"So tritt Felix Sturm nicht ab!"

Jan Höfling
18. Februar 201613:04
Felix Sturm will gegen Fedor Chudinov Revanche nehmengetty
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Am Samstag steigt Felix Sturm in Oberhausen erneut gegen Fedor Chudinov um den Gürtel der WBA im Supermittelgewicht in den Ring (ab 22:20 Uhr im LIVETICKER). Nach der Niederlage im ersten Duell will sich der vierfache Champion revanchieren und gleichzeitig erneut Geschichte schreiben. Vor dem Kampf spricht The Fighter über ein Geburtstagsgeschenk für die ganze Familie, Rücktrittsgedanken, neue Wege in- und außerhalb des Rings, seine Kritiker sowie die Zeit nach dem letzten Gong.

SPOX: Herr Sturm, Ihr Vater feierte vor wenigen Tagen seinen 70. Geburtstag, sie selbst wurden am 31. Januar 37 Jahre alt. Wäre ein Sieg im Rückkampf gegen Fedor Chudinov also nicht das perfekte Geschenk für die gesamte Familie?

Felix Sturm: Das stimmt. Und ich gehe fest davon aus, dass das auch klappen wird. (lacht)

SPOX: Dass es überhaupt zu einem erneuten Duell kommt, ist jedoch nicht selbstverständlich. Nach der Niederlage im Mai des vergangenen Jahres hatten Sie laut eigener Aussage Ihren Rücktritt innerlich bereits beschlossen. Nun steht stattdessen der Rückkampf an. Was gab den Ausschlag zum Umdenken?

Sturm: Es gab ein paar Momente nach den Kampf, in denen ich mir gesagt habe: das war's. Schluss! Aus! Vorbei! Dann haben wir gesprochen. Meine Frau, mein Vater, ein paar enge Freunde und mein Team. Letztlich haben sie mich überzeugt. Das war's noch nicht. So tritt Felix Sturm nicht ab!

SPOX: In der letzten Zeit lief im Ring nicht alles nach Plan, seit Ihrem Schritt in die Selbständigkeit hagelte es zudem Kritik von außen. Ex-Weltmeister Sven Ottke sagte etwa, dass Sie "durch" seien. Sie selbst betiteln den Kampf offen als "letzte Chance". Sehen Sie das Aufeinandertreffen auch als Möglichkeit, es Ihren Kritikern nochmals zu zeigen?

Sturm: Ach der Svenni. Als Altinternationaler hat man einen etwas anderen Blick auf das Boxen. Natürlich habe ich meine Qualität im Ring zuletzt nicht immer optimal abrufen können. Aber es waren auch tolle Kämpfe dabei. Der letzte war allerdings in der Tat nicht gerade ein Aushängeschild für den Boxer Felix Sturm.

SPOX: Um das im Rückkampf mit dem noch immer ungeschlagenen Russen zu ändern, sind Sie in der Vorbereitung neue Wege gegangen. Unter anderem haben Sie sich in Kitzbühel bei Läufen im Schnee auf die anstehende Aufgabe vorbereitet.

Sturm: Wir haben sehr viel verändert. Vor allem aber Kitzbühel hat mir sehr gut getan. Ich bin freier im Kopf geworden, frischer. Neue Impulse sind immer wichtig. Die Schlappheit vom letzten Kampf, den wir genau analysiert haben, wird man nicht mehr sehen.

SPOX: Velazco, Masoe, Castillejo, Barker - und nun eben jener Chudinov? Ein Sieg wäre gleichbedeutend mit dem Gewinn Ihres fünften WM-Titels und somit einer weiteren Bestmarke für die Geschichtsbücher. Wie wichtig sind solche Meilensteine für Sie?

Sturm: Fünf ist nur eine Zahl. Aber sie beinhaltet auf gewisse Weise meine Lebensphilosophie: "Never Give up!". Außerdem ist es natürlich schön, mit fünf errungenen Weltmeisterschaften einmal in den Geschichtsbüchern des Boxsports zu stehen.

SPOX: Es sind es aber nicht nur Bestmarken, die einen Boxer bei der breiten Masse in das Gedächtnis einbrennen, sondern auch große Kämpfe - wie etwa Ihr Duell mit Oscar De La Hoya. In Deutschland wäre im Falle eines Sieges gegen Chudinov ein Kampf gegen Arthur Abraham sicherlich ein solches Ereignis, welches längere Zeit hängen bleiben könnte.

Sturm: In Oberhausen geht's um Chudinov. Nur um Chudinov. Und dann muss Arthur den mega schweren Fight in Las Vegas erst einmal gewinnen. Sollte es für uns beide klappen, dann sehen wir weiter. Ich sträube mich nicht gegen einen Kampf mit Arthur. Im Gegenteil.

SPOX: Sofern nicht Schluss ist. Sie sagten im Vorfeld, dass Sie selbst im Falle eines Sieges durchaus die Möglichkeit in Betracht ziehen, Ihre Handschuhe an den Nagel zu hängen.

Sturm: Nach dem Kampf wissen wir mehr. Ja, so ein großer Sieg wäre ein toller Abschluss für meine Karriere. Keine Frage. Auf der anderen Seite sagt mir mein Körper allerdings, dass ich noch sechs oder sieben Kämpfe drauf habe. Ich werde jedenfalls keine vorschnelle Entscheidung treffen. Wie sagt der Kaiser: "Schau'n wir mal." (lacht)

SPOX: An Beschäftigung würde es Ihnen nicht mangeln. Sie sind Ihr eigener Herr und arbeiten als Promoter. Inzwischen haben Sie zudem weitere Projekte unter Ihrer Leitung, gründeten etwa eine neue Firma, die mit dem "Heavy 1" den Energydrink-Markt stürmen soll. Wie wichtig sind solche ungewöhnlichen Tätigkeitsbereiche als Ausgleich und auch im Hinblick auf die Endlichkeit Ihrer Karriere?

Sturm: Sie helfen mir den Kopf freizubekommen und natürlich blicke ich auch auf meine Zukunft. Ich arbeite immer an meiner Zeit nach dem aktiven Sport, egal wann diese nun beginnen wird. Ich will mich als Mensch immer weiterentwickeln und nicht nur als Sportler. Ich werde später jedenfalls nicht einfach nur ein Ex-Boxer sein. Der "Heavy1" funktioniert bereits super, aber: meine Rechte eben auch!

SPOX: Sie sprechen Ihre Zukunft an. Zurzeit sind Schädigungen des Hirns etwa in Folge von Gehirnerschütterungen im Sport ein großes Thema. Es handelt sich um Langzeitschäden, die sich oftmals erst Jahre nach der Karriere in den unterschiedlichsten Formen offenbaren. Sie mussten im ersten Duell mit Chudinov und auch in Ihrer Karriere einige Treffer einstecken.

Sturm: Ich kann dazu nur sagen, dass meine medizinische Versorgung perfekt ist. Und dass es eine Sache ist, auf die ich sehr gewissenhaft achte.

SPOX: Der Boxsport ist auch hinter den Kulissen ein knallhartes Geschäft. Es kann vielen nicht schnell genug gehen. Grundlegende Aspekte, wie eine Amateurkarriere, fehlen. Defizite in Technik und Verteidigungsarbeit sind die Folge. Als Beispiel kann wohl der Werdegang von Vincent Feigenbutz, für den es sehr schnell nach oben ging und der nach einem fragwürdigen Sieg gegen Giovanni De Carolis im Rückkampf einen schweren technischen K.o. kassierte, dienen. Erhöht dies nicht unnötiger Weise das Risiko?

Sturm: Ach wissen Sie, Feigenbutz. Er hat einfach ein übergroßes Selbstbewusstsein. Man kann auch sagen: Er hat ein großes Maul. Vielleicht hätte er sich tatsächlich etwas mehr hochkämpfen müssen. Nur hart schlagen zu können, reicht irgendwann einfach nicht mehr aus.

SPOX: Sie verfügen über den nötigen Hintergrund, die Technik und eine immense Erfahrung. Dennoch: Sie sind inzwischen auch zweifacher Vater, haben eine Frau. Können Sie überhaupt noch so unbeschwert in den Ring steigen wie früher?

Sturm: Ich weiß, dass ich technisch auf einem enorm hohen Level Boxen kann. Das vermeidet schwerste Treffer. Ich liebe meine Familie über alles, aber am Samstag wird geboxt - und zwar auf höchstem Niveau.

SPOX: Ihre Eltern stammen aus Bosnien und Herzegowina. Sie selbst wurden in Leverkusen geboren, haben eine große Bindung zum Heimatland Ihrer Eltern. Seit dem Jahr 2000 treten Sie nicht mehr unter ihrem bürgerlichen Namen Adnan Catic an, sondern unter Felix Sturm. Ziel war eine bessere Wahrnehmung beim deutschen Publikum. Ein Schritt, den etwa auch Abraham, Marco Huck und viele andere vollzogen.

Sturm: Ich bin in Deutschland geboren, habe bosnische Wurzeln. Ich bin stolz auf beide Länder. Heute höre ich auf Felix genauso wie auf Adnan. Ich sehe da keine Probleme.

Die Titelträger der großen Verbände auf einen Blick