Am Samstag steigt IBF-Weltmeister Felix Sturm erneut gegen Sam Soliman in den Ring. Vor dem Rematch spricht der Mittelgewichtler über seinen legendären Kampf mit Oscar de la Hoya, sein Leben als Promoter und Doping im Boxen.
SPOX: Herr Sturm, Anfang Juni jährt sich Ihr legendärer Kampf gegen Oscar de la Hoya zum zehnten Mal. Welche Erinnerungen kommen Ihnen als erstes in den Kopf, wenn Sie daran zurückdenken?
Felix Sturm: Das war der größte Kampf, den ich jemals hatte. Vom Feeling her kommt da nichts ran. Alleine die Pressekonferenz davor war atemberaubend, oder das Wiegen mit 4000 bis 5000 Leuten, das hatte ich noch nie erlebt. Die Amerikaner fahren bei solchen Events alles auf, was Rang und Namen hat. Dazu das Casino in Las Vegas als Veranstaltungsort, sowas muss man mal mitgemacht haben.
SPOX: Und der Kampf an sich?
Sturm: Nun ja, Oscar war einer meiner Kindheitshelden. Ich war fasziniert von ihm. Das war sicherlich ein Traum, mit ihm im Ring zu stehen, auch wenn das Urteil sehr diskussionswürdig war. Leider habe ich nie eine Revanche bekommen. Aber alleine wegen der umstrittenen Niederlage wird bis heute über mich gesprochen. Das war mein großer Durchbruch. Und wenn ich jemals eine Biografie schreiben sollte, bekommt dieser Abend ein ganz langes Kapitel (schmunzelt).
SPOX: De la Hoya war schon während seiner aktiven Karriere viel im Hintergrund tätig und hat seine Kämpfe selber promotet. Auch Sie sind seit 2009 mit der Sturm Box-Promotion selbstständig. Ist er als Promoter ein Vorbild?
Sturm: Nein, weil wir komplett unterschiedliche Voraussetzungen haben. Oscar hat schon als Boxer mehr als 20 Millionen Dollar verdient und dadurch ganz andere Möglichkeiten, sich als Promoter zu verwirklichen. Mal ganz abgesehen von den Kontakten zu den PPV-Sendern wie "HBO" oder "Showtime". Bei uns gibt es dieses Modell ja nicht, es läuft viel im Free-TV. Außerdem hat er mit Floyd Mayweather das Zugpferd schlechthin, Kämpfe mit ihm lassen sich quasi von alleine vermarkten.
SPOX: Aber es ist nicht nur Mayweather.
Sturm: Stimmt, mit Canelo Alvarez hat er einen Boxer, der gerade in Lateinamerika gut zieht. Soweit ich weiß, hat Canelo letztens auch knapp unter einer Million PPV-Verkäufe gehabt. Es kann durchaus sein, dass er zu einem zweiten Chavez oder Mayweather aufgebaut wird. Aber noch mal: In den USA läuft das auf einem ganz anderem Level ab. Man muss auch sehen, dass sich die Promoter zusammen mit den Weltverbänden fast nur um die Kämpfe kümmern müssen. Bei uns ist das ein wenig vielschichtiger, angefangen mit unserem TV-Partner bis zur eigentlichen Veranstaltung.
SPOX: Sie klingen schon wie ein richtiger Promoter, obwohl Ihr Alltag weiterhin im Ring stattfindet. Planen Sie bereits Ihre Zukunft?
Sturm: Darüber mache ich mir momentan keine Gedanken. Ich will noch einiges als Boxer erreichen, was danach ist, entscheide ich zu gegebener Zeit. Aber wäre es nicht schlimm, wenn ich nicht über den Tellerrand blicken würde? Dann wäre ich im falschen Sport zuhause. Man muss den gewissen Weitblick haben und auch mal nach links und rechts schauen. Ich liebe nun mal das Boxen, mit all seinen Facetten. Wenn ich nur an die ganzen Dokumentationen über Ali, Tyson oder Foreman denke. Es gibt kaum eine, die ich nicht gesehen habe.
SPOX: Ist es schwierig, alles unter einen Hut zu bekommen?
Sturm: Das wäre es vielleicht, aber ich bin seit 13 Jahren Profiboxer, kenne das Business und habe ein sehr gutes Team hinter mir. Für das Tagesgeschäft ist sowieso mein Manager Roland Bebak verantwortlich. Ich stehe vor allem mit meinem Namen vor dem ganzen Projekt. Aber wenn es wichtige Entscheidungen zu treffen gibt oder Sponsorentreffen anstehen, bin ich dabei. Oder wenn ein Boxer verpflichtet wird, dann fragt mich Roland nach meiner Meinung.
SPOX: Gibt es Nachteile, wenn man sich als Boxer selbstständig macht?
Sturm: (überlegt) Mir fallen keine ein. Ich bin mein eigener Boss, genau das wollte ich immer. Es ging darum, selber zu entscheiden, wann und wo ich gegen wen boxe. Das ist der große Unterschied zu meiner Zeit bei Universum. Ich wollte mir nichts mehr vordiktieren lassen. Meine eigene Promotion ist eine Art Selbstverwirklichung.
SPOX: Welche Ziele haben Sie vor Augen?
Sturm: Wir wollen uns mit der Zeit immer breiter aufstellen und mehr Events machen. Europameisterschaften, Weltmeisterschafen, in diese Richtung soll es gehen. Aber wir dürfen nichts überstürzen, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Wir wollen anders als Sauerland nicht unzählige Boxer anwerben. Stattdessen wollen wir sukzessive wachsen, zusammen mit unserem TV-Partner "SAT.1" und den Nachwuchsboxern.
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SPOX: Sie haben Sauerland erwähnt. Wie bewerten Sie als Konkurrent die Situation um den TV-Vertrag mit der "ARD"?
Sturm: Das steht mir grundsätzlich nicht zu, zudem belebt Konkurrenz das Geschäft. Aber meiner Meinung nach werden die Zuschauer die großen Verlierer sein. Wenn sechs bis acht Kampfabende im Jahr wegfallen, gibt es dementsprechend auch weniger Boxen im Free-TV. Das ist für niemanden gut, der mit Herz und Seele an diesem Sport hängt. Auch für die Boxer tut es mir leid. Manche hätten vielleicht eine große Zukunft gehabt, aber man hätte sie frühzeitig als Publikumslieblinge austesten und etablieren müssen.
SPOX: Ist die Lage von Sauerland ein Vorteil für Sie?
Sturm: So denke ich nicht. Wir werden keine Boxer abwerben, wir werden an niemanden herantreten. Das ist nicht unser Stil. Sauerland spielt bei uns keine Rolle. Wir wissen, wer zu uns will und haben mehrere Anfragen, auch aus dem Amateurbereich. Darauf kommt es an. Aber um das deutlich zu machen: Ich wünsche Sauerland, dass sie einen neuen Vertrag unterschreiben.
SPOX: Muss man sich dennoch Sorgen um das deutsche Boxen machen?
Sturm: Ach, es gab immer wieder solche Phasen, das ist ganz normal. Helden werden geboren, alte Legenden treten zurück. Es gibt immer noch genügend Boxer wie Klitschko, Abraham oder mich, die für das Publikum attraktiv sind. Trotzdem muss in Zukunft etwas passieren, damit die Leute auf die nächste Generation aufmerksam werden. Mein Traum ist es, dass wieder vermehrt deutsche Boxer auch in den USA für Furore sorgen.
SPOX: Auch Sie haben seit dem Kampf gegen de la Hoya nicht mehr in Amerika geboxt. Reizt Sie das Thema noch, vielleicht bei einer Titelvereinigung gegen Sergio Martinez oder Gennady Golovkin?
Sturm: Ich bin als Weltmeister in einer komfortablen Position. Wenn die großen Kämpfe kommen, schön, wenn nicht, geht davon die Welt auch nicht unter. Ich weiß, dass mein Name viel Gewicht hat, auch in den USA. Ich muss mir keinen Namen mehr machen. Aber es muss alles passen. Martinez ist doch ein gutes Beispiel. Warum tritt er gegen Miguel Cotto an? Wegen der großen Börse. Er ist mittlerweile 39 Jahre alt, es ist ein PPV-Kampf, wahrscheinlich wird er am Topf beteiligt. Es ist nun mal so, dass man die Kämpfe mit der besten Börse bestreitet.
SPOX: Das heißt, eine Titelvereinigung ist unter gewissen Umständen möglich?
Sturm: Natürlich, ich habe noch drei, vier gute Jahre vor mir. Aber das ist Zukunftsmusik. Früher wurde ich kritisiert, weil ich zu viel geredet habe. Ich habe aus diesen Fehlern gelernt. Für mich zählt nur Sam Soliman.
SPOX: Sie treffen am Samstag zum zweiten Mal auf Soliman. Den ersten Kampf gewann der Australier, dem allerdings im Anschluss die Einnahme des leistungssteigernden Mittels Methylsynephrine nachgewiesen wurde. Wollen Sie sich an ihm rächen?
Sturm: Rache, Revanche, das ist mir alles egal. Ich will nur beweisen, dass ich besser bin als er. Im ersten Kampf habe ich nicht das gezeigt, was ich wirklich zu leisten im Stande bin. Ich war viel zu inaktiv und habe dafür die Quittung bekommen. Es gab danach zwei Möglichkeiten: Noch ein, zwei Fights machen, ein bisschen Geld kassieren und dann abtreten. Oder sich noch einmal zusammenreißen und diese allerletzte Chance nutzen. Seitdem achte ich viel mehr auf mein Gewicht und halte auch mal die Klappe. Ein großer Champion muss nicht überall seinen Senf dazugeben. Ich muss Sam fast dankbar sein, weil er mich ein wenig wachgerüttelt hat. Ich will diese Erfahrung mittlerweile nicht mehr missen.
SPOX: Ganz allgemein gesprochen: Hat das Boxen ein Dopingproblem?
Sturm: Ich glaube, das sind nur Einzelfälle wie Soliman oder Wach, der gegen Klitschko im Ring stand. Es gibt immer schwarze Schafe. Aber wer so dumm ist und etwas nimmt, fliegt früher oder später sowieso auf.
SPOX: Sie sind seit Dezember 2013 der erste Deutsche, der viermal Weltmeister wurde. Ein besonderer Rekord?
Sturm: Das macht mich stolz. Ich bin nicht nur der erste Deutsche, dem das gelungen ist, sondern soweit ich weiß auch der erste Mittelgewichtsboxer. Ich habe meinen Platz in den Geschichtsbüchern sicher, ganz egal, was in Zukunft passiert.
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