16.800 Zuschauer werden am Samstag in der MGM Grand Garden Arena Platz nehmen, um den Kampf des Jahrhunderts zu verfolgen. Schauspieler, Rapper, Politiker und Geschäftsmänner, mit ganz viel Glück sogar auch der eine oder andere normale Box-Fan, wenn es der Geldbeutel zulässt.
Und ein Mann, der nicht weiter auffallen wird. Wahrscheinlich trägt er wieder einen dunklen Anzug. Mit einem weißen Hemd und einer schlichten, schwarzen Krawatte. Wie ein Secret Agent. Er könnte auch ein Superman-Kostüm tragen, in Las Vegas würde trotzdem kaum jemand Notiz von ihm nehmen. Denn er ist genau das, was die Comic-Helden darstellen wollen. Ein Mythos.
Mayweathers Welt: Jenseits aller Grenzen
Nicht wenige Menschen im Boxsport würden sogar sagen, er ist viel mehr als das. Er ist der Pate, Bigfoot und der Zauberer von Oz in einer Person. Oder wie es Thomas Hauser, einer der renommiertesten Box-Journalisten, ausdrückte: "Er ist der Don King des neuen Millenium. Er übernimmt den Boxsport."
Der Mann hinter dem Vorhang
Das Leben und Wirken von Alan "Al" Haymon zu verstehen, ist jedoch weitaus schwieriger als bei seinem exzentrischen Vorgänger. Er ist ein Mensch, der im Hintergrund agiert. Wüsste man es nicht besser, würde man meinen, der englische Ausdruck "The Man behind the Curtain" wurde für ihn geschaffen. Denn von dort verfolgt Haymon das Spektakel seiner Schützlinge.
Über 150 Kämpfer soll der 60-Jährige momentan beraten. Wie viele es wirklich sind, weiß niemand. Denn Haymon oder dessen Unternehmen besitzt keine Homepage. Er nutzt weder Facebook noch Twitter, bei den meisten professionellen Foto-Agenturen gibt es nicht einmal ein Bild von ihm. Und die Medien stoßen bei ihm sowieso auf Granit. Haymon spricht nicht mit der Presse, von einem längeren Interview ganz zu schweigen.
Seine scheue Art ist selbst unter seinen Boxern eine Art Running Gag. Floyd Mayweather, Haymons wichtigstes Pferd im Stall, scherzte in der Vergangenheit auf Pressekonferenzen: "Wo ist eigentlich Al?" Die Antwort gab er sich selber: "Haymon würde nie auf die Bühne kommen. Er ist ein Geist."
Mächtig wie Don King
Und damit hebt er sich extrem von seinen Vorgängern ab. Denn dominierende Personen im Boxen gab es schon immer. Menschen, die eine Ära prägten. Wie Frankie Carbo, ein Mafioso von der Lucchese-Familie, der in den 40er und 50er Jahren das Sagen hatte. Es war zu dieser Zeit quasi unmöglich, einen WM-Kampf zu bekommen ohne Carbos Einverständnis.
Oder eben Don King, der einen ähnlichen Status in den 80er und 90er Jahren erlangte und wie kaum ein Zweiter das Blitzlicht liebte. Aber Haymon ist anders - und das geht soweit, dass zeitweise sogar gemunkelt wurde, ob der Mann hinter dem Vorhang überhaupt existiere.
Studium in Harvard
Dieser Mythos wird genährt von Haymons eigener Biografie. In Cleveland aufgewachsen. In Harvard BWL und VWL studiert. Mehr Informationen findet man nicht über seine ersten Jahre. Erst als er einen französischen Jazz-Violinisten namens Jean-Luc Ponty promotete, und zwar mit nichts weiter als seinem Studienkredit, lichtet sich der Nebel ein wenig.
Es war der Beginn eines beeindruckenden Aufstiegs in der Entertainment-Branche. Nach dem College ging er zurück nach Cleveland und freundete er sich mit den O'Jays an, einer R&B-Band, die in den 70er Jahren zu den bedeutendsten Vertretern des Philly Soul gehörte.
"Er war wie ein Bruder für uns", erklärte Frontmann Eddie Levert. Ein Bruder, der das richtige Gespür hatte. Denn Haymon ist niemand, der in kleinen Dimensionen denkt. Nach seiner Zeit in Harvard gründete er auf einen Schlag 14 Unternehmen, die alle dasselbe Ziel verfolgten.
Jede dieser Firmen betreute bei der Produktion von Live-Shows, Haymons Hauptgeschäft, eine andere Komponente: Beleuchtung, Stage Production, Marketing, um nur ein paar zu nennen. Eine komplette Infrastruktur wurde auf die Beine gestellt - und am Ende lief alles wieder bei Haymon zusammen.
Das Musik-Business
Wie er das zu Beginn alles finanzieren konnte, bleibt bis heute offen. Nicht ohne Grund sagte Phil Casey, ein langjähriger Geschäftspartner: "Man sollte nicht versuchen, Al zu durchschauen. Das klappt nicht." Zusammen sollen die beiden nach eigenen Aussagen mehr als 1000 Konzerte organisiert haben.
Und zwar nicht nur im Raum Cleveland. Im Laufe der Zeit hatten sie so viel Erfolg, dass sogar die ganz Großen mit ihnen arbeiten wollten: Whitney Houston, Bobby Brown, New Edition, Mary J. Blige, M.C. Hammer. Sie alle vertrauten Haymon - und wurden nicht enttäuscht.
R&B-Tourneen mit 300 Tagen on the road waren keine Seltenheit, nebenbei initiierte er das Budweiser Superfest, eine Konzertreihe, die von 1979 bis 1999 lief und 2010 wiederbelebt wurde. In einem der damals seltenen - und heutzutage unmöglichen - Interviews erzählte Haymon der USA Today, dass man 1991 500 Shows veranstaltet und rund 60 Millionen Dollar damit verdient habe.
"Die Musikwelt, zumindest bei Konzerten von afroamerikanischen Künstler, war in zwei Lager aufgeteilt: Al auf der einen Seite und die Promoter, die Al aus dem Geschäft haben wollten, auf der anderen Seite", so Jack Boyle, der damalige Vorsitzende des Veranstaltungsgiganten SFX Entertainment, gegenüber der New York Times.
"Der Steve Jobs der Promoter"
Haymons Einfluss machte auch vor anderen Branchen nicht Halt. Denn warum sollte sich seine Blaupause für die perfekte Show nur in der Musikszene umsetzen lassen? 1987 folge eine Kooperation mit Eddie Murphy. Das Ergebnis: die zu diesem Zeitpunkt erfolgreichste Comedy-Tour aller Zeiten.
"Gute Promotion ist eine Wissenschaft. Aber gute Promotion ist auch immer eine Kunst. Al konnte die beiden Gebiete perfekt miteinander verbinden. Er hat verstanden, wie das Business abläuft - und hat dabei alles optimiert. Er war quasi der Steve Jobs unter den Promotern", beschrieb Gregory Pai, ein Vertrauter Murphys, das Phänomen Al Haymon.
1999 verkaufte er trotzdem 50 Prozent des Mutterunternehmens an SFX Entertainment. Hip-Hop- und Rap-Tourneen waren auf dem Vormarsch - mit all ihren negativen Seiten: Backstage-Fights, große Entourages, Waffen, Gerichtsverfahren und ausgefallene Konzerte.
Haymon behielt zwar die kreative Kontrolle über seine Firma, wandte sich aber rund um die Jahrtausendwende dem TV-Geschäft zu - und zwar mit einer Taktik, die er später auch im Boxen anwenden sollte: Er verlangte bei seinem ersten Deal kaum Geld im Voraus, weshalb die Sender-Bosse davon ausgingen, dass Haymon vielleicht ein oder zwei Shows liefern würde.
Am Ende seines ersten Jahres waren 13 Projekte am Laufen, mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Aber immer mit Haymon als Producer. Wer zuletzt lacht...