zu viele Kämpfe im Cruisergewicht gehabt. Es kommt viel mehr auf die Physis an, und da liegt es an Wladimir, zu zeigen, wer der Herr im Ring ist. Und dann stellt sich natürlich noch die Frage der Psyche: Wer trifft am Anfang besser? Wer kommt besser in den Kampf rein? Wenn Wladimir gleich am Anfang harte Treffer landet, dann wird Haye den Kampf nicht durchstehen.

SPOX: Mit einem Sieg wäre Wladimir endgültig am Höhepunkt angekommen. Das sah vor sieben Jahren noch ganz anders aus, als er nach der Niederlange gegen Lamon Brewster kurz vor dem Karriereende stand. Was hat sich seitdem verändert?

Sundek: Wladimir ist ein anderer Typ geworden. Er ist als Persönlichkeit enorm gereift und zweifelt nicht mehr so viel an sich. Sein Selbstvertrauen ist gestiegen, natürlich auch wegen der zahllosen Siege in den letzten Jahren.

SPOX: Nach dem Kampf könnte sich endlich der große Traum der Klitschkos erfüllen, alle Schwergewichtstitel in der Familie zu haben. Ist das nicht auch eine Bankrott-Erklärung an das Schwergewicht?

Sdunek: Keineswegs. Ich würde es eher als die totale Dominanz von Wladimir und Witali bezeichnen. Sie haben alle geschlagen, die Rang und Namen hatten und können nun Geschichte schreiben. Dessen ist sich Wladimir sicherlich bewusst.

SPOX: Bedeutet das aber nicht im Umkehrschluss, dass nach einem möglichen Sieg von Wladimir im Schwergewicht erst mal Ebbe angesagt ist?

Sdunek: Nein, da steht ja schon Tomasz Adamek für Witali bereit. Und Derek Chisora wartet auch noch auf seine Chance. Der hat ja schon groß getönt, dass er Wladimir aus dem Weg räumen wird. Außerdem gibt es noch genügend junge Schwergewichte, die talentiert sind, aber momentan einfach noch nicht das Format haben.

SPOX: Wenn wir mal Nostradamus spielen und von einem Klitschko-Sieg ausgehen, stellt sich natürlich für Wladimir die Frage: Was kann er danach überhaupt noch erreichen?

Sdunek: Richtig erreichen kann man nichts mehr. Wenn man Weltmeister ist, ist man Weltmeister - was Höheres gibt es nun mal nicht. Wladimir muss dann einfach warten, bis der nächste Herausforderer auftaucht.

SPOX: Könnte Wladimir nach einem Sieg gegen Haye vielleicht sogar die Handschuhe an den Nagel hängen?

Sdunek: Nein, das würde mich überraschen. Er ist ja noch im besten Schwergewichtsalter.

SPOX: Und man sagt ja auch so schön: Irgendwo auf der Welt gibt es immer einen Besseren...

Sdunek: Irgendwann wird es einen Besseren geben, aber so schnell wird sich erst mal nichts ändern.

SPOX: Sie sprechen die Zukunft des Schwergewichtsboxens an. Lassen Sie uns trotzdem noch mal zurückblicken. Wo würden Sie persönlich den Kampf Klitschko gegen Haye aus boxhistorischer Sicht einordnen?

Sdunek: Für das Boxen an sich und auch angesichts der Popularität der beiden Boxer gehört dieser Kampf sicherlich in eine Reihe mit Ali gegen Foreman, Tyson gegen Holyfield und Witali gegen Lewis. Es ist ein Traumkampf, ohne Zweifel.

SPOX: Zum Schluss muss ich natürlich die obligatorische Frage nach dem Kampfausgang stellen: Wer hebt nach dem Fight am 2. Juli den Titel in die Höhe?

Sdunek: Wladimir wird den Kampf vorzeitig beenden, vermutlich im letzten Drittel.

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