Im exklusiven Interview mit DAZN spricht der Brite über seine Karriere, seine Werte und Ikonen - und die teuflische Schnelligkeit seines Gegners.
DAZN: Anthony, wie sind Sie eigentlich zum Boxen gekommen?
Anthony Joshua: Die meisten Sportarten, die ich als Kind ausprobiert habe, waren Mannschaftssportarten wie Fußball. Heute würde ich sagen, dass ich dafür nicht diszipliniert genug war: Das Problem an Teamsportarten ist, dass man sich ein- und auswechseln lassen kann. Beim Boxen habe ich im Training und in den Kämpfen dann gemerkt: Hier geht das nicht. Entweder ich hänge mich rein oder ich lasse es. Ich habe entschieden, mich reinzuhängen und habe die Disziplin lieben gelernt, die mit dem Sport einhergeht.
DAZN: Haben Sie in Ihrer Anfangszeit gemerkt, dass Sie ein besonderes Talent fürs Boxen haben?
Joshua: So etwas wie natürliches Talent gibt es selten. Und wenn man nur Talent für etwas hat, reicht das nicht. Man muss hart arbeiten. Ich glaube der Großteil meines bisherigen Erfolges kommt von meiner harten, ehrlichen Arbeit. Ich bin sehr gut darin zu beobachten und es dann nachzumachen. Ich habe die letzten zehn Jahre damit zugebracht, Kämpfer zu studieren und Kämpfer zu finden, von denen ich lernen kann. Deshalb werde ich mich immer verbessern.
Anthony Joshua über seinen schnellen Aufstieg in der Boxszene
DAZN: 2012 haben Sie die olympische Goldmedaille gewonnen. Wie haben Sie auf den Erfolg und das plötzliche Interesse über Nacht reagiert?
Joshua: Ich wollte noch größer werden. Ich verstehe die Macht der Medien. Also habe ich meine Geschichte vom Boxen erzählt. Dass es nicht nur um rohe, brutale Gewalt geht. Ich wollte nicht als diese dunkle Gestalt angesehen werden. Ich wollte den Leuten erzählen, dass es beim Boxen um mehr geht: Disziplin, eine gesunde Lebensweise, soziale Themen, da so viele Leute aus verschiedenen Umfeldern aufeinandertreffen. Ich liebe das Boxen aus diesen Gründen. Das ist es, was das Boxen für mich ausmacht und das wollte ich den Leuten vermitteln.
Anthony Joshua: Statistiken und Infos zu seiner Karriere
Anthony Joshua | |
Bilanz | 20-0-0 |
K.o. (Quote) | 20 |
Größe | 1,98 m |
Gewicht | 113 kg |
Reichweite | 208 cm |
Alter | 28 |
Nation | England |
Stil | Linksauslage |
DAZN: Sie wirken sehr selbstbewusst im Umgang mit den Medien. Mussten Sie das trainieren?
Joshua: Ich habe eine große Familie. Wo ich aufgewachsen bin, kannte jeder jeden. Ich war immer von vielen Leuten umgeben, das war ein Segen. Ich kann mich an meine Anfänge im Amateur-Boxen erinnern: Bei den Kämpfen waren immer 15 Leute dabei. Man war nie allein, das hat geholfen. Ich war niemals jemand, der an der Seite gestanden ist und auf den Boden gekuckt hat. Ich war immer unter Leuten und war für Scherze aufgelegt, bis es an der Zeit war, an die Arbeit zu gehen.
DAZN: Ihr Aufstieg in der Boxszene ging ungewöhnlich schnell. Hatten Sie vor Ihrem ersten Weltmeisterschaftskampf vor fast genau zwei Jahren Zweifel?
Joshua: Ich erinnere mich gut. Ich hatte gerade um den britischen Titel gekämpft und ihn gewonnen, dann kam die Möglichkeit, um den Weltmeistertitel zu kämpfen. Normalerweise ist es in Großbritannien so: Man beginnt auf dem britischen Niveau, steigt dann zum europäischen Niveau auf und kämpft sich schließlich bis in die Weltklasse hoch. Wir haben das britische Level praktisch übersprungen und das europäische Level wurde gleich zum Weltlevel. Mein Coach hat mir damals gesagt: "Das ist eine Chance, die du ergreifen musst. Aber pass auf: Wenn du einmal den Schritt zum Championship-Level machst, gibt es kein Zurück." Ich habe gesagt: "Packen wir's an. Darum sind wir hier." Also haben wir seit meinem 16. Kampf um Weltmeisterschaften gekämpft.
DAZN: Sie und Ihr Coach Robert McCracken scheinen bisher immer die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Welche Rolle spielt Ihr Trainer für den Erfolg?
Joshua: Wenn du irgendetwas über mein Boxen wissen willst, musst du ihn fragen. Er ist das Mastermind hinter allem. Er hat mehr Erfahrung als ich und ich vertraue seinen Ratschlägen.
Anthony Joshua über den Kampf gegen Klitschko
DAZN: Waren Sie auch vor dem Klitschko-Kampf einer Meinung?
Joshua: Einen Vereinigungskampf gegen einen der Besten aller Zeiten zu führen - dieses Angebot konnte ich nicht ablehnen. Es ging schließlich um die IBF, WBA und IBO-Titel. Eigentlich sollten wir am 10. Dezember in Manchester kämpfen. Im Nachhinein war es ein Segen, dass das nicht geklappt hat. Weil Wladimir den Kampf wegen einer Verletzung verschieben musste, konnten wir schließlich im Wembley-Stadion kämpfen. Das war Schicksal. Es wurde eine große Nacht für den Boxsport. Ich habe gewonnen, aber auch Wladimir hat an Popularität und Respekt gewonnen, weil er wie ein Champion gekämpft hat.
DAZN: Vor dem Klitschko-Kampf haben Sie trotz Ihrer Erfolge gesagt: "Ich habe noch nichts erreicht." Denken Sie immer noch so?
Joshua: Langsam aber sicher denke ich, dass ich etwas erreicht habe. Aber ich habe die Geschichte des Boxens recherchiert und muss mir eins immer vor Augen halten: Ich bin nicht der erste, der das erreicht hat. Ich bin nicht der erste Schwergewichtschampion, den dieses Land und die Welt hatte. Darum muss ich mir immer ins Gedächtnis rufen, nicht abzuheben. Die Leute haben schon Millionen wie mich gesehen. Das hilft es mir, einen klaren Kopf zu behalten.