"Ich gebe Feigenbutz noch Zeit"

Micha Schneider
09. Dezember 201515:21
Stefan Härtel gewann alle seiner bisherigen sechs Profikämpfegetty
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Er will Boxweltmeister im Supermittelgewicht werden und studiert parallel Sport und Geschichte auf Lehramt: Stefan Härtel. Im Interview spricht der 27-Jährige über die Herausforderungen als boxender Student, nervende Sprücheklopfer, Sparringspartner Abraham, das Feeling bei Olympia und sein Verhältnis zu Sauerland-Kollege Vincent Feigenbutz.

SPOX: Herr Härtel, wo erwischen wir Sie denn gerade? Stören wir Sie etwa in einer Vorlesung?

Stefan Härtel: Nein, heute hatte ich zum Glück keine Uni und konnte ein bisschen relaxen. (lacht)

SPOX: Sie sind seit einem Jahr Boxprofi, wollen Weltmeister werden. Sie studieren parallel aber auch noch Geschichte und Sport auf Lehramt. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?

Härtel: Es ist natürlich nicht ganz einfach. Gerade in der Vorbereitung auf einen Kampf vier Stunden in Vorlesungen zu sitzen und dann noch zu trainieren, ist mitunter eine Herausforderung. Mein Trainer Karsten Röwer ist allerdings zum Glück sehr kulant, was die Trainingszeiten angeht. Aber ich will dieses zweite Standbein unbedingt. Da gibt es für mich nichts dran zu rütteln.

SPOX: Akademiker sind im Boxsport allerdings nicht unbedingt in der Mehrheit. Man liest immerhin nicht gerade selten Storys nach dem Motto: "Vom armen Jungen zum Boxmillionär". Diese Beweggründe kann man bei Ihnen wohl getrost ausschließen.

Härtel: Absolut. Ich bin damals im Alter von sieben Jahren zu meinem Vater in den Verein gegangen und habe angefangen zu trainieren. Da habe ich natürlich überhaupt nicht ans Geld gedacht. Finanzielle Mittel waren nie ein Beweggrund für mich. Dass ich mal so erfolgreich werden würde, konnte man damals schließlich auch nicht absehen.

SPOX: Die Szene wird mitunter von sehr extrovertierten Persönlichkeiten geprägt. Ihr Auftreten ist jedoch ein gänzlich anderes. Kann man als Leisetreter denn überhaupt erfolgreich sein?

Härtel: Das wird sich zeigen. Ich bin erst ein Jahr dabei, aber ich finde, man muss nicht immer auf die Kacke hauen um positives Feedback oder Presse zu bekommen. Mir geht das auf die Nerven, dass beispielsweise ein Shannon Briggs, der sportlich noch nichts nachgewiesen hat und von Vitali Klitschko zwölf Runden lang böse vermöbelt wurde, Wladimir auf Schritt und Tritt verfolgt und solche Faxen macht. Das finde ich anstrengend, im Endeffekt macht er sich lächerlich. Am Anfang ist es vielleicht lustig, aber die Haltbarkeit solcher Leute, die nur über Krawall auf sich aufmerksam machen, ist in der Regel nicht allzu lang.

SPOX: Ihr Sauerland-Stallkollege Vincent Feigenbutz haut auch gerne immer mal wieder einen flotten Spruch in Richtung Arthur Abraham oder Felix Sturm raus. Was halten Sie von seinen Aussagen?

Härtel: Mir gefällt das nicht. Wenn man noch überhaupt nichts nachgewiesen hat und bislang mit Ausnahme von Giovanni De Carolis nur Aufbaugegner hatte, sollte man vorsichtiger sein. Er sollte erstmal kleinere Brötchen backen. So habe ich das zumindest in meiner Erziehung gelernt. Das muss aber jeder selbst wissen.

SPOX: Wie sieht Ihr Verhältnis zu Feigenbutz denn aus?

Härtel: Im Prinzip haben wir gar kein Verhältnis. Er ist zwar in meinem Stall, aber in einer anderen Trainingsgruppe. Jeder soll sein eigenes Ding machen. Mir ist auch letztlich egal, was er macht. Dennoch würde ich es Vincent gönnen, wenn er Weltmeister wird. Dafür muss er aber noch zulegen.

SPOX: Sie sprachen Feigenbutz' Kampf gegen De Carolis an. Dieser sorgte für jede Menge Unruhe. Haben Sie ihn verfolgt?

Härtel: Ja, natürlich. Der Kampf gegen De Carolis war ja auch durchaus spannend und Vincent lockt schließlich Publikum an. Aber vor allem seine Aussagen nach dem Kampf sind nicht mein Fall. Ich bin mit Enrico Kölling und Tyron Zeuge in einer Trainingsgruppe und wir sind da eher die ruhigere Fraktion.

SPOX: Ein Unterschied zu Feigenbutz ist auch Ihre lange und erfolgreiche Amateurkarriere. Sie bestritten knapp 200 Kämpfe. Feigenbutz dagegen wurde direkt Profi. Braucht man denn überhaupt Erfahrungen als Amateur, um als Profi erfolgreich zu sein?

Härtel: Schwer zu sagen. Das Profiboxen ist letztlich ein ganz anderer Sport. Die Rundenanzahl ist eine komplett andere. Es kann natürlich auch ohne Amateurkarriere klappen, aber einige Basics müssen sitzen. Vincent hat den Vorteil, dass er die meisten Kämpfe dank seiner Schlagkraft auch vorzeitig beenden kann. Ich komme eher über die Technik und muss mich meistens über die volle Distanz quälen. Es ist für mich deshalb manchmal noch schwierig, die Konzentration wirklich bis zum Schluss hochzuhalten.

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SPOX: Wäre ein Duell mit Feigenbutz nicht eine Chance, sich zu beweisen?

Härtel: Grundsätzlich wäre das natürlich möglich, aber warum sollte Sauerland das machen? Feigenbutz ist jetzt, warum auch immer, schon relativ nah am WM-Titel dran und es wäre dumm einen von uns auszuschalten. Wenn, dann würden Sie uns am Ende der Karriere gegeneinander boxen lassen, wenn man sieht, es geht nicht mehr weiter. Ich gebe Feigenbutz also gern noch etwas Zeit. (lacht)

SPOX: Einer Ihrer größten Erfolge als Amateur war der fünfte Platz bei den Olympischen Spielen. Was war das für ein Gefühl, bei der Eröffnungsfeier einzulaufen?

Härtel: Da konnte ich leider gar nicht dabei sein, weil ich am nächsten Tag schon geboxt habe. Ich musste Prioritäten setzen. Bei der Abschlussfeier war ich dann aber dabei. Das ganze Drumherum ist gigantisch. Olympia zu toppen, wird schwer und ist eigentlich unmöglich.

SPOX: Wie haben Sie die Atmosphäre im olympischen Dorf erlebt? Es soll ja zwischen den Wettkämpfen mitunter hoch hergehen?

Härtel: Die Storys habe ich leider nur gehört und sie nicht selbst mitbekommen. Ich war auch lange im Turnier. Grundsätzlich war es sehr locker, ein Erlebnis, was ich sicher nie vergessen werde. (lacht)

SPOX: Neben Olympia bestritten Sie auch Wettkämpfe und Weltmeisterschaften in Marokko, Indien oder Kasachstan. Wie haben diese Reisen Sie beeinflusst?

Härtel: Für mich gab es in all den Ländern immer nur eins: Boxen. Ich kannte den Weg zur Halle, die Halle selbst und den Weg zurück. Letztlich ist das natürlich auch ein bisschen schade, aber ich war früher ohnehin nie ein wirklich interessierter Tourist.

SPOX: Trotz Ihrer Erfolge als Amateur: So richtig im Rampenlicht standen Sie nicht. War die öffentliche Aufmerksamkeit auch ein entscheidender Faktor bei Ihrer Entscheidung, Profi zu werden?

Härtel: Das nicht. Ich liebe den Sport einfach, ob ich nun bekannter werde oder nicht. Das war ja nicht der Grund, weshalb ich damals mit dem Sport angefangen habe. Natürlich bekommt man als Profi sofort mehr Aufmerksamkeit, obwohl man mitunter weniger leisten muss.

SPOX: Ihr Einstieg als Profi gelang, Sie gewannen alle sechs Kämpfe. Waren die Gegner nur Fallobst?

Härtel: Das nicht, aber bei den Amateuren habe ich bei der WM oder Olympia in der Weltspitze geboxt und die ersten Gegner als Profi sind natürlich auch dazu da, sich an die längere Distanz zu gewöhnen. Die bisherigen Kontrahenten haben mich deshalb noch nicht wirklich gefordert. Ich musste noch keine 110 Prozent geben.

SPOX: Ihren vierten Profikampf bestritten Sie in der Berliner o2 World als Vorkämpfer Abrahams. Bekommt man bei solch einer Arena nicht den Drang nach mehr?

Härtel: Und wie. (lacht) Ehrlich, ich kann es nicht mehr erwarten. Bei meinen bisherigen Kämpfen war die Halle leider noch halbleer und ich habe im Vorfeld selbst Karten an Freunde oder Bekannte gebracht. Dann war natürlich trotzdem ordentlich Stimmung in der Bude. Aber mit einem Hauptkampf von Arthur ist das nicht zu vergleichen. Wenn du siehst, welch eine Stimmung dort herrscht, dann willst du das einfach auch irgendwann erleben.

SPOX: Apropos Abraham, Sie sind sein Sparringspartner. Was können Sie sich noch abschauen?

Härtel: Wir haben unterschiedliche Boxstile, aber Arthur ist einfach ein ausgebuffter Typ, ist mit allen Wassern gewaschen. Er macht nicht mehr als er muss und hat das Gespür, wann mal wieder eine Aktion angebracht wäre und wann er wieder etwas mobilisieren muss. Im Sparring hält er sich schon auch mal zurück. Im Kampf ist er aber immer voll da. Da sieht man schon einen Unterschied.

SPOX: Sauerland sagte bei Ihrer Unterschrift: "Wir wollen mit Stefan nicht rumeiern. Er soll zügig an die Weltspitze geführt werden. In zwei Jahren kann er schon Weltmeister sein." Ein Jahr ist jetzt rum. Wann sind Sie denn Weltmeister?

Härtel: Ich wäre froh, irgendwann überhaupt Weltmeister zu werden. Das Supermittelgewicht ist eine starke Gewichtsklasse. Wir wollen nichts überstürzen. Sauerland hat aber auf jeden Fall große Erfahrung damit, Leute an die Weltspitze zu führen. Innerhalb der nächsten drei Jahre sollte schon ein Titel rausspringen - ob das dann der WM-Titel ist, wird man sehen.

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