Wembley, 90.000 Zuschauer? Der Heimvorteil ist überhaupt keiner!
Hebel: So weit würde ich nicht gehen! Ich sehe das Wembley Stadium als Vorteil für Joshua. Wer einmal die englischen Boxfans erlebt hat, selbst wenn sie immer mal die gleichen Liedchen singen, der ist beeindruckt. Die Zuschauer können einen Kampf ein gewisses Stück weit tragen. Joshua ist es außerdem gewohnt, dass die ganze Insel etwas von ihm möchte. Er hat auch bei Olympia als Amateur schon gezeigt, dass er Druck standhalten kann. Er ist zudem jemand, der vor einem Kampf gerne die Öffentlichkeit sucht. Außerdem: Natürlich hat Klitschko schon große Kämpfe absolviert und das unter anderem vor 55.000 Zuschauern, aber der Kampf im Wembley ist selbst für ihn eine neue Erfahrung. Ich glaube nicht, dass sich Joshua jetzt schon Gedanken macht, ob er als Loser dasteht, wenn er das Ding nicht gewinnen sollte. Joshua will es unbedingt der Welt zeigen.
Wegner: Für Joshua kann es ein zusätzlicher Ansporn sein, einen WM-Kampf vor so einer Kulisse zu bestreiten. Von außen ist das allerdings ebenfalls schwer einzuschätzen. Er hat bewiesen, dass er ein großes Potential hat und ich glaube, dass er dem Wembley Stadium gewachsen ist. Eine große Rolle kommt auch seinem Trainer zu. Wenn dieser in die Seele seines Sportlers reinkommt und den Jungen mental auf die Höhe bringt, dann hilft das ungemein. Entscheidend ist das Vertrauensverhältnis, das der Boxer zu seinem Trainer haben muss. Gerade in dieser Atmosphäre die Anweisungen, die hereingerufen oder in den Pausen mitgeteilt werden, wahrzunehmen, ist wichtig.
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Sauerland: Es ist für mich auch deshalb ein sehr, sehr spannender Kampf, da sich nur selten so viele Fragen stellen, die eigentlich kein Mensch im Vorfeld wirklich beantworten kann. Diese gehört sicherlich dazu. Klar hat jeder vor dem Kampf seine Meinung, aber niemand kann mir sagen, ob sich Joshua aufgrund dieser Kulisse nicht doch selbst unter Druck setzt. Natürlich hat er etwa in Manchester schon vor einem großen Publikum geboxt. Das Wembley Stadium ist allerdings eine andere Hausnummer. Joshua hat eine perfekte Bilanz als Profi, er ist ein Ausnahmetalent. Die Frage, ob er jetzt schon für solch ein Event bereit ist, beantwortet das jedoch nicht. Er hat spät mit dem Boxen angefangen und gibt selbst zu, dass sein Lernprozess noch lange nicht abgeschlossen ist. Ich glaube, dass Klitschko damit besser umgehen kann.
Joshua: 5000 Kalorien am Tag für Klitschko-Fight
Höfling: Angesichts der Tatsache, dass Joshua erst 27 Jahre alt ist, wird dieser Lernprozess wohl auch noch eine Weile dauern. Das beste Alter als Sportler hat er schließlich noch vor sich. In diesen für einen Boxer jungen Jahren einen solchen Druck aushalten zu müssen, ist eigentlich schon die ultimative Prüfung - und das gegen den wohl dominantesten Schwergewichtler der letzten 15 Jahre. Sollte Joshua diese Feuertaufe tatsächlich bestehen, dann Hut ab. Ich glaube allerdings, dass die Kulisse schon seine Wirkung auf ihn haben wird. Und zwar abhängig davon, wie der Kampf für ihn läuft. Gelingt der Start, kann das Publikum ihn tragen. Okay, er darf dann nicht überziehen, aber es ist definitiv kein Nachteil. Was geht in Anthony jedoch vor, wenn es nicht so läuft, wie es sein Plan vorsieht und das Publikum, das mit unheimlichen Erwartungen in den Fight geht, das nach einem Knockout lechzt, auf einmal unruhig wird? Schwierig. Die Antwort gibt es am Samstag.