"Max hat Voraussetzung für die Top10"

Adrian Fink
30. Mai 201715:28
Elmar Paulke ist der bekannteste deutsche Darts-KommentatorSPOX
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Elmar Paulke ist DIE Darts-Stimme in Deutschland. Der 46-Jährige hat Darts hierzulande populär gemacht und hat maßgeblichen Anteil daran, dass der Sport immer weiter voranschreitet. Nun wagt Paulke den nächsten Schritt und kommentiert fortan zahlreiche Events auf DAZN - zusammen mit Deutschlands Nummer eins Max Hopp. Bei den World Series in Sydney gibt das Kommentatoren-Duo sein Debüt. Ein Gespräch über die Entwicklung von Darts, die Faszination rund um den Sport und den scheinbar unbezwingbaren Michael van Gerwen.

SPOX: Herr Paulke, am Donnerstag feiern Sie Ihr Debüt bei DAZN (die World Series in Sydney live auf DAZN). In Zukunft werden wir Sie bei zahlreichen Events auf DAZN hören. Was erwarten Sie von der neuen Aufgabe?

Elmar Paulke: Für den Darts-Fan ist es eine gute Nachricht, dass DAZN in die Darts-Welt einsteigt, weil sie so viel Darts sehen können wie noch nie. Für Darts-Deutschland ist das der nächste Schritt. Neben der Übertragung im Free-TV auf SPORT1 ergänzt und erweitert DAZN das Darts-Angebot. Das hat es in Deutschland so noch nie gegeben und kommt zum perfekten Zeitpunkt.

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SPOX: Wie meinen Sie das genau?

Paulke: Es sind unheimlich viele Turniere. Gary Anderson führt zum Beispiel Buch, dass er nur 28 Tage zu Hause war. Anfangs dachte ich, dass wir den Markt nicht übersättigen dürfen und nicht alle Turniere zeigen sollten. Aber letztes Jahr haben wir gesehen, dass die Leute Bock auf mehr haben. Und jetzt geben wir ihnen die Möglichkeit, noch mehr zu sehen. Die Darts-Fans wissen das zu schätzen und werden darauf reagieren.

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SPOX: Sie waren von der Geburtsstunde in Deutschland dabei und haben den Sport vorangetrieben. War zu Beginn schon absehbar, welche Entwicklung der Sport nehmen wird?

Paulke: Wir haben uns von Anfang an auf die großen PDC-Turniere konzentriert, aber es war für mich persönlich ein Ritt in eine völlig neue Welt. Am 19. Dezember 2004 habe ich mein erstes Match kommentiert und ich hatte keine Ahnung von Darts. Ich wusste nur, dass wir jetzt 35 Stunden live senden werden und uns ein großes Abenteuer bevorsteht. Überraschenderweise hatten wir direkt gute Einschaltquoten.

SPOX: Wie rutscht man in eine Sportart, von der man keine Ahnung hat?

Paulke: Es wurden TV-Rechte gekauft und das DSF ist damals auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich das machen kann. Ich habe mir dann einen Spieltag der Bundesliga angeschaut und die Typen da waren total durch und haben die klassischen Darts-Gespräche geführt. Aber ehrlich gesagt habe ich sogar ein paar Übertragungen gebraucht, um die Faszination Darts zu verstehen.

SPOX: Mittlerweile hat Sie die Faszination gepackt. Spielen Sie auch selbst regelmäßig?

Paulke: Meine Fähigkeiten mit den Pfeilen sind nicht erwähnenswert.

SPOX: Das sah bei Ihrem TV-Auftritt bei Stefan Raab aber anders aus...

Paulke: Das war reines Glück. (lacht) Im Ernst: Ich werfe hin und wieder mal eine 180, aber nicht ansatzweise einen Neun-Darter. 2006 habe ich mal gegen Wayne Mardle (damals Top 5, d. Red.) gespielt, aber da habe ich kein Land gesehen.

SPOX: Kritiker behaupten, Darts wäre kein echter Sport. Was zeichnet Darts aus?

Paulke: Die Kontraste im Darts sind überwältigend: Zum einen der mentale Aspekt des Spiels; den begreift man nicht auf Anhieb. Die Anforderung, sich teilweise über Stunden hinweg nur auf diese winzigen Felder zu konzentrieren, ist schon brutal. Das Verständnis dafür kommt erst mit der Zeit.

SPOX: Und zum anderen?

Paulke: Der hohe Wiedererkennungswert. Man versteht das Spiel schnell, hat viele Entscheidungen und eine verrückte Fankultur. Leute bleiben hängen, weil die Atmosphäre außergewöhnlich ist - erst dann kommt der Sport. Du hast ein Konzentrationsspiel und eine grölende Fangemeinde. Du gehst in den historischen Ally Pally und alle sind völlig verrückt verkleidet.

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SPOX: Dazu kommen noch die Spieler selbst...

Paulke: Ja, sie sind nicht die Helden unserer Zeit, werden aber wie Popstars gefeiert. Das hat etwas Skurriles und Begeisterndes zugleich.

SPOX: Sie haben die Fankultur angesprochen. Wie schwierig ist es als Kommentator, die richtige Balance zwischen Karneval und Seriosität zu finden?

Paulke: Das ist genau die coole Dynamik, die man mitnehmen muss. Das ist Darts. Bier, Party, Kostüme, Walk-on-Girls - das ist der Charme, der Darts ausmacht. Wichtig ist aber, dass man die wichtigen Momente nicht verpasst. Wenn sechs Perfekte gespielt wurden, ist die Halle still und alle warten auf den heiligen Moment. Da darf man über nichts anderes reden. Ich glaube, das schaffe ich und dann ist es auch für den Zuschauer okay, dass ich teilweise über Nonsens spreche. Wir Kommentatoren sind nie wichtiger als der Sport.

SPOX: Künftig werden Sie gemeinsam mit Max Hopp, Deutschlands bestem Darts-Spieler, kommentieren. Wie dürfen wir uns diese Konstellation vorstellen?

Paulke: Ich kommentiere Darts unheimlich gerne zu zweit, weil man Zeit hat, um ein bisschen zu plaudern. Max hat bei der WM schon mitkommentiert und macht das sprachlich sehr gut. Man merkt schnell, dass er sich sehr souverän in den Medien bewegt. Max ist selbst Profi, hat letztes Jahr die World Series Finals gespielt und soll aus Spielersicht Dinge ergänzen, die mir vielleicht gar nicht auffallen.

SPOX: Als Experte übt man auch Kritik an den Spielern. Wie sehen das die Spieler auf der Bühne, wenn ein Kollege über sie urteilt?

Paulke: Max wird sich wahrscheinlich ein bisschen zurückhalten. Aber natürlich muss er Dinge einordnen und wenn er Spieler aufgrund ihrer Leistung einordnet, ist das für auch für sie in Ordnung.

SPOX: Max ist derzeit die Nummer 45 der Welt und hat 2015 die PDC Junioren WM gewonnen. Kann ihm der große Sprung gelingen?

Paulke: Er hat die Voraussetzung dafür, um ein Top-10-Spieler zu werden, aber ihm steht eine enorm schwierige Phase bevor. Bis Rang 45 haben es viele Spieler geschafft, aber um den nächsten Schritt zu machen, muss man auch mal ins Halbfinale von einem Major kommen. Mensur Suljovic, der für mich nach van Gerwen DER Spieler dieses Jahres ist, hat dieses Kunststück vollbracht. Ich traue Max eine ähnliche Entwicklung zu, aber er braucht Geduld.

SPOX: Für DAZN kommentieren Sie das erste Mal gemeinsam mit ihm die World Series in Sydney. Welche Wertschätzung hat dieses Turnier für die Spieler?

Paulke: Da die Top-Spieler allesamt gesetzt sind, ist das Turnier extrem stark besetzt. Dazu kommen noch die australischen Qualifikanten Kyle Anderson und Simon Whithlock. Aber es ist "nur" ein TV-Turnier, das Darts weltweit populärer machen soll und kein Major. Trotzdem ist es den Spieler nicht egal, sie wollen sich in Sydney für die enorm wichtige zweite Jahreshälfte in Form spielen.

SPOX: Wenn man sich das bisherige Jahr anschaut, kann eigentlich nur van Gerwen der Favorit als Favorit gelten, oder?

Paulke: Das Turnier bietet die Chance, van Gerwen auch mal zu zeigen, dass er nicht unschlagbar ist. Aber trotzdem ist für mich van Gerwen derzeit das Maß aller Dinge. Was er konstant spielt, ist nicht von dieser Welt.

SPOX: Was zeichnet van Gerwen aus?

Paulke: Er interpretiert Darts neu, van Gerwen spielt ein anderes Darts als die Generation der 90er Jahre, mit mehr Power und Geschwindigkeit. Mit seiner Körpersprache überrollt er seine Gegner auf der Bühne förmlich. Darts ist zu 90 Prozent Kopfsache und van Gerwens größte Stärke ist seine Selbstverständlichkeit: Er geht die Spiele mit enormen Selbstbewusstsein an und liegt häufig früh mit drei Legs vorne. In Sydney kommt ihm der Modus auch noch entgegen, weil ein Best-of-Modus gespielt wird.

SPOX: Im Ally Pally tut sich van Gerwen verhältnismäßig schwer. Liegt das am Modus?

Paulke: Ich glaube eher, dass das am Druck liegt. Eigentlich hat er die Qualität, um den Titel nach 2014 ein zweites Mal zu holen. Aber nach seinem Achtelfinal-Aus im letzten Jahr macht er sich selbst enorm Druck und das Niveau bei der WM ist brutal. Grundsätzlich wirkt er bei der WM fast schon zu verbissen. Anderson ist da anders: Er strahlt Ruhe aus und weiß, dass er niemandem etwas beweisen muss. Er ist total entspannt auf der Bühne.

SPOX: Wie sehen Sie die Chancen von Taylor auf den 17. WM-Titel?

Paulke: Eigentlich ist es das Jahr des Phil Taylors und es ist beeindruckend, in diesem Alter nochmal so zurückzukommen, ist beeindruckend. Das große Problem ist, dass er als Nummer 4 der Welt immer Anderson und van Gerwen aus dem Weg räumen muss. Ich glaube, dass er noch ein Major holt, aber mehr als 16 WM-Titel werden es nicht mehr. Taylor hatte van Gerwens Selbstverständnis auch 20 Jahre lang, aber jetzt ist dieses sensible Konstrukt zusammengebrochen.

SPOX: Taylor und van Gerwen könnten in Sydney erst im Finale aufeinander treffen. Beim letzten Match der beiden war Taylor unterlegen und hat versucht, van Gerwen mit allen Mitteln aus dem Konzept bringen...

Paulke: ...die Reaktion von Taylor beim World Matchplay hat Bände gesprochen. Das war kein Fairplay, Taylor war hilflos und sein Verhalten war albern. Dieses Match steckt bei beiden noch im Kopf.

SPOX: Auch Gerwyn Price und Adrian Lewis sind zuletzt aneinander geraten. Wird der Konkurrenzkampf grundsätzlich intensiver?

Paulke: Price kommt aus einem anderen Sport und kennt das vom Rugby nur so. Aber es besteht die Gefahr, dass er sich so isoliert. Es gab aber auch früher schon Spieler, die dieser Konfrontation nicht aus dem Weg gegangen sind. Das finde ich auch nicht verwerflich, "winning ugly" gehört dazu. Man muss davon überzeugt sein, dass man die größten Spieler schlagen kann, sonst gelingt das nie.

SPOX: Anderson gehört selbst zu den besten Spielern und hat gezeigt, dass er jeden schlagen kann. Was können wir in den nächsten Monaten von ihm erwarten?

Paulke: Anderson ist nicht der van-Gerwen-Typ, der eine Trophäe nach der anderen einsammelt, aber der ist plötzlich da und spielt sensationell. Das hat er bei der WM zuletzt zwei Mal bewiesen. Ich warte aber auch auf den ersten Major-Sieg von Peter Wright. Sonst läuft er Gefahr, eine Terry-Jenkins-Karriere zu erleben: wenn du diese Finals nicht in den ersten Anläufen gewinnst, dann verlierst du sie dein ganzes Leben.

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SPOX: In diesem Jahr stehen vor der WM mit dem Grand Prix, der EM, dem Finale der World Series of Darts und dem Grand Slam noch vier Majors auf dem Programm. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Paulke: Das sind noch vier echte Highlights! Besonders der Grand Slam und der World Grand Prix reizen mich. Beim Grand Slam of Darts wollen die PDC-Spieler den BDO-Spielern zeigen, dass sie besser sind. Das ist immer noch ein Thema. Der World Grand Prix lebt von seinem Double-In-Modus. Normalerweise wird es einem verziehen, wenn man nach dem Check-Out eine kurze Schwächephase hat, aber in Dublin steht man permanent unter Druck.

SPOX: Aber das größte Turnier ist und bleibt die WM. Können Sie uns die Faszination Ally Pally erklären?

Paulke: Das ist DAS Party-Turnier schlechthin - und das auf der größten Darts-Bühne der Welt. Die Fans werfen sich in die verrücktesten Kostüme und feiern die Tage komplett durch. Es ist vergleichbar mit Wembley, Wimbledon oder Mekka - als Darts-Fan musst du mal da gewesen sein. Mittlerweile sind so viele deutsche Fans dort, dass die PDC sogar überlegt, deutsche Security-Leute einzusetzen.

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