Wiederauferstehung des Thronfolgers

Jan Höfling
15. September 201516:25
Andre Ward will mit Roc Nation und Jay-Z an die Spitzegetty
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In der Nacht von Samstag auf Sonntag gibt Andre Ward gegen den Briten Paul Smith sein Comeback. Für den US-Amerikaner, der als einer der besten Boxer der Gegenwart gilt, endet mit der Rückkehr eine lange Abstinenz. Mit Jay-Z und Roc Nation im Rücken wandelt er auf den Spuren Floyd Mayweathers - und will endgültig seine Bestimmung erfüllen.

Wenn Andre Ward in seiner Wahlheimat Oakland gegen Paul Smith in den Ring steigt, enden für den US-Amerikaner 581 schier unendlich scheinende Tage. Mehr als 19 Monate ohne Kampf liegen hinter einem der talentiertesten Athleten der Gegenwart, der von vielen als bester Pound-for-Pound-Boxer nach Floyd Mayweather jr. gesehen wird. Denn trotz einer makellosen Bilanz war der Sieg gegen Edwin Rodriguez im November 2013 der vorläufige Schlusspunkt einer steilen Karriere.

Der Grund für die wohl schwierigste Phase seiner Laufbahn lag dabei keinesfalls zwischen den Seilen. Ganz im Gegenteil: Im sportlichen Bereich war Ward während seiner inzwischen zehn Jahre andauernden Zeit als Profi stets über jeden Zweifel erhaben. Siege über Carl Froch, Mikkel Kessler, Chad Dawson oder Arthur Abraham sowie ein spielerisch wirkender Triumph beim "Super Six World Boxing Classic" des Senders Showtime unterstrichen seine Ambitionen. Ein Ende des Siegeszuges war nicht in Sicht.

Im Hintergrund bröckelte es allerdings gewaltig. Immer wieder kam es zu Differenzen zwischen Ward und Promoter Dan Goossen, die letztlich gar in diversen Gerichtsgebäuden ausgetragen wurden. Ward, den zudem Verletzungen plagten, fühlte sich nicht entsprechend repräsentiert. Das Vorhaben, sich in einem Rechtsstreit aus seinem Vertrag zu lösen, scheiterte jedoch in sämtlichen Instanzen. Sein unglaublicher Lauf kam ins Stocken, der Linksausleger schien mehr und mehr in einer Sackgasse zu stecken.

Schock als Neuanfang

Erst ein Schicksalsschlag sollte für die Wende sorgen. Goossen, der Ward zum Champion managte und sich Tag und Nacht für seinen Klienten aufopferte, verlor im September des vergangenen Jahres nur wenige Wochen nach der Diagnose den Kampf gegen ein Krebsleiden. Mit einem Schlag traten all die Konflikte um Geld und Vermarktungspotential in den Hintergrund - auch für den gläubigen Ward, der nicht nur aufgrund seines Egos auf den Spitznamen "Son of God" hört.

"Ich bin von den Neuigkeiten über den Tod Goossens tief betroffen", gab der 31-Jährige in einem öffentlichen Statement bekannt: "Obwohl Dan und ich in den letzten Wochen und Monaten auf professioneller Ebene nicht einer Meinung waren, war er ein großartiger Mensch, Vater und Ehemann. Er wird der gesamten Boxszene fehlen. Ich werde für seine Familie einen Platz in meinen Gebeten haben."

Die Aufrichtigkeit hinter den Worten anzuzweifeln, ihm gar Heuchelei vorzuwerfen, wäre unwürdig. Schließlich wurde Ward selbst einst von dieser heimtückischen Krankheit in ein tiefes Tal gestürzt. So erlag sein Vater, zu dem er eine äußerst enge Beziehung hatte, im Jahr 2002 dem Krebs. Der Mann aus Oakland dürfte den Schmerz somit besser nachvollziehen können als so manch anderer. Dennoch eröffneten sich durch den plötzlichen Tod Goossens unerwartete Möglichkeiten.

In Gesprächen mit dem neuen Verantwortlichen von Goossen Promotions, Tom Brown, Schwager und rechte Hand des Verstorbenen, konnten beide Seiten schließlich eine Einigung erzielen. Es kam zum ersehnten Split. "Es ist ein Kapitel, das nun abgeschlossen ist", gab sich Brown, der zusammen mit Dans Sohn Craig einen Neuanfang anstrebte, zwiegespalten: "Es ist an der Zeit, weiterzuziehen."

Mayweather 2.0?

Als hauptverantwortlich galt mit Ward-Manager James Price jedoch ein anderer Protagonist. "Ich habe in der gesamten Situation auf seine Meinung vertraut", sagte Ward kürzlich über die Rolle des Strippenziehers im Hintergrund: "Wir haben uns oft darüber unterhalten und er fragte mich, ob ich bereit für diese Veränderung wäre. Er hat dann die weiteren Schritte unternommen. Ich denke, dass es für mich zu diesem Zeitpunkt meiner Karriere definitiv der beste Schritt war." SPOX

Ein Schritt, der Parallelen zu Landsmann Mayweather erkennen lässt. Erst als dieser im Jahr 2006 von einer Vertragsklausel Gebrauch machte, sich gegen eine Zahlung in Höhe von 750.000 US-Dollar von Top Rank Promotions löste und seine Geschicke selbst in die Hand nahm, bekam seine Karriere den entscheidenden Schub. Einen Effekt, den sich wohl auch Ward erhofft. Während sich Mayweather fortan selbst vermarktete, fand Ward bei Roc Nation Sports, einer von Musik-Mogul Jay-Z ins Leben gerufenen Promotion, eine neue Heimat. Die Zeit der Worte dürfte damit vorerst vorbei sein, im Fokus stehen von nun an wieder Taten.

Denn anders als Mayweather, der seit jeher durch einen extravaganten Lebensstil und etwaige Konflikte mit dem Gesetz für Aufsehen sorgt und sich so auch außerhalb des Seilgevierts vermarktet, muss Ward auf seine Leistungen im Ring bauen. Sein effektiver aber ebenso unspektakulärer Stil, der auf einer starken Defensive aufbaut, macht das Unterfangen, die Nachfolge Moneys auch bei den Zuschauern anzutreten, nicht unbedingt einfacher.

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Nur wenn er die großen Namen des Sports boxt, kann er die notwendige Aufmerksamkeit der breiten Masse auf sich ziehen und so seiner selbstauferlegten Bestimmung folgen. Die Anlagen dazu hat er zweifelsohne. Er ist schnell, treffsicher und hat ein nicht zu erlernendes Gespür im Ring.

"Es ist meine Verantwortung, die Gaben, die ich habe, zu nutzen", ist sich Ward seines gottgegebenen Talents bewusst. Zeigen konnte er davon zuletzt nichts. Die vergangenen Monate waren ein herber Rückschlag. Eine Episode, an der er beileibe nicht unschuldig war.

Eine gemeinsame Vision

Unter der Flagge von Roc Nation, der inzwischen mit Miguel Cotto ein weiterer großer Name angehört, soll es für Ward deshalb wieder zurück auf den Kurs gehen, den er innerhalb des Rings praktisch nie verlassen hatte. Mit 27 Siegen in ebenso vielen Kämpfen ist Ward ungeschlagen. "Es ist erst der Anfang, allerdings ein mehr als guter", gab Roc-Nation-COO David Itskowitch kurz nach der Unterschrift gegenüber ESPN sichtlich zufrieden bekannt: "Er ist einer der besten Kämpfer der Welt."

Auch der 31-Jährige zeigte sich angetan. "Ich glaube, dass Roc Nation Sports über eine Vision verfügt und zudem die Power hat, sie umzusetzen", so Ward gegenüber ESPN. "Es waren zwei harte Jahre für mich, aber der Blick in die Zukunft macht alles vergessen. Es gibt kein Bedauern. Solche Dinge passieren einfach im Sport. Mich haben sie als Mensch und Boxer stärker gemacht."

Die Fähigkeiten Wards gekoppelt mit der Tatsache, dass mit Jay-Z eine Persönlichkeit an der Spitze steht, die über die Grenzen des Sports hinaus Interesse generiert, dürfte für die ambitionierten Pläne beider Seiten mehr als von Vorteil sein. Zum Selbstläufer wird die Aufgabe deshalb allerdings noch lange nicht. Dies lässt bereits die Art der Rückkehr in den Ring erkennen.

Der Kampf gegen Smith, bei dem es um keinen Titel geht, stellt in den großen Zukunftsplänen einen Sicherheitsstart dar. Smith, sicherlich kein schlechter Boxer, dürfte nach zwei Niederlagen gegen Abraham in Folge im Duell mit Ward, der noch immer als Super-Champion der WBA im Supermittelgewicht geführt wird, kaum Land sehen. Trotz des wahrscheinlich vorhandenen Ringrosts Wards wäre alles andere als eine klare Machtdemonstration einer Katastrophe gleichzusetzen.

Erst Smith, dann Kovalev?

Am interessantesten dürfte folglich sein, wie sich Ward, der eigentlich im Supermittelgewicht und damit bei einem Limit von 168 Pfund beheimatet ist, beim vereinbarten Catchweight von 172 Pfund schlägt. Läuft alles wie geplant, könnte es für den Kalifornier in Zukunft noch ein paar Pfündchen höher ins Halbschwergewicht (175 Pfund) gehen. Eine Gewichtsklasse voller lukrativer Gegner und damit der Chance, die eigenen Ansprüche auf eine rechtmäßige Nachfolge des Pound-for-Pound-Königs Mayweathers zu legitimieren.

Vor allem Gerüchte um ein Duell mit Sergey Kovalev, der zunächst gegen Außenseiter Nadjib Mohammedi eine Pflichtverteidigung seiner WBA-, WBO- und IBF-Gürtel zu absolvieren hat, kamen in letzter Zeit vermehrt auf und sorgten bereits ohne eigentliche Grundlage für jede Menge Aufmerksamkeit. Es wäre ein Kampf, der Ward mit einem Schlag in eine neue Sphäre befördern könnte. Allerdings ist die Division auch abseits des Russen mit beispielsweise Adonis Stevenson, Jean Pascal, Nathan Cleverly oder aus deutscher Sicht Jürgen Brähmer bestens gefüllt.

"Ich kämpfe gegen Smith bei einem Limit von 172 Pfund. Es geht darum zu sehen, wie sich mein Körper anfühlt", untermauerte Ward auf Nachfrage: "Die Frage lautet: Was ist am besten für mich? Ist es ein Limit von 168 Pfund oder doch eines von 175?

Ich muss es allein von meinem Standpunkt aus sehen und die für mich bestmögliche Entscheidung treffen. Wenn ich in das Halbschwergewicht gehe, dann nicht als Supermittelgewichtler, sondern als vollwertiger Halbschwergewichtler. Es gibt kein Zurück." Der Weg aus dem Schatten Mayweathers scheint mit dessen bevorstehendem Karriereende frei. Es liegt an Ward, ihn auch zu beschreiten.

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