Vom Schlumpf zum König

Jan Höfling
15. September 201517:04
Arthur Abraham (l.) konnte sich gegen Robert Stieglitz erneut zum Weltmeister krönengetty
Werbung
Werbung

Am Samstag (23 Uhr im LIVE-TICKER) trifft WBO-Supermittelgewichts-Weltmeister Arthur Abraham in Berlin auf Herausforderer Nikola Sjekloca. SPOX wirft im Vorfeld des Kampfes einen Blick auf die bedeutendsten Siege Abrahams.

10. Dezember 2005 vs. Kingsley Ikeke, Knockout in Runde fünf

Der erste Meilenstein in Abrahams Karriere. Der damals 25-Jährige erhielt in Leipzig die Chance, sich gegen den Nigerianer Kingsley Ikeke den vakanten IBF-Weltmeisterschaftsgürtel im Mittelgewicht zu sichern. Zuvor blieb er in 18 Kämpfen ohne Niederlage. Ermöglicht wurde der Kampf, da der eigentliche Weltmeister Jermain Taylor, auf den Abraham im weiteren Verlauf seiner Karriere treffen sollte, den Titel zuvor freiwillig abgab. Der US-Amerikaner zog einen Rückkampf gegen Bernard Hopkins der Pflichtverteidigung vor.

Vor Abraham lag im wahrsten Sinne des Wortes eine riesige Aufgabe, misst Ikeke doch stolze 193 Zentimeter. Ein absolutes Alleinstellungsmerkmal im Mittelgewicht und ganze 15 Zentimeter mehr als der Berliner. Abgesehen von seiner schieren Größe, warf Ikeke in erster Linie seine gute Beweglichkeit sowie den Jab in die Waagschale. Dennoch präsentierte sich Abraham, trotz des mit der Größe einhergehenden Reichenweitennachteils, vor seinem ersten Weltmeisterschaftskampf äußerst zuversichtlich und kündigte einen Sieg via Knockout an.

Und er hielt Wort. Nach einer beeindruckenden Leistung gelangen dem Berliner in der fünften Runde die entscheidenden Schläge. Nach einer starken Linken wich der Nigerianer zunächst in die Seile zurück, ehe Abraham mit weiteren Schlägen und einer krachenden Rechten den Sack zumachen konnte. Schiedsrichter Samuel Viruet stoppte den Kampf nach dieser Kombination und während Abraham bereits jubelte, konnte sich ein geschlagener Ikeke nicht auf den Beinen halten.

Ein Ende, das sich von Beginn an angekündigt hatte. Der neue Weltmeister dominierte seinen Gegner vom ersten Gong an und beeindruckte mit seiner Schlagkraft. Alle vier absolvierten Runden gehörten ihm. Mit Tränen in den Augen saß Abraham, der sein Glück nicht zu fassen vermochte, zunächst einen Moment in der Ecke des Rings, ehe er sich bei den Zuschauern bedankte.

23. Oktober 2006 vs. Edison Miranda, Unanimous Decision

Fast ein Jahr später bekamen Boxfans in Wetzlar einen Kampf zu sehen, der wohl vor allem aufgrund seines blutigen Verlaufs in Erinnerung bleiben wird. Abraham verteidigte in der Rittal-Arena seinen IBF-Titel im Mittelgewicht gegen den Kolumbianer Edison Miranda. In einem intensiv geführten Duell kontrollierte Abraham zunächst das Geschehen, ehe ihm der Herausforderer in der vierten Runde mit einer harten Rechten einen doppelten Kieferbruch zufügte. Das sichere Ende?

Was für die meisten Boxer wohl das Aus bedeutet hätte, verlieh der Karriere des gebürtigen Armeniers einen immensen Schub. Trotz des hohen Adrenalinpegels des ungeschlagenen Weltmeisters, müssen die Schmerzen mit denen er die folgenden acht Runden bestritt, unvorstellbar gewesen sein. Ein Abbruch, der gleichzeitig eine Niederlage durch technischen K.o. bedeutet hätte, kam für Abraham und seine Ecke allerdings nicht in Betracht. Trotz der Empfehlung des Ringarztes Walter Wagner und auf Anweisung von IBF-Supervisor wurde der Kampf fortgesetzt.

Miranda versuchte anschließend die Verletzung mit allen Mitteln für sich zu nutzen. Dass das Repertoire des Herausforderers dabei vor allem Kopfstöße und Tiefschläge umfasste, hinterließ nicht nur bei den Zuschauern in der Arena ein fragwürdiges Bild, sondern sorgte auch für Abzüge auf den Zetteln der Punktrichter. Abraham, der nicht den Anschein erweckte, dass ihn an diesem Abend etwas stoppen könnte, musste mit zunehmender Kampfdauer vor allem dem hohen Blutverlust Tribut zollen und verlegte sich mehr und mehr auf das Verteidigen seines Punktevorsprungs. Mit Erfolg: Am Ende stand ein einstimmiges Urteil.

Nach dem Sieg in einer der wohl blutigsten Ringschlachten, die das deutsche Boxen je gesehen hat, fiel die Feier aufgrund der Umstände äußerst kurz aus. Für Abraham ging es direkt nach Kampfende per Notarztwagen ins Krankenhaus. In der notwendigen Operation wurde der Kiefer gerichtet und mit 22 Titanschrauben sowie zwei Titanplatten wieder hergestellt. "Ich kann mich nicht an Vergleichbares erinnern und ich habe schon einiges gesehen", sagte Promoter Wilfried Sauerland im Anschluss an das Geschehen, welches seinen Schützling auf ein neues Level in der öffentlichen Wahrnehmung beförderte.

17. Oktober 2009 vs. Jermain Taylor, Knockout in Runde zwölf

Nach 30 Kämpfen ohne Niederlage entschloss sich Abraham zur Teilnahme am "Super-Six"-Turnier, bei dem die besten Boxer des Supermittelgewichts gegeneinander antreten sollten. Mit von der Partie waren neben dem Berliner auch Andre Ward, Carl Froch, Mikkel Kessler, Andre Dirrell und Jermain Taylor. Hinzu kamen Allan Green und Glen Johnson, die Taylor und Kessler nach deren freiwilligen Ausscheiden ersetzten. Für die Teilnahme stieg Abraham eine Gewichtsklasse auf.

Nach seinem Wechsel aus dem Mittelgewicht fand Abrahams erster Kampf des Turniers in der Berliner o2-World gegen den US-Amerikaner Jermain Taylor statt. Eben jener Taylor der knapp vier Jahre zuvor seinen Titel niedergelegt und so den Weg für seinen ersten Titelgewinn bereitet hatte. Vor rund 14.000 Zuschauern sollte es am Ende ein relativ klarer Erfolg werden. Wie bei Abraham zumeist der Fall, dauerte es jedoch etwas, ehe er richtig in den Kampf fand.

Aufgrund der passiven Herangehensweise standen die ersten Runden klar im Zeichen des Jabs von Taylor, der jedoch auch mit zwei Tiefschlägen (Runde zwei und vier) negativ auf sich aufmerksam machte. Zwar versuchte Abraham von Zeit zu Zeit, mit überfallartigen Attacken zu Treffern zu kommen, blieb damit bis zur Mitte des Kampfs allerdings ohne nennenswerten Erfolg. Ab der sechsten Runde wurde der Kampf jedoch zusehends offener und der Schützling von Trainer Ulli Wegner konnte mit starken Kombinationen Druck auf Taylor ausüben.

Ab Runde neun hatte Abraham das Duell dann im Griff. Die Deckung wurde zur Nebensache, klare Treffer brachten Taylor ein ums andere Mal ins Wanken. Zehn Sekunden vor Schluss der letzten Runde war es dann soweit: Abraham, zu diesem Zeitpunkt auch nach Punkten deutlich vorn, traf Taylor mit einer knallharten Rechten und beendet so kurz vor Schluss den Kampf vorzeitig. Mit einer Disqualifikation gegen Andre Dirrell sowie Niederlagen gegen Carl Froch und Andre Ward, sollte es sein einziger Erfolg im Verlauf der Veranstaltung bleiben.

Seite 1: Vom ersten Meilenstein bis zum "Super-Six"-Turnier

Seite 2: Die Rivalität mit Stieglitz

25. August 2012 vs. Robert Stieglitz I, Unanimous Decision

Nach den enttäuschenden Auftritten im "Super-Six"-Turnier stand Abraham mehr oder weniger vor den Trümmern seiner Karriere. Vom einstigen ungeschlagenen Aushängeschild des Sauerland-Stalls erwartete kaum jemand, dass er das Ruder nochmals herumreißen und wieder Weltmeister werden könnte. Unter dem Motto "Des Königs letzte Chance" erhielt er in Berlin die Möglichkeit, um den Weltmeistertitel der WBO im Supermittelgewicht gegen den amtierenden Titelträger Robert Stieglitz anzutreten.

Vor heimischer Kulisse in der o2-World gelang ihm dann allerdings eine kleine Überraschung. Mit einem dominanten Auftritt sicherte er sich den fünften Sieg im achten Supermittelgewichtskampf und krönte sich erneut zum Weltmeister. Abraham, der sich in der Vergangenheit des Öfteren als Spätstarter charakterisiert hatte, blieb seiner boxerischen Linie auch in diesem Kampf lange treu. So beschränkte er sich gegen einen aggressiv zu Werke gehenden Titelverteidiger zunächst auf teils wilde Konterschläge, die kaum ihr Ziel fanden.

Wie so oft in seiner Karriere dauert es einige Runden, ehe der Berliner unter lautstarken Anfeuerungsrufen der rund 10.000 Zuschauer immer besser in das Duell fand. Stieglitz, der zu diesem Zeitpunkt mit einem Cut über dem linken Auge zu kämpfen hatte, konnte seiner vorgegebenen Marschroute kaum mehr folgen und geriet zusehends unter Druck. Mit hängenden Armen tänzelte Abraham in der Folge im Ring umher und bewegte Stieglitz, der sich verhöhnt fühlen musste, ein ums andere Mal zu unüberlegten Attacken.

Zwar versuchte der Weltmeister bis zur letzten Sekunde alles, doch hatte Abraham stets die besseren Antworten parat und wies den Magdeburger vor allem mit seiner starken Rechten in seine Schranken. Nach einer Unterbrechung, in der der immer stärker blutende Cut unter Stieglitz' Auge durch den Ringarzt Joe Cortez untersucht wurde, ließ sich der Herausforderer den Kampf in den letzten Runden nicht mehr nehmen und siegte verdient auf allen drei Punktzetteln.

1. März 2014 vs. Robert Stieglitz III, Split Decision

Im Rückkampf gegen Stieglitz folgte dann allerdings die Niederlage und der damit verbundene Titelverlust für Abraham. Ein drittes und letztes Duell um den WBO-Gürtel im Supermittelgewicht sollte deshalb klären, wer der bessere Boxer ist. Für Abraham war das dritte Aufeinandertreffen jedoch erneut weit mehr als ein normaler Titelkampf. Eine Niederlage hätte wohl automatisch auch das Ende seiner Zeit als Profiboxer bedeutet.

SPOXMit dem Rücken zur Wand zeigte Abraham, dessen technische Fähigkeiten limitiert sind, einen seiner besten Kämpfe. Durch eine taktische Meisterleistung und mit einem Niederschlag kurz vor Kampfende setzte er sich gegen den Titelverteidiger, der im letzten Aufeinandertreffen der beiden Akteure Abraham förmlich überrannt hatte, mit einem knappen Punktsieg durch. Vor rund 7.500 Zuschauern in der Magdeburger Getec-Arena hatten zwei der drei Punktrichter den 34-jährigen Berliner als Sieger gesehen.

Wie bei seinem Titelgewinn agierte Stieglitz über die volle Distanz im Vorwärtsgang. In seinem 50. Profikampf bearbeitete er Abraham mit Kombinationen. Dieser hatte jedoch aus den Niederlagen im "Super-Six"-Turnier und der überraschenden Klatsche gegen den Deutschrussen gelernt und konterte ein ums andere Mal mit seinem Jab. Darüber hinaus fand auch der linke Haken des gebürtigen Armeniers immer häufiger sein Ziel und war zudem für den einzigen Niederschlag des Kampfes verantwortlich.

"Es war ein harter Fight. Beide haben alles gegeben. Mehr geht nicht", sagte Abraham und hatte sein ganz eigenes nächstes Ziel vor Augen: "Ich bin einfach nur glücklich. Jetzt kann ich nach Hause. Mama macht Bratkartoffeln." Stieglitz hingegen wollte sich mit dem Urteil nicht abfinden und sprach von Betrug.

Seite 1: Vom ersten Meilenstein bis zum "Super-Six"-Turnier

Seite 2: Die Rivalität mit Stieglitz

Die Weltmeister der vier großen Verbände im Überblick