5. Power- und machtlos? Wo wir gerade schon bei hochroten Köpfen sind, bleiben wir gleich bei Mighty Mike und den Favoritenstürzen dieser Weltmeisterschaft. Phil Taylor zeigte sich gegen Jelle Klaasen verunsichert, unruhig und nicht annähernd so cool, wie wir ihn eigentlich kennen.
Während sich das Aus von The Power aber über das gesamte Jahr 2015 irgendwie andeutete und der 55-Jährige schon selbst betonte, sich nach Scheidung und dem Tod seiner Mutter nicht in bester Verfassung zu befinden, war die Niederlage von Michael van Gerwen doch ein ordentlicher Schocker. Zwar war Barney nun nicht der kleinste Stolperstein, aber wer in der Runde davor noch beinahe den WM-Average-Rekord mit 109,71 pulverisiert, darf doch nicht im Achtelfinale ausscheiden.
Auf der anderen Seite ist das K.o.-System eben ein K.o.-System. Im Darts gibt es kein weichgespültes Hin- und Rückspiel, da heißt es eben do or die. Da kann auch ein eigentlich richtig gut aufgelegter Peter Wright mal eben 2:5 von Adrian Lewis aus dem Weg gebügelt werden oder eben ein Mighty Mike mit 3:4 an van Barneveld scheitern. Wie bereits erwähnt: Darts ist Extremsport. Aus. Dabei bleiben wir.
4. Ohne Holland fahr'n wir zur EM! Gebührender Respekt gehört ebenso den Leuten, die die Darts-WM Jahr für Jahr nicht nur sehenswert, sondern ganz besonders auch hörenswert machen. Rund 3000 Leute passen rein in den coolsten Teil des Alexandra Palace und rund 3000 Leute geben, völlig egal ob Nachmittags- oder Abendsession - alles.
Das geht vom Klassiker "Boring, boring tables" über "Stand up if you love the darts" bis hin zum "Phil Taylor Wonderland" und diversen Interpretationen des letztgenannten. Dieses Jahr wurde aber so deutsch wie selten zuvor gesungen. "Oh wie ist das schön", wenn man die erstaunlich vielen Schland-Touristen grölen hört.
Das Endgeile an der ganzen Sache: Abgesehen vom Maximiser, der allerdings das Maximisen einmal mehr anderen überließ, stehen nur ganz wenige andere Deutsche auf der Bühne und das ohnehin nicht lange. Wir Deutschen fahren da hin und tun das weder, um von Einheimischen vor dem Big Ben gestellte Familienfotos machen zu lassen, noch um uns in nicht aufzuhaltender Manier in Gruppen zusammenzurotten: "Sind se auch Deutscher?"
Wir fahren da hin, machen uns internationale Freunde und bringen sogar noch unser eigenes Liedgut mit. So kennt man uns Deutsche eigentlich gar nicht.
Da werden es uns Michael van Gerwen, Vincent van der Voort und Co. dann hoffentlich auch verzeihen, dass gelegentlich - gut, eher alle paar Minuten, wir sind schließlich schadenfroh - durch das Ally Pally hallte: "Ohne Holland fahr'n wir zur EM!"
3. Die jungen Wilden kommen! Wo wir gerade übrigens bei Vincent van der Voort waren, bleiben wir gleich mal bei den alteingesessenen Spielern der Tour. Ganz getreu dem Motto "Es gibt keine Kleinen mehr" ist auch der Dartsport in den letzten Jahren mehr und mehr zusammengerückt.
Während van der Voort noch das Vergnügen hatte, erst in der 3. Runde an Weltmeister Gary Anderson zu scheitern, war das vielen seiner Art nicht vergönnt. Robert Thornton (6), Ian White (9), Simon Whitlock (10), Brendan Dolan (18) und Justin Pipe (20) waren als Top-20-Spieler der Order of Merit schneller draußen, als sie High-Finish schreien können.
Dann wäre da natürlich noch Jelle Klaasen, der Phil Taylor stürzte und somit einen Schlussstrich unter das schwache Jahr von The Power zog. Oder Michael Smith, gerade 25 Jahre alt, der als Nummer acht der Welt dem einen oder anderen Konkurrenten eine Geschichte mehr für die Enkelkinder am heimischen Kamin verschaffte.
Allerdings: In der ersten Runde war sogar Smith mal der ältere Spieler. Gegen Jeffrey De Zwaan musste er über das Sudden-Death-Leg gehen. Schade eigentlich, denn vom 19-jährigen Niederländer hätten wir gerne mehr gesehen. Gleiches gilt übrigens für den ebenfalls erst 19-jährigen Hopp. Nächstes Jahr dann. Oder Übernächstes. Die Zeit ist eben nicht knapp.
2. Verlassen, einsam - Darts-Fan? Viel Zeit hat dagegen wohl der gemeine Zuschauer nicht mehr. Nicht, dass die Zielgruppe so alt wäre, das wollen wir hier gar nicht erst andeuten. Den größten Marktanteil hat Darts bei den 19 bis 49-Jährigen, aber darum geht es uns gar nicht. Die Zeit bei der Partnerinnensuche scheint allerdings knapp zu werden.
Anders können wir uns die geschaltete Werbung in Zeiten der Zielgruppenoptimierung gar nicht erklären. Egal ob eDarling, Elitepartner oder Parship, der übertragende Sender zeigte mehr als deutlich, wie er den Darts-Fan so einschätzt. Allerdings steht er damit bei weitem nicht alleine da. Wer die einschlägigen Darts-Seiten im Internet besucht, stellt fest: Wir Darts-Fans sind dick, einsam, verlassen und sozial absolut unfähig.
Da wäre Werbung für das beste Abnehmprogramm, noch mehr Dating-Seiten, Verwaltung für das nächste IT-Projekt, die besten - natürlich süchtig machenden - Online-Spiele und mehr als einen Lieferservice. Lieferservice asiatisch darf hierbei auf einer Seite sogar mehrdeutig gesehen werden.
Das aber nur am Rande. Denn mal ehrlich. Die Werbung haben wir ohnehin alle ausgemacht. Wir mussten uns schließlich in den Unterbrechungen um die Essensbestellung kümmern und haben mindestens drei Minuten von Fernseher zu Wohnungstür gebraucht.
1. Gary, Gary Anderson: Ein Mathe-Professor wird er wohl nicht mehr der gute alte Gary. Muss er aber auch nicht. Pfeile werfen kann er nämlich ganz ordentlich - zum Glück. Bis zum Finale gönnte der jetzt zweimalige Weltmeister seinen Kontrahenten nur zwei Satz-Gewinne. Respekt hierfür.
Kein Wunder, dass er seinen Schwierigkeitsgrad erhöhte und sich im Halbfinale absichtlich verrechnete. Trotzdem bügelte er Jelle Klaasen mit 6:0 nieder. Was macht ein wahrer Champion in solch einer langweiligen Situation? Klar, den Schwierigkeitsgrad abermals erhöhen.
Im Finale checkte der Schotte dementsprechend erst das Madhouse als die Doppel-Sechs von Nöten gewesen wäre und überwarf sich später kurzerhand bei 86 Punkten Rest. Shit happens. Immerhin wurde Andersons lauter Hilferuf nach ernsthafter Gegenwehr endlich erhört: Fünf Sätze schnappte sich der Jackpot.
Jetzt aber nicht übertreiben! The Flying Scotsman nahm die Zügel wieder enger in die Hand und putzte Lewis mit seinem zweiten Championshipdart von der Bühne. Da wird er es verkraften, dass es mit der akademischen Laufbahn so schnell nicht klappen wird. Sowieso: Der Typ ist viel zu sympathisch, um sich an einer Uni zu verschwenden.
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