SPOX: Herr Härtel, wo erwischen wir Sie denn gerade? Stören wir Sie etwa in einer Vorlesung?
Stefan Härtel: Nein, heute hatte ich zum Glück keine Uni und konnte ein bisschen relaxen. (lacht)
SPOX: Sie sind seit einem Jahr Boxprofi, wollen Weltmeister werden. Sie studieren parallel aber auch noch Geschichte und Sport auf Lehramt. Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?
Härtel: Es ist natürlich nicht ganz einfach. Gerade in der Vorbereitung auf einen Kampf vier Stunden in Vorlesungen zu sitzen und dann noch zu trainieren, ist mitunter eine Herausforderung. Mein Trainer Karsten Röwer ist allerdings zum Glück sehr kulant, was die Trainingszeiten angeht. Aber ich will dieses zweite Standbein unbedingt. Da gibt es für mich nichts dran zu rütteln.
SPOX: Akademiker sind im Boxsport allerdings nicht unbedingt in der Mehrheit. Man liest immerhin nicht gerade selten Storys nach dem Motto: "Vom armen Jungen zum Boxmillionär". Diese Beweggründe kann man bei Ihnen wohl getrost ausschließen.
Härtel: Absolut. Ich bin damals im Alter von sieben Jahren zu meinem Vater in den Verein gegangen und habe angefangen zu trainieren. Da habe ich natürlich überhaupt nicht ans Geld gedacht. Finanzielle Mittel waren nie ein Beweggrund für mich. Dass ich mal so erfolgreich werden würde, konnte man damals schließlich auch nicht absehen.
SPOX: Die Szene wird mitunter von sehr extrovertierten Persönlichkeiten geprägt. Ihr Auftreten ist jedoch ein gänzlich anderes. Kann man als Leisetreter denn überhaupt erfolgreich sein?
Härtel: Das wird sich zeigen. Ich bin erst ein Jahr dabei, aber ich finde, man muss nicht immer auf die Kacke hauen um positives Feedback oder Presse zu bekommen. Mir geht das auf die Nerven, dass beispielsweise ein Shannon Briggs, der sportlich noch nichts nachgewiesen hat und von Vitali Klitschko zwölf Runden lang böse vermöbelt wurde, Wladimir auf Schritt und Tritt verfolgt und solche Faxen macht. Das finde ich anstrengend, im Endeffekt macht er sich lächerlich. Am Anfang ist es vielleicht lustig, aber die Haltbarkeit solcher Leute, die nur über Krawall auf sich aufmerksam machen, ist in der Regel nicht allzu lang.
SPOX: Ihr Sauerland-Stallkollege Vincent Feigenbutz haut auch gerne immer mal wieder einen flotten Spruch in Richtung Arthur Abraham oder Felix Sturm raus. Was halten Sie von seinen Aussagen?
Härtel: Mir gefällt das nicht. Wenn man noch überhaupt nichts nachgewiesen hat und bislang mit Ausnahme von Giovanni De Carolis nur Aufbaugegner hatte, sollte man vorsichtiger sein. Er sollte erstmal kleinere Brötchen backen. So habe ich das zumindest in meiner Erziehung gelernt. Das muss aber jeder selbst wissen.
SPOX: Wie sieht Ihr Verhältnis zu Feigenbutz denn aus?
Härtel: Im Prinzip haben wir gar kein Verhältnis. Er ist zwar in meinem Stall, aber in einer anderen Trainingsgruppe. Jeder soll sein eigenes Ding machen. Mir ist auch letztlich egal, was er macht. Dennoch würde ich es Vincent gönnen, wenn er Weltmeister wird. Dafür muss er aber noch zulegen.
SPOX: Sie sprachen Feigenbutz' Kampf gegen De Carolis an. Dieser sorgte für jede Menge Unruhe. Haben Sie ihn verfolgt?
Härtel: Ja, natürlich. Der Kampf gegen De Carolis war ja auch durchaus spannend und Vincent lockt schließlich Publikum an. Aber vor allem seine Aussagen nach dem Kampf sind nicht mein Fall. Ich bin mit Enrico Kölling und Tyron Zeuge in einer Trainingsgruppe und wir sind da eher die ruhigere Fraktion.
SPOX: Ein Unterschied zu Feigenbutz ist auch Ihre lange und erfolgreiche Amateurkarriere. Sie bestritten knapp 200 Kämpfe. Feigenbutz dagegen wurde direkt Profi. Braucht man denn überhaupt Erfahrungen als Amateur, um als Profi erfolgreich zu sein?
Härtel: Schwer zu sagen. Das Profiboxen ist letztlich ein ganz anderer Sport. Die Rundenanzahl ist eine komplett andere. Es kann natürlich auch ohne Amateurkarriere klappen, aber einige Basics müssen sitzen. Vincent hat den Vorteil, dass er die meisten Kämpfe dank seiner Schlagkraft auch vorzeitig beenden kann. Ich komme eher über die Technik und muss mich meistens über die volle Distanz quälen. Es ist für mich deshalb manchmal noch schwierig, die Konzentration wirklich bis zum Schluss hochzuhalten.
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