Nur schwer konnte sich Klitschko ein Lächeln abringen, suchte nach den passenden Worten. "Ich denke, ihr seid nicht so happy, mich zu sehen. Ich freue mich aber, hier zu sein", rief der ehemalige Weltmeister ins Mikrofon, konnte die Menge aber nicht auf seine Seite bringen.
"Wladimir steckt das weg. Da hat er schon ganz andere Sachen erlebt. Wie bei Kämpfen in den USA", sagte Bruder Witali dem SID. Der frühere WBC-Weltmeister beobachtete das Training am Ring und lobte seinen Bruder: "So konzentriert wie vor diesem Kampf habe ich Wladimir noch nicht erlebt. Er weiß, worum es geht."
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Witali war es aber auch, der zuvor den Druck erhöht und einen Rückkampf ausgeschlossen hatte. "Wladimir hat keine zweite Chance. Deshalb erwarten wir volle Konzentration von ihm und, natürlich, ein gutes Ergebnis", hatte der 45-Jährige gemahnt.
Wladimir selbst wich Fragen nach einem möglichen Rücktritt im Falle einer Niederlage aus. "Ich genieße den Moment. Was morgen oder in fünf Jahren sein wird, kann ich nicht sagen", meinte "Dr. Steelhammer" bei RTL. Der Ex-Champ gab sich hoch motiviert. "Ich möchte den Ring als Sieger verlassen - egal, was es mich kostet. Es kann auch wehtun, an Schmerzen kann man sich irgendwie schon gewöhnen."
Nachwehen der Pleite gegen Fury
Noch immer nagt die klare Niederlage aus dem Kampf gegen Tyson Fury im November 2015 an ihm. Klitschko will zurück auf den Thron und ist noch lange nicht fertig, nachdem er von 2006 bis 2015 das Schwergewichtsboxen als ungeschlagener Champion dominiert hatte. "Ich habe noch nicht die Spitze erreicht. Die Spitze ist Wembley mit 90.000 Zuschauern und einem Herausforderer, der absolut extravagant, interessant und stark ist", sagt der Altmeister.
Dass Klitschko fast 14 Jahre älter als sein Gegner ist, stört den Olympiasieger von 1996 nicht. "Herausforderer mit 41 Jahren zu sein, ist eher ein Geschenk und wirklich etwas ganz Besonderes für mich", erklärte der promovierte Sport-Wissenschaftler vor seinem 69. Profikampf (64 Siege/54 Knockouts). "Ich glaube, die Tendenz geht dahin, dass Sportler auch in einem höheren Alter noch gut performen können."
Fünf Fragen zum Mega-Kampf: Showdown der Generationen
Zumindest wird der frühere Mehrfach-Weltmeister noch einmal richtig abkassieren. Die Börse soll genauso wie bei "AJ" Joshua zwischen 15 und 20 Millionen Euro liegen. Insgesamt spielt der "Kampf der Generationen" um den WM-Gürtel der IBF und den Titel des WBA-Superchampions rund 50 Millionen Euro ein.
Das Gros des Geldes - etwa 30 Millionen Euro - wird über das Pay-TV in England eingenommen. Hinzu kommen Erträge aus Ticketing, Marketing und Sponsorengeldern. Das ist für Klitschko ein Big Deal, im Vergleich zum Jahrhundert-Fight zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao im Mai 2015 allerdings wenig. Der spülte 465 Millionen Euro in die Kassen.
Boost für Klitschkos Stiftung
Finanziell profitieren soll auch Klitschkos Stiftung für Kinder und Jugendliche in der Ukraine. Der 41-Jährige hat seine Kampf-Prognose per Video aufgezeichnet und will den USB-Stick mit der Aufnahme, den er in seinen Kampfmantel näht, höchstbietend versteigern. Das erklärte Klitschko bei der letzten Pressekonferenz vor dem Fight beim britischen Sender Sky.
Gegner Joshua darf sich am Samstag derweil auf lautstarke Unterstützung durch die 90.000 Zuschauer freuen. Der Sohn nigerianischer Einwanderer aus Watford nördlich von London genießt vor allem bei den jungen Briten Kult-Status. "Das wird ein großartiges Spektakel", versprach der Olympiasieger seinen jubelnden Fans beim Medientraining.
Der wie Klitschko 1,98 m große Modell-Athlet gab sich am Donnerstag siegessicher: "Ich werde gewinnen. Es geht darum, im Ring eine weltmeisterliche Leistung zu zeigen."