Usain Bolt steht für Dominanz. Für Show auf und abseits der Tartanbahn. Für eine gehörige Portion Lässigkeit. Bei einem der größten Sportler unserer Zeit denken wir bereits zu wissen, für was er in Gänze steht. Der Dokumentarfilm "I am Bolt", der am 28. November in den deutschen Kinos anläuft, will ein dezidierteres Bild des neunfachen Olympiasiegers zeichnen. Doch die Filmemacher scheitern zumeist an zu viel Oberflächlichkeit.
Wie bringe ich das Leben eines Athleten auf die große Leinwand, dessen Haupttätigkeit nach nicht mal zehn Sekunden wieder vorbei ist? Über diese Frage mussten sich die Dokumentarfilmemacher Benjamin und Gabe Turner (unter anderem "The Class of 92", "In The Hands of God") für ihr neuestes Werk "I am Bolt" den Kopf zerbrechen.
Für die Umsetzung des Dokumentarsfilms hat das Brüderpaar Sprintsuperstar Usain Bolt in regelmäßigen Abständen über zwei Jahre lang auf dem Weg zu seinen dritten und letzten Olympischen Spielen begleitet und in Kombination mit alten Aufnahmen und Videotagebuch-Einträgen von Bolt selbst eine klassische Sportlerdokumentation erstellt.
Den Schwerpunkt der Doku bildet die Saisonvorbereitung Bolts auf die Spiele in Rio 2016, die geprägt sind von Verletzungssorgen, Motivationsproblemen des Superstars zwischen Trainingseinheiten und den Versuchungen des süßen jamaikanischen Lebens sowie der Rivalität zum US-amerikanischen Sprint-Enfant-Terrible Justin Gatlin.
Gerade Letzterer wird, wohl auch um einen unmittelbaren Spannungsbogen zu erzeugen, bewusst fast schon zu negativ dargestellt. Provozierende Aussagen Gatlins über Bolt sowie die Dopingvergangenheit des US-Sprinters tauchen immer wieder auf, während die durchaus vorhandenen Dopingprobleme des jamaikanischen Leichtathletikverbandes mit keiner Silbe erwähnt werden.
Einblicke ins Training
Dabei spielen die wenigen Trainingssequenzen Bolts im Film doch auf jamaikanischen Boden. Wer sich aber interessante Einblicke in die Laufmethoden oder sonstige Erfolgsgeheimnisse des Weltrekordlers erhofft hat, wird enttäuscht. Auch Bolt selbst äußert sich nicht zum Thema Doping.
"I am Bolt" packt den Zuschauer fast ausschließlich in der Crunchtime, also während der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung Bolts bei den Spielen in Rio. Von den Spielen sind sehenswerte Bilder rund um Brasiliens Olympiastadion entstanden, die einen für ein paar Momente zu einem Teil von Bolts kleinem Team machen. Durchaus interessant sind ebenfalls rückblickende Videoaufnahmen rund um die Spiele 2008 und 2012, die das Verhältnis zu Bolts Teamkollegen - allen voran Yohan Blake und Asafa Powell - darstellen.
Zu Bolts privatem Team gehört der schwergewichtige, gemütlich wirkende Trainer Glen Mills, Physiotherapeut Everald Edwards, Manager Simms und vor allem Nugent Walker. Letzterer tritt offiziell als Exekutive Manager auf, ist aber in erster Linie Bolts ältester Schulfreund und engster Vertrauter.
Zu oberflächlich
Die Sequenzen, die das Quartett auf der einen Seite im Umgang mit Bolt im Alltag, auf der anderen Seite über den Superstar sprechend zeigen, verraten zwar etwas über den Menschen und Athleten Usain Bolt. Sie dürften aber noch viel intensiver und tiefgründiger gezeichnet sein und verlaufen sich zumeist an oberflächlichen Dingen.
Vor allem das Verhältnis zu Walker, das sehr vertraut sein soll, wird kaum behandelt. Einmal wird Manager Simms mit den Worten zitiert: "Er liebt ihn wie seinen eigenen Bruder." Zusammen sieht man sie selten.
Der Film besteht insgesamt zu großen Teilen aus immer wiederkehrenden Siegen Bolts mit dazu passender Musik sowie Public Viewing ähnlichen Bildern von Fans aus seiner Heimat. Dinge, die Fans bereits über Bolt wissen und kennen.
Dazu gehört auch, dass Bolt durchaus zum Lebemann neigt und gerne feiert. Auch das wird in der Doku - gerne überspitzt - dargestellt. Nichts Neues also?
Die Ängste Bolts
Die wenigen intensiven Momente erlebt der Zuschauer, wenn Monologe aus Bolts Videotagebuch gezeigt werden. Hier kommt man Usain Bolt durchaus näher. Am nächsten, als der beste Sprinter der Welt offen zugibt, dass er jedes Jahr Angst vor dem ersten Rennen habe und sich fragt: "Bin ich noch schnell? Bin ich noch der Schnellste?"
Doch das war es weitestgehend: Darüber hinaus muss sich der Zuschauer mit zunehmend gleichen Lobeyhymnen von Sportstars wie Serena Williams, Pele oder Neymar zufrieden geben.
Fans des überragenden Sprinters unserer Zeit, der sich in London zum dritten Mal das Triple-Gold bei Olympischen Spielen sicherte, werden sich diesen Film dennoch gerne anschauen. Allgemeine Sportfans, die Sportlerbiografien- und Dokumentationen ob ihrer Tiefgründigkeit, ihrer mentalen Komponente und Trainingsmethoden lieben, werden dagegen enttäuscht.
Hat doch gerade Usain Bolt mehr Facetten zu bieten, als das unmenschliche Naturtalent, die 100 Meter unter zehn Sekunden und vor allem schneller als jeder andere zu laufen.